Wie groß ist die linksextreme Szene?
Zwei Straftaten in den vergangenen Monaten lenken den Blick auf ein Milieu in Augsburg, das die Polizei im Fokus hat. Eine Razzia beschäftigt weiter die Gerichte.
Das Hans-Beimler-Zentrum im Augsburger Stadtteil Oberhausen fällt von außen kaum auf. Wer nicht weiß, dass es sich hier, im Erdgeschoss eines Mehrparteienhauses in der Manlichstraße, befindet, läuft vermutlich daran vorbei, ohne es zu bemerken. Die Räume dienen vor allem als Treffpunkt verschiedener linker Gruppen, darunter das „Offene Antifaschistische Treffen“, kurz OAT, und die „Rote Jugend Schwaben“. Im März war der unscheinbare Ort Schauplatz einer größeren Razzia, die zugleich offenlegte, wie sehr die Polizei die Szene in Augsburg im Fokus hat. Denn aus Sicht der Ermittler sind Linksextreme in der Stadt zuletzt aktiver geworden – und haben dabei auch Straftaten begangen.
In den vergangenen Monaten gab es vor allem zwei aufsehenerregende Vorfälle in Augsburg. Im November 2022 hatten Unbekannte den Weg vor der Wohnung der AfD-Bezirkstagskandidatin Gabrielle Mailbeck im Augsburger Univiertel mit einem mehrere Meter großen Schriftzug „AfD angreifen“beschmiert. Auch vor Mailbecks Ernährungspraxis in Friedberg wurde ein ähnlicher Schriftzug angebracht, versehen mit dem in der Antifa-Szene verbreiteten Schlachtruf „Alerta“. In der Nachbarschaft in Friedberg wurden zudem mehrere Flugblätter mit einem Bild von Mailbeck und ihrem ebenfalls in der AfD aktiven Mann unter der Überschrift „AfDler in der Nachbarschaft“verteilt, versehen auch mit der Privatadresse der Familie. Und dann ist da die Farbattacke auf das SPD-Bürgerbüro im Domviertel, das unbekannte Täter im April beschmierten. Später tauchte ein Bekennertext und ein Video der Tat auf der Plattform Indymedia auf; die Internetseite gilt als Austauschplattform für linksextremistische Inhalte. Man habe das SPD-Büro „mit roter Farbe angegriffen, um zu zeigen, dass die SPD weder links noch sozial ist“, heißt es dort.
Es sind zwei Fälle, bei denen vieles darauf hindeutet, dass die Taten von Mitgliedern linker Gruppierungen begangen wurden – auch wenn es derzeit noch keine konkreten Beschuldigten gibt, geschweige denn eine Anklage oder einen richterlichen Schuldspruch. Vom Augsburger Polizeipräsidium heißt es auf Anfrage, es gebe in Augsburg einen „hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Bereich“an Personen aus der linken Szene, die für die Ermittler relevant seien. Neben dem HansBeimler-Zentrum in Oberhausen existiert noch ein weiterer Treffpunkt in der Stadt, die Ganze Bäckerei in der Frauentorstraße. Wenn die Polizei in dem Milieu ermittelt, geht es meist nicht um gravierende Delikte, sondern etwa um Sachbeschädigungen durch Graffiti und Farbe oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Zum Teil ermittelte die Polizei in der Vergangenheit aber auch wegen Gewalttaten gegen Personen, die sie linksextremistischen Gruppierungen in der Stadt zuordnet. Deren Mitglieder sind nach Angaben der Ermittler in der Regel eher jung, zwischen 15 und 30 Jahre alt, und in verschiedenen Initiativen organisiert.
Für fünf linke Gruppen, die auf der Internetseite des Hans-Beimler-Zentrums genannt werden, interessiert sich auch der bayerische Verfassungsschutz. Es sind neben dem OAT und der Roten Jugend auch die Antifaschistische Jugend Augsburg, die Rote Hilfe und die DKP Augsburg. Es ist teils allerdings unklar, wie aktiv diese Gruppierungen tatsächlich noch sind, die Antifajugend etwa verkündete ihre Auflösung bereits vor Monaten. Die Razzia im März richtete sich gegen das „Offene Antifaschistische Treffen“– und sorgte in der Szene für Entrüstung. Damals war die Polizei mit einem größeren Aufgebot angerückt und hatte die Räumlichkeiten und Personen durchsucht, die sich dort aufhielten, in der Hoffnung, Hinweise zu den Straftaten gegen die AfD-Mitglieder aus dem November 2022 zu bekommen. Doch die Ermittlungen richteten sich gegen unbekannt, die Betroffenen vor Ort wurden nur als Zeugen geführt.
Innerhalb des OAT ist man über die Art und Weise des Vorgehens der Polizei noch heute aufgebracht. Im Hans-Beimler-Zentrum seien mehrere Initiativen aktiv, die allesamt „Opfer der Razzia waren“, da auch deren Unterlagen und Materialien „rücksichtslos durchsucht worden sind“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion. Die Razzia habe das klare Ziel verfolgt, „antifaschistisches Engagement zu spalten“. Das OAT sei eine offene Gruppe, alle zwei Wochen gebe es ein Plenum, zu dem jeder kommen könne, der Interesse habe. Größtenteils organisierten sich darin junge Menschen, grundsätzlich sei es aber „völlig egal, wie alt oder jung jemand ist“.
Tatsächlich war von der Razzia nach Informationen unserer Redaktion auch eine Frau betroffen, die angibt, im März mit 63 Jahren zum ersten Mal bei einem Treffen in dem Zentrum gewesen zu sein. Auch ihr wurde zunächst das Handy abgenommen. Sie sei von dem Vorgehen der Polizei geschockt gewesen, sagt sie. Es ist eine Aktion, die juristisch noch nicht abschließend bewertet wurde. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, haben Betroffene der Razzia Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingereicht. Eine Entscheidung des Landgerichtes, ob die Aktion rechtmäßig war, steht noch aus.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man sich beim OAT von den Straftaten gegen die AfD-Mitglieder nicht groß distanziert. Unmittelbar nach der Razzia hatte die Gruppe auf ihrer Seite im sozialen Netzwerk Instagram geschrieben, die Polizeirazzia habe „im Zusammenhang mit konsequenter Arbeit gegen die AfD“gestanden.
In einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion heißt es nun, man betreibe „konsequente Arbeit gegen rechts, allen voran die AfD“. Das werde sich jetzt auch im Landtagswahlkampf zeigen, „wenn wir wieder beispielsweise Infostände der AfD blockieren werden“.
Zahlreiche Betroffene haben sich über das Vorgehen der Polizei beschwert