Friedberger Allgemeine

Wollny: „Heute wird jede Äußerung auf eine politische Ebene gehoben“

Zum 20. Jahrestag von Facebook blickt Michael Wollny zurück. Der Inhaber der Friedberge­r Edeka-Filiale erreicht dort teilweise Zehntausen­de Menschen. Doch der Austausch wird immer schwierige­r.

- Seite 36 Interview: Anna Faber

2015 haben Sie einen FacebookBe­itrag zur Flüchtling­sdebatte veröffentl­icht, der über 24.000 Likes erzielte. Haben Sie damals geahnt, dass der Beitrag durch die Decke gehen würde?

Michael Wollny: Nein, das war auch überhaupt nicht das Ziel. Der Auslöser war ja, dass mich jemand fragte: „Stimmt es eigentlich, dass die Flüchtling­e bei euch klauen dürfen, und das Landratsam­t zahlt euch den Schaden?“Das hat mich maßlos geärgert, weil es uns als Laden so dargestell­t hat, als würden wir Leute bevorzugen und als würden wir bei irgendeine­m Komplott mitwirken. Mir war wichtig, meinen Kunden gegenüber richtigzus­tellen: „Hallo Leute, diese Flüchtling­e sind genau die gleichen Leute wie ihr, und wenn da einer klaut, dann wird der genauso zur Rechenscha­ft gezogen.“Dass das so viral geht, habe ich natürlich nicht erwartet. Ich habe ein Anliegen gehabt, und das musste raus. Ob das jetzt einer liest oder 1000 – diese Aufmerksam­keit war mir nie und ist mir auch nicht wichtig.

In unregelmäß­igen Abständen laden Sie Statements und Informatio­nen hoch. Was treibt Sie dazu an, auf Facebook so aktiv zu sein?

Wollny: Ich glaube, das ist mein ganz persönlich­es Empfinden von Gerechtigk­eit. Wenn ich etwas mitbekomme, das ich für ungerecht empfinde, dann habe ich den Drang, das geradezurü­cken. Da können dann andere eine andere Meinung haben, aber für mich ist der Antrieb, Ungerechti­gkeiten aus der Welt zu schaffen oder denen zumindest etwas entgegenzu­setzen. Oder wenn Ungleichge­wichte entstehen, diese auszugleic­hen. Ich versuche eigentlich, die Stimme der Mitte zu sein. Aber gerade in der heutigen Zeit ist das sehr schwierig, weil man sehr leicht ganz woanders verortet wird, wenn Leute das lesen, die

sich selber auch in der Mitte einordnen.

Was war Ihr Highlight auf Facebook?

Wollny: Mein Highlight war das Posting zum Impfchip nach Weihnachte­n

2021. Als das mit den Impfungen anfing, kamen ja die verrücktes­ten Gerüchte auf. Ich habe dann ein Posting abgesetzt, dass der Impfchip bei uns an der Kasse zu Fehlermeld­ungen führen und einen Diebstahla­larm auslösen

kann. Der Beitrag wurde fast so oft geteilt wie der von 2015. Für mich ist das ein Highlight, weil diese harten Fronten beim Thema Impfung etwas aufgelocke­rt wurden und weil es bei vielen für ein Schmunzeln gesorgt hat.

Sie posten auch vom Account Edeka Wollny. Was sagt Edeka zu Ihren Postings?

Wollny: Die Edeka-Zentrale nimmt schon wahr, was ich poste. Es kommt auch zu Rückmeldun­gen, wenn besonders negatives Feedback kommt und sich Kunden per Mail bei der Zentrale beschweren. Dann bekomme ich Feedback, aber keine Handlungsa­nweisungen. Wir Händler sind da ziemlich frei, solange sich das auf einem halbwegs vernünftig­en Level bewegt.

Werden Sie in Zukunft weiterhin auf Facebook aktiv sein?

Wollny: Ich merke, dass es zunehmend schwierige­r wird, seine persönlich­e Meinung zu äußern. Darum denke ich in letzter Zeit mehr darüber nach, ob ich zu bestimmten Dingen etwas poste oder nicht. Unsere Gesellscha­ft wird politische­r. Diskussion­en werden sehr oft politisier­t, und politische Dinge wollte ich ursprüngli­ch mal aus meinen Postings heraushalt­en. Es wird immer schwierige­r, das zu trennen, weil heute jede Äußerung auf eine politische Ebene gehoben wird. Mir geht es vielmehr um persönlich­e Meinungen. Und wenn es auf dem Firmenprof­il stattfinde­t, geht es um die Informatio­n oder darum, eine Ungerechti­gkeit oder ein Ungleichge­wicht in den Meinungen auszugleic­hen.

Oft ist es ja die nachfolgen­de Diskussion, die politisch aufgeladen ist. Denken Sie vorher darüber nach, dass es politisch werden könnte?

Wollny: Das Problem ist, ich bin so naiv, dass ich die Reaktionen nicht vorhersehe. Ich denke da gar nicht drüber nach, wenn ich etwas schreibe. Ich versuche, es eigentlich so zu formuliere­n, dass es keine Grundlage mehr für Diskussion­en gibt. Zumindest aus meiner Sicht (lacht).

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Foto: Alexander Andres Filialinha­ber Michael Wollny ist auf Facebook sehr aktiv. Sein Edeka-Profil hat über 5000 Follower.

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