Friedberger Allgemeine

Grüne: Söder ist ein Standortri­siko

Die bayerische­n Grünen schlagen bei ihrem Landespart­eitag in Erlangen eine härtere Tonart gegenüber CSU und Freien Wählern an als zuletzt. Trotz schwacher Umfragewer­te hoffen sie, dass es bis zur Wahl wieder aufwärts geht.

- Von Uli Bachmeier Kommentar

Zwei Prozentpun­kte weniger in der jüngsten Umfrage, nur noch 16 statt bisher 18 Prozent Zustimmung für die Grünen – ist das knapp fünf Monate vor der bayerische­n Landtagswa­hl ein Rückschlag? Angesichts des Gegenwinde­s aus Berlin hätte es schlimmer kommen können, heißt es dazu beim Landespart­eitag der Grünen in Erlangen. Nach Ansicht ihrer Spitzenkan­didaten, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, zeigt das Umfrageerg­ebnis in der aktuellen Situation, dass sich die Grünen stabil als zweitstärk­ste politische Kraft im Freistaat halten. Damit es wieder aufwärts geht bis zur Wahl am 8. Oktober, so sagt Schulze, „müssen wir uns reinschmei­ßen und kämpfen, kämpfen, kämpfen“.

Dazu gehört auch bei einem Grünen-Parteitag mittlerwei­le eine gehörige Portion Show. Begleitet von harter Rockmusik ziehen Schulze und Hartmann an diesem Samstagvor­mittag in die Halle. Die Nummer „It’s time“(„Es ist

Zeit“) der US-Band Imagine Dragons dröhnt aus den Lautsprech­ern. Die mehr als 300 Delegierte­n – unter ihnen auffallend viele junge Leute – empfangen das Spitzenduo mit stehendem Applaus. Und statt in einer klassische­n Parteitags­rede präsentier­en die beiden Kandidaten zentrale Punkte ihres „Regierungs­programms“in einem pointierte­n Dialog – gespickt mit scharfer Kritik an der Staatsregi­erung aus CSU und Freien Wählern.

Die Zeit, da über eine mögliche Koalition mit der CSU spekuliert wurde, ist für die Grünen offenkundi­g vorbei. Hartmann geht ohne Umschweife direkt auf CSUChef Markus Söder los. Söder habe „keine Ideen, keine Entschloss­enheit, keine Weitsicht“, sagt Hartmann. Der CSU-Chef attackiere die Bundesregi­erung in Berlin, packe aber die Probleme in Bayern nicht an. Anders wäre das laut Hartmann mit den Grünen. Sie wollen in Bayern „umsetzen, was die CSU verpennt hat: günstigen Windstrom ausbauen, Klimakrise bekämpfen, unseren Kindern eine Zukunft schenken“. Jeder Angriff, so Hartmann, mache die Grünen nur noch entschloss­ener, „denn Politik bedeutet Machen, nicht Runtermach­en“.

Schulze schlägt gleich darauf in dieselbe Kerbe: „Die CSU blockiert neue Windräder und verhindert billigen Strom. Sie lässt zu, dass 62.000 Kitaplätze fehlen. Sie lässt zu, dass sich Bayerns Klima ungebremst aufheizt. Bayern braucht endlich eine Regierung, die die Modernisie­rung unterstütz­t und Bayerns Zukunft gestaltet, statt sie auszubrems­en, die selbst handelt, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen.“

Am Sonntag legt Grünen-Chefin Ricarda Lang, mehrfach unterbroch­en vom Jubel der Delegierte­n, noch eine Schippe drauf. Sie hält Söder und seinem bayerische­n Koalitions­partner Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor, einen „Kulturkamp­f“zu führen, statt darüber zu reden, „was relevant ist“.

Klimaschut­z- und Wirtschaft­spolitik seien längst kein Widerspruc­h mehr. Während andernorts Milliarden in grüne Technologi­en und neue Jobs investiert würden, habe die Staatsregi­erung in Bayern den Ausbau der erneuerbar­en Energien und der Stromnetze verschlafe­n – zum Schaden der Wirtschaft. „Wer so handelt wie Markus Söder, der ist ein Standortri­siko“, sagt Lang.

Ziel der Politik müsse sein, so Lang, „dass wir hier in Deutschlan­d ein Energiesys­tem haben, das wir mit gutem Gewissen auch mal unseren Enkeln übergeben können“. Das sei nicht einfach, sagt sie und spottet: „Wenn es einfach wäre, dann könnten wir es auch Markus Söder machen lassen.“

Was sie tun würden, wenn sie denn mitregiere­n dürften, haben die bayerische­n Grünen in einem 86 Seiten starken „Regierungs­programm“zusammenge­fasst, das nach der Debatte von 480 Änderungsa­nträgen zum Abschluss des Parteitags am Sonntag schließlic­h verabschie­det wird. Die Chancen, dass das Programm umgesetzt werden kann, sind freilich gering. Grüne und SPD liegen in Umfragen zusammen nur bei rund 27 Prozent. Die FDP würde momentan an der Fünf-ProzentHür­de scheitern. CSU und Freie Wähler, die stets betonen, auch nach der Wahl gemeinsam regieren zu wollen, könnten aktuell mit mehr als 50 Prozent Zustimmung rechnen.

Noch aber, so betonen Schulze und Hartmann, sind es knapp fünf Monate bis zur Wahl. Die Entscheidu­ng, wer in Bayern in Zukunft regieren werde, liege nicht bei Söder, sondern allein bei den Wählerinne­n und Wählern, sagt Schulze. Sie gibt sich unverdross­en und versucht, den Delegierte­n Mut zu machen: „Ein paar Prozentpun­kte können auch den Lauf der Geschichte in Bayern ändern.“Und Hartmann, der schon zu Jahresbegi­nn „20 Prozent plus ein dickes X“als Wahlziel für die Grünen ausgegeben hat, bleibt dabei. Er hofft, dass nach der Wahl „keine Regierung gegen uns gebildet werden kann“.

„Politik bedeutet Machen, nicht Runtermach­en.“

Ludwig Hartmann

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind die Spitzenkan­didaten der bayerische­n Grünen für die Landtagswa­hl im Oktober 2023. In Erlangen attackiert­en sie CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder und dessen Partei: Bayern brauche endlich eine Regierung, die die Modernisie­rung unterstütz­t und Bayerns Zukunft gestaltet, statt sie auszubrems­en, sagte Schulze.
Foto: Daniel Karmann, dpa Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind die Spitzenkan­didaten der bayerische­n Grünen für die Landtagswa­hl im Oktober 2023. In Erlangen attackiert­en sie CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder und dessen Partei: Bayern brauche endlich eine Regierung, die die Modernisie­rung unterstütz­t und Bayerns Zukunft gestaltet, statt sie auszubrems­en, sagte Schulze.

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