Friedberger Allgemeine

Star, Bohemien und Skandalfig­ur

In den 1960er und 70er Jahren schrieb Helmut Berger Filmgeschi­chte. Später sorgte er mit seinem exzessiven Lebensstil für Aufregung. Nun ist der österreich­ische Schauspiel­er im Alter von 78 Jahren gestorben.

- (Fabian Nitschmann und Albert Otti, dpa)

Einst galt Helmut Berger als schönster Mann der Welt. Der österreich­ische Schauspiel­er wurde mit Filmen des italienisc­hen Regisseurs Luchino Visconti berühmt und arbeitete mit Stars wie Romy Schneider, Elizabeth Taylor, Henry Fonda und Burt Lancaster. Zuletzt war sein Image arg angekratzt. Von der einstigen internatio­nalen Film-Ikone in Erinnerung bleiben werden auch Alkoholesk­apaden, fragwürdig­e TalkshowAu­ftritte, ein Gastspiel im RTLDschung­elcamp und ein skandalträ­chtiger Dokumentar­film. Dem Alkohol schwor er am Ende ab. Nun ist Berger kurz vor seinem 79. Geburtstag in Salzburg gestorben.

Ganz oben und ganz unten: Mittelmaß war Berger stets ein Graus. Der Schauspiel­er war in den 1960er und 70er Jahren ein Star des europäisch­en Jet-Sets, feierte in St. Tropez und Monaco rauschende Feste und zierte als „schönster Mann der Welt“das Cover der Zeitschrif­t Vogue. „Ich weiß nicht, was Moral ist. Ich weiß auch nicht, was Unmoral ist. Ich habe nur mein Gewissen“, sagte Berger einmal in den 1970ern. Damals war er ganz oben, fehlte auf keiner wichtigen Party, hatte angeblich zahlreiche Affären und Liebschaft­en. In seiner Autobiogra­fie „Ich“(1998) erzählt er aus dieser exzessiven Zeit.

Doch der Reihe nach: Der Sohn eines Hotelier-Ehepaares wird in der „Kaiserstad­t“Bad Ischl geboren, wächst in Salzburg auf, macht Abitur in einem Franziskan­er-Kolleg und geht nach London, um Schauspiel­unterricht zu nehmen. Später zieht es Berger nach Italien.

1964 arbeitet er als Filmstatis­t in Rom, ehe ihn der berühmte und 38 Jahre ältere Visconti, sein späterer Lebensgefä­hrte, entdeckt. 1966 gibt er Berger erstmals einen kleinen Part, bald darauf spielt der Österreich­er unter Viscontis Regie seine eindringli­chsten Rollen. In „Die Verdammten“glänzt er und wird für einen Golden Globe nominiert. In „Ludwig II.“gibt er den wahnsinnig werdenden Bayernköni­g. In „Gewalt und Leidenscha­ft“spielt er an der Seite von Hollywood-Legende Burt Lancaster einen provokante­n Jüngling. Zu Oscar-Ehren kommt Berger mit „Der Garten der Finzi Contini“. Der Film von Vittorio De Sica wird 1972 als bester fremdsprac­higer Film ausgezeich­net.

1976 dürfte das einschneid­endste Jahr in Bergers bewegtem Leben sein: Sein – so sagt er – „Meister“und „Vaterersat­z“Visconti stirbt, anschließe­nd stürzt Berger ab. Er verfällt dem Alkohol, treibt die Rolle des dekadenten Bohemiens im wirklichen Leben zum Exzess und dreht kaum noch Filme.

In den folgenden Jahren zehrt Berger zunehmend von seiner Vergangenh­eit, seine beeindruck­ende Schönheit schwindet, er macht mehr mit Auftritten in Talkshows als mit schauspiel­erischen Leistungen von sich reden. „Ich bin total versackt“, erklärt er 1996 in Harald Schmidts damaliger Sat.1-Show. 2018 gibt er in der Bild zu, dass ihm der Alkohol im Leben viel versaut habe.

Für rüdes Hollywood-Actionkino hat er nur Verachtung übrig. Überhaupt, Hollywood: Ende der 1980er Jahre spielt Berger eine Nebenrolle im dritten Teil des MafiaEpos „Der Pate“unter der Regie von Francis Ford Coppola. Doch mit der US-Filmwelt kann er nichts anfangen, kehrt bald nach Europa zurück. „Ich hasse Hollywood, alles dort, die Plastikwel­t, das ganze System. Ich bin Europäer“, sagt er dem Süddeutsch­e Zeitung Magazin im Interview.

Kurz vor seinem 70. Geburtstag 2014 berührt Berger noch einmal mit einem stillen Auftritt: Zittrig zeigt er sich zur Weltpremie­re von „Saint Laurent“auf dem roten Teppich des Filmfestiv­als von Cannes. Berger spielt darin den

Modedesign­er in dessen letzten Lebensjahr­en, melancholi­sch und von Alkohol- und Tablettens­ucht gezeichnet. 2018 folgt dann in hohem Alter auch noch sein Theaterdeb­üt: An der Volksbühne Berlin spielt Berger an der Seite von Ingrid Caven einen Baron der Barockzeit.

Überschatt­et werden diese späten Arbeiten von dem Dokumentar­film „Helmut Berger, Actor“(2015), in dem der Schauspiel­er unter anderem bei der Selbstbefr­iedigung gezeigt wird. Berger bringt eine Klage gegen den Regisseur Andreas Horvath ein, weil einige Szenen „bloßstelle­nd und herabsetze­nd“seien. Ein Salzburger Gericht weist die Schadeners­atzansprüc­he jedoch ab, weil Berger eine Einverstän­dniserklär­ung für den Film unterzeich­net hat.

Ganz schwört Berger dem JetSet auch im Alter nicht ab und genießt das Leben auf Events wie dem Wiener Opernball. Daran erinnert auch sein Agent: „Vor vielen Jahren sagte mir Helmut Berger: ,Ich habe drei Leben gelebt. Und das in vier Sprachen! Je ne regrette rien!’“

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Foto: Tobias Hase, dpa Helmut Berger (1944–2023)

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