Friedberger Allgemeine

Kita-Plätze: Fast 1500 Kinder unterverso­rgt

In der Stadt fehlen weiter Plätze in Kindergärt­en und Krippen. Eine Kita-Leiterin sagt, was das für Eltern bedeutet. Oft gehe es um Existenzen

- Von Andrea Wenzel Kommentar

Sylvia Kurth leitet seit 2020 die Kindertage­sstätte St. Matthäus in Hochzoll, in der rund 100 Buben und Mädchen betreut werden. Vor Kurzem stand die Anmeldung für das neue Kindergart­enjahr an. Eigentlich eine schöne Sache, wäre da nicht das Problem der fehlenden Plätze. Sylvia Kurth musste wieder einmal mehr als 100 Eltern eine Absage erteilen. Sie kann auch in diesem Jahr nicht alle Anfragen bedienen. Für die Kita-Leiterin sind das Momente, die ihr einiges abverlange­n, denn: „In manchen Fällen geht es bei einer Absage um Existenzen von Familien“, erzählt sie.

In Augsburg stehen laut Stadt 16.000 Betreuungs­plätze zur Verfügung, davon knapp 11.000 bei freien und kirchliche­n Trägern, 4000 beim städtische­n Träger, bis zu 800 in der Kindertage­spflege und weitere Plätze in Heilpädago­gischen Tagesstätt­en und schulvorbe­reitenden Einrichtun­gen. In den vergangene­n drei Jahren habe die Stadt 1443 neue Krippen-, Kitaund Hort-Plätze realisiere­n können und 18 neue Einrichtun­gen eröffnet. „Noch nie wurden in so einem kurzen Zeitraum so viele neue Plätze geschaffen“, sagt BildungsBü­rgermeiste­rin Martina Wild. Doch das reicht noch immer nicht aus – vor allem, weil das Personal fehlt. Für Herbst 2023 sind 4700 Anmeldunge­n für einen Betreuungs­platz eingegange­n. Nur 2732 Eltern haben bislang eine feste Zusage erhalten, weitere 500 Kinder, so hofft Martina Wild, könne man noch mit einem Angebot versorgen. Selbst im Idealfall bleiben demnach 1468 Kinder unversorgt.

Eine Tatsache, die Sylvia Kurth, zu schaffen macht. Denn ihr als Kita-Leitung obliegt es, den betroffene­n Familien die schlechte Nachricht zu überbringe­n. „Wenn Sie einer alleinerzi­ehenden Mutter sagen müssen, dass Sie keinen Platz für ihr Kind haben, dann bricht da oft eine Welt zusammen“, schildert Kurth. Die betroffene Mutter müsse schließlic­h ihren Arbeitspla­tz nach der vereinbart­en Elternzeit wieder antreten und sei auf ein Gehalt

angewiesen. Einen ähnlichen Fall hatte sie zuletzt selbst erlebt: Eine Mitarbeite­rin brachte die Kündigung, weil sie für ihr Kind keinen Hortplatz gefunden hat. „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese Kündigung zu verhindern. Zum einen für die Mutter, aber auch, um keine Fachkraft zu verlieren, die wir dringend brauchen.“Mit Erfolg, aber einen solchen Einsatz könne sie nicht für die mehr als 100 Familien leisten, denen sie eine Absage erteilen muss, so Kurth. So gern sie das wollte.

Für sie selbst seien die Wochen der Entscheidu­ng keine einfachen, erzählt die erfahrene Pädagogin. „Ich sehe die Verzweiflu­ng vieler Eltern, die in meinem Büro sitzen und mir erklären, dass sie nicht wissen, wie sie ihre Kinder ab Herbst versorgen sollen.“Sie habe gelernt, profession­ell Abstand zu nehmen, sonst würde sie die Lage zu sehr belasten. In diesem Jahr kann Sylvia Kurth 39 Kinder neu in den Kindergart­en aufnehmen und neun in die Krippe – bei über 250 Anmeldunge­n. „Ich bekomme jetzt schon Anrufe, wo nach einem Platz für 2024 gefragt wird.“

Die Stadt macht einen Mangel an Plätzen vor allem in den Stadtteile­n Lechhausen, Oberhausen, Haunstette­n, Kriegshabe­r und Bärenkelle­r, sowie Göggingen, Inningen, Bergheim aus. Vor allem dort soll das Angebot daher schnellstm­öglich ausgebaut werden. So sind unter anderem neue Einrichtun­gen

in der Kurt-Schumacher­Straße, ein Ersatzbau in der Lützowstra­ße (beides Lechhausen) im Wohnpark an der Brahmsstra­ße, sowie in der Fritz-Hintermayr­Straße (Antonsvier­tel) geplant. In den nächsten Jahren sollen so weitere 96 Krippen-, 275 Kindergart­enund 25 Hortplätze entstehen. Baubeginn ist in Kürze. Weitere vier Einrichtun­gen sind laut Stadt in Planung.

Mit neuen Räumen allein ist es allerdings nicht getan. Denn aktuell mangelt es laut Stadt nicht an Platz, um Kinder zu betreuen, sondern es fehle an Personal, das diese Aufgabe übernimmt. Freie Plätze können so nicht belegt werden. Die Stadt hat daher ein Maßnahmenp­aket geschnürt, um Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zu gewinnen. Unter anderem werden seit 2020 auch pädagogisc­he Assistenzk­räfte ausgebilde­t und neuerdings Fachkräfte aus dem Ausland (Spanien) rekrutiert.

Für viele Eltern sei das zwar nachvollzi­ehbar, aber in ihrer Situation nur ein schwacher Trost. Ihr Recht auf einen Platz in Krippe oder Kindergart­en klagen allerdings nur wenige ein. Laut Stadt sind es im Jahr eine Handvoll solcher Beschwerde­n. Dabei gehe es meist nicht darum, Schadeners­atz für entgangene­s Gehalt oder die Kosten einer privat organisier­ten Betreuung zu erhalten, sondern doch noch einen Platz zu finden. Selbstvers­tändlich, so die Stadt, gebe man stets alles, um diesen Wünschen doch noch gerecht zu werden.

Es fehle nicht am Platz, sondern an Personal

 ?? Foto: Hochgemuth ?? Sylvia Kurth ist Leiterin der Evangelisc­hen Kindertage­sstätte St. Matthäus in Hochzoll. Mehr als 100 Eltern, die um einen Platz anfragten, musste sie dieses Jahr eine Absage erteilen.
Foto: Hochgemuth Sylvia Kurth ist Leiterin der Evangelisc­hen Kindertage­sstätte St. Matthäus in Hochzoll. Mehr als 100 Eltern, die um einen Platz anfragten, musste sie dieses Jahr eine Absage erteilen.

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