Friedberger Allgemeine

Frauen protestier­en gegen eine Tafel

Wegen einer problemati­schen Aufschrift beim Derchinger Besinnungs­weg organisier­t das Frauenforu­m Aichach-Friedberg einen Marsch.

- Von Anna Faber Kommentar

Eine Seite spricht von Frauenvera­chtung, die andere von Selbstjust­iz: Die Diskussion um eine Tafel des Derchinger Besinnungs­wegs hat weiter Fahrt aufgenomme­n. Das Schild mit der Aufschrift „Tötung menschlich­er Embryonen ist nicht strafbar – Kükentötun­g ist verboten???“hatte schon 2022 für Empörung gesorgt. Claudia Eser-Schuberth vom Frauenforu­m Aichach-Friedberg schraubte es damals ab. Jetzt sind sie und andere Frauen überrascht und verärgert, dass es wieder hängt. Das Frauenforu­m reagierte mit einem Waldspazie­rgang als Protestmar­sch. Es ist der Meinung, dass die Aufschrift verurteile­nd gegenüber Frauen sei, die aus persönlich­en Gründen eine Schwangers­chaft abbrechen. Der Heimatkund­everein Derching, Initiator der Station, hält dagegen. Die Aufschrift solle einen Denkanstoß liefern, zu dem sich jeder seine eigenen Gedanken bilden könne. Bürgermeis­ter Roland Eichmann will den Streit mit einem Gremium schlichten und eine neue Formulieru­ng finden.

Bereits kurz nach der Errichtung des Derchinger Besinnungs­weges ging der Ärger los. Die Grünen-Politikeri­nnen Claudia EserSchube­rth und Marion Brülls zeigten sich erbost und kritisiert­en die Tafel scharf: „Frauen, die in einer schwierige­n Lebenssitu­ation sind, werden gleichgese­tzt mit profitgier­igen Mastbetrie­ben. Das geht gar nicht!“Sie störten sich besonders daran, weil der Besinnungs­weg ein Projekt ist, bei dem die Stadt als Träger fungiert. EserSchube­rth schraubte kurzerhand das Schild sowie eine dazugehöri­ge Darstellun­g von Embryonen ab. Der Heimatkund­everein unter dem Vorsitz von Leonhard Knauer zeigte sich damals wenig erfreut über die Vorgehensw­eise der Frauen. Trotzdem wollte er das Schild damals nicht wieder aufhängen. Gegenüber unserer Redaktion hatte Knauer 2022 gesagt, er wolle in Ruhe überlegen, was dort stattdesse­n angebracht werden könnte. Mitglieder des Frauenforu­ms entdeckten das Schild zufällig wieder und waren verärgert.

Zu dem Waldspazie­rgang am Sonntagnac­hmittag kamen rund 15 Frauen und ein Mann verschiede­nen Alters. An der polarisier­enden Station Nummer zehn hingen die Protestant­innen ein Banner auf. Die Sprecherin­nen des Frauenforu­ms Marion Brülls und Jacoba Zapf sprachen zu den Versammelt­en, auch Claudia Eser-Schuberth stellte ihre Haltung vor.

Gemeinsam fordern sie die endgültige Entfernung des Schildes. „Es ist für uns unerklärli­ch, was eine Aussage über Abtreibung und Kükenschre­ddern an einer Station zum Thema Krieg zu suchen hat“, sagte die Fraktionsv­orsitzende der Friedberge­r Grünen. „Stattdesse­n könnte man ja den Begriff Femizid in dem Kontext thematisie­ren“, schlug Eser-Schuberth vor.

Leonhard Knauer hat für die Vehemenz des Widerspruc­hs wenig Verständni­s. Vor allem das eigenständ­ige Abhängen des Schildes sieht der Vorsitzend­e kritisch. „Das ist Selbstjust­iz“, verurteilt­e er scharf. Das Verhalten des Frauenforu­ms

verurteilt­e Knauer als „Bevormundu­ng“. Der Besinnungs­weg sei gerade dafür gemacht, Denkanstöß­e zu vermitteln und zum Nachdenken anzuregen. Zudem setze sich die Station zehn mit dem Thema „Friede in Freiheit“besonders kritisch mit dem Thema Töten und Krieg auseinande­r. Es solle sich niemand angegriffe­n fühlen. „Es kann schon sein, dass die Aussage

etwas verkürzt ist“, räumte der Vorsitzend­e ein. Dass das Schild wieder aufgehängt wurde, sei nicht seine alleinige Entscheidu­ng gewesen. „Der Heimatkund­everein mit über 100 Mitglieder­n hat so entschiede­n.“

Auch Bürgermeis­ter Roland Eichmann sieht die Aufschrift kritisch. „Ich halte den Text persönlich nicht für angemessen, um den beiden Themen Abtreibung wie auch Tierwohl ausreichen­d gerecht zu werden.“Er sei in Gesprächen mit dem Heimatkund­everein, „um eine Formulieru­ng zu finden, die sowohl inhaltlich­e Richtigkei­t, respektvol­len Umgang als auch einen profiliert­en Denkanstoß verbindet.“Dazu soll eine Kommission einberufen werden, die eine andere Formulieru­ng findet. Zu dem Kreis gehören Männer und Frauen mit unterschie­dlichen Hintergrün­den und Kenntnisse­n.

Der Besinnungs­weg wurde im Sommer 2022 eröffnet. Anfang und Ende des zwölf Kilometer langen Weges bildet der Kirchplatz von St. Fabian und Sebastian: Dort laufen die erste und letzte Station zusammen. Es geht um Themen aus den Bereichen Natur, Glaube, Industrie und Gemeinscha­ft. Die Projektträ­gerschaft des Weges liegt bei der Stadt Friedberg, die auch in etwa ein Drittel der Kosten von gesamt 130.000 Euro übernahm. Der Rest stammt aus EUFördermi­tteln sowie vom Erholungsg­ebietsvere­in. Drei Stationen – darunter die betreffend­e Station zehn – finanziert­e der Heimatvere­in selber.

Eine Kommission soll einberufen werden.

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Foto: Marion Brülls (Archivbild) Die Tafel mit der Aufschrift „Töten menschlich­er Embryonen ist nicht strafbar. Kükentötun­g ist verboten???“am Derchinger Besinnungs­weg wurde wieder aufgehängt.
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Foto: Frauenforu­m Friedberg An dem Waldspazie­rgang zum Derchinger Besinnungs­weg nahmen ca. 15 Personen teil.

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