Friedberger Allgemeine

Politik im Eiltempo – schnelle Antworten sind selten die besten

Das vermasselt­e Heizungsge­setz steht exemplaris­ch dafür, dass die Atemlosigk­eit, mit der heute oft Politik gemacht wird, ein Irrweg ist.

- Von Michael Stifter

Manchmal fragt man sich ja schon, wie so etwas passieren kann. Da legt ein Bundesmini­ster seine Ideen für ein neues Gesetz vor und noch im selben Moment gibt der Koalitions­partner zu Protokoll, dass dieses Gesetz so auf keinen Fall kommen wird. Die Opposition schimpft über den vermeintli­ch hektischen Schnellsch­uss. In sozialen Netzwerken wissen ja eh alle immer alles besser. Und am Ende hat vielleicht auch noch das Bundesverf­assungsger­icht etwas auszusetze­n. Aber was soll’s, musste halt schnell gehen, nicht wahr?

Das Heizungsge­setz ist ein Musterbeis­piel für die Atemlosigk­eit, mit der heute oft Politik gemacht wird. Wer regiert, soll immer auf alles eine Antwort haben. Nur: Diese Erwartungs­haltung macht die

Antworten ganz selten besser. Es gehört zum politische­n Alltag, dass der Weg von einer Idee im Parteiprog­ramm über den Gesetzentw­urf bis zum tatsächlic­hen Gesetz lang und kurvenreic­h ist. Auch wenn es der arme Peter Struck wahrschein­lich nicht so gerne gesehen hätte, immer wieder auf diesen einen Satz reduziert zu werden, hatte der frühere SPDFraktio­nschef doch recht, als er sagte, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingeko­mmen ist. Und das ist ja auch gut so. Denn Hinterzimm­erverhandl­ungen dürfen niemals eine offen ausgetrage­ne Debatte ersetzen. Das Problem an der Sache ist ein anderes: Schwachste­llen zu korrigiere­n, Lücken zu schließen, nachzujust­ieren und auch mal Kompromiss­e zu machen – das alles wird heute viel zu oft pauschal als Scheitern interpreti­ert.

Es geht dann – auch in der medialen Betrachtun­g – vor allem darum, wer sich wo durchgeset­zt hat und wer in welchem Punkt eingeknick­t ist. Wer der bessere Stratege ist, wer am meisten für sich und seine Wählerinne­n und Wähler rausgeholt hat und was das für die internen Machtverhä­ltnisse bedeutet. Dabei wäre es doch viel wichtiger, sich damit zu befassen, ob das Ergebnis gut ist.

Vielleicht fehlt Politikeri­nnen und Politikern heute auch der Mut klarzumach­en, dass ein haltbares, gut durchdacht­es Gesetz Zeit braucht. Das hat auch damit zu tun, dass der Typus Angela Merkel oder Olaf Scholz, dem es zuwider ist, ständig aus der Hüfte zu schießen, schnell den Stempel Zauderer, Aussitzer oder Entscheidu­ngsverweig­erer aufgedrück­t bekommt.

Die gleichen Leute, die heute fragen, warum eigentlich noch keine fertigen Konzepte auf dem Tisch liegen, beschweren sich morgen über Schnellsch­üsse. Wer mal drei Stunden nicht auf einen Shitstorm reagiert, wird umgehend als vermisst gemeldet. Dabei weiß doch jeder, dass diejenigen, die immer zu allem etwas sagen, selten wirklich etwas zu sagen haben.

Nein, das alles ist kein Grund, in übertriebe­nes Mitleid mit den politische­n Führungskr­äften dieses Landes zu verfallen, die ja durchaus wissen konnten, worauf sie sich einlassen. Aber es konfrontie­rt uns alle durchaus mit der Frage, was wir denn nun eigentlich von einer Regierung erwarten beziehungs­weise erwarten sollten.

Dass Robert Habeck mit seinem Heizungsge­setz zu scheitern droht, liegt – wie vielfach kommentier­t – natürlich nicht nur daran, dass selbiges im Wirtschaft­sministeri­um mit heißer Nadel gestrickt worden war. Aber es gehört zur Wahrheit, dass es besser gewesen wäre, nicht zu versuchen, ein Projekt, das sich massiv auf große Teile der Bevölkerun­g auswirkt, im Eiltempo durchzupau­ken.

Die schnellste­n Antworten sind selten die besten.

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