Wollny: „Heute wird jede Äußerung auf eine politische Ebene gehoben“
Zum 20. Jahrestag von Facebook blickt Michael Wollny zurück. Der Inhaber der Friedberger Edeka-Filiale erreicht dort teilweise Zehntausende Menschen. Doch der Austausch wird immer schwieriger.
2015 haben Sie einen FacebookBeitrag zur Flüchtlingsdebatte veröffentlicht, der über 24.000 Likes erzielte. Haben Sie damals geahnt, dass der Beitrag durch die Decke gehen würde?
Michael Wollny: Nein, das war auch überhaupt nicht das Ziel. Der Auslöser war ja, dass mich jemand fragte: „Stimmt es eigentlich, dass die Flüchtlinge bei euch klauen dürfen, und das Landratsamt zahlt euch den Schaden?“Das hat mich maßlos geärgert, weil es uns als Laden so dargestellt hat, als würden wir Leute bevorzugen und als würden wir bei irgendeinem Komplott mitwirken. Mir war wichtig, meinen Kunden gegenüber richtigzustellen: „Hallo Leute, diese Flüchtlinge sind genau die gleichen Leute wie ihr, und wenn da einer klaut, dann wird der genauso zur Rechenschaft gezogen.“Dass das so viral geht, habe ich natürlich nicht erwartet. Ich habe ein Anliegen gehabt, und das musste raus. Ob das jetzt einer liest oder 1000 – diese Aufmerksamkeit war mir nie und ist mir auch nicht wichtig.
In unregelmäßigen Abständen laden Sie Statements und Informationen hoch. Was treibt Sie dazu an, auf Facebook so aktiv zu sein?
Wollny: Ich glaube, das ist mein ganz persönliches Empfinden von Gerechtigkeit. Wenn ich etwas mitbekomme, das ich für ungerecht empfinde, dann habe ich den Drang, das geradezurücken. Da können dann andere eine andere Meinung haben, aber für mich ist der Antrieb, Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen oder denen zumindest etwas entgegenzusetzen. Oder wenn Ungleichgewichte entstehen, diese auszugleichen. Ich versuche eigentlich, die Stimme der Mitte zu sein. Aber gerade in der heutigen Zeit ist das sehr schwierig, weil man sehr leicht ganz woanders verortet wird, wenn Leute das lesen, die
sich selber auch in der Mitte einordnen.
Was war Ihr Highlight auf Facebook?
Wollny: Mein Highlight war das Posting zum Impfchip nach Weihnachten
2021. Als das mit den Impfungen anfing, kamen ja die verrücktesten Gerüchte auf. Ich habe dann ein Posting abgesetzt, dass der Impfchip bei uns an der Kasse zu Fehlermeldungen führen und einen Diebstahlalarm auslösen
kann. Der Beitrag wurde fast so oft geteilt wie der von 2015. Für mich ist das ein Highlight, weil diese harten Fronten beim Thema Impfung etwas aufgelockert wurden und weil es bei vielen für ein Schmunzeln gesorgt hat.
Sie posten auch vom Account Edeka Wollny. Was sagt Edeka zu Ihren Postings?
Wollny: Die Edeka-Zentrale nimmt schon wahr, was ich poste. Es kommt auch zu Rückmeldungen, wenn besonders negatives Feedback kommt und sich Kunden per Mail bei der Zentrale beschweren. Dann bekomme ich Feedback, aber keine Handlungsanweisungen. Wir Händler sind da ziemlich frei, solange sich das auf einem halbwegs vernünftigen Level bewegt.
Werden Sie in Zukunft weiterhin auf Facebook aktiv sein?
Wollny: Ich merke, dass es zunehmend schwieriger wird, seine persönliche Meinung zu äußern. Darum denke ich in letzter Zeit mehr darüber nach, ob ich zu bestimmten Dingen etwas poste oder nicht. Unsere Gesellschaft wird politischer. Diskussionen werden sehr oft politisiert, und politische Dinge wollte ich ursprünglich mal aus meinen Postings heraushalten. Es wird immer schwieriger, das zu trennen, weil heute jede Äußerung auf eine politische Ebene gehoben wird. Mir geht es vielmehr um persönliche Meinungen. Und wenn es auf dem Firmenprofil stattfindet, geht es um die Information oder darum, eine Ungerechtigkeit oder ein Ungleichgewicht in den Meinungen auszugleichen.
Oft ist es ja die nachfolgende Diskussion, die politisch aufgeladen ist. Denken Sie vorher darüber nach, dass es politisch werden könnte?
Wollny: Das Problem ist, ich bin so naiv, dass ich die Reaktionen nicht vorhersehe. Ich denke da gar nicht drüber nach, wenn ich etwas schreibe. Ich versuche, es eigentlich so zu formulieren, dass es keine Grundlage mehr für Diskussionen gibt. Zumindest aus meiner Sicht (lacht).