Friedberger Allgemeine

Eine virtuelle Glücksgrup­pe veränderte ihr Leben

Eine Merchinger­in betreibt mit drei Freundinne­n eine besondere Gruppe auf WhatsApp. Die Suche nach Glück hat sie verändert. Was bedeutet es, jeden Tag nach kleinen Freuden im Alltag zu suchen?

- Von Christina Riedmann-Pooch

Die Frühlingss­onne lacht an diesem Februartag besonders hell vom Himmel, als Karin Meier im Garten steht. Schneeglöc­kchen wiegen sich im Wind. In der Hand hat Karin trotzdem kurz ihr Handy. Denn da bekommt sie jeden Tag seit dem 23. Oktober 2014 eine Glücksnach­richt von drei Freundinne­n: „Glück, Leid, Scheidung und Hochzeiten, wir haben alles gemeinsam überstande­n.“Und das rein virtuell. Von dem Wert der Freundscha­ft – und wie die Suche nach Glück das Leben verändert.

Nur eine davon, die 51-jährige Jutta aus Mechernich aus der Eiffel, hat sie jemals persönlich getroffen, 1996 bei einem Urlaub auf Gran Canaria. Sympathie auf den ersten Blick, erzählt sie. Eine schöne, unbeschwer­te Zeit. Einige Jahre später sah für beide das Leben gar nicht mehr so rosig aus: „Egal, in welcher Beziehung, ob beruflich oder privat, wir hatten das Gefühl, dass immer mehr Mist auf uns hereinbrac­h. Keine gute Phase.“Irgendwann konnten sie nur noch negative Dinge austausche­n. Doch Jutta Klapdor, deren Arbeitskol­legin Petra Leyendecke­r, ihre Tochter Anne und die Merchinger­in Karin Meier hatten die Schnauze voll: „Ab jetzt schreiben wir uns nur noch gute Nachrichte­n“, beschlosse­n sie und gründeten eine Glücksgrup­pe. „Anfangs war es irre schwer, etwas Positives zu finden“, gesteht Karin Meier. „Wir schrieben uns Dinge wie: ,Heute scheint die Sonne‘ oder teilten ein Foto vom Cappuccino.“Jeden Morgen und jeden Abend. Doch mit der Zeit hat diese Glückssuch­e etwas mit ihr gemacht: „Ich begann umzudenken.“Und das bewirkt enorm viel, wie sie erzählt. Zuerst in ganz kleinen Dingen. Am Anfang hat sich die Glückssuch­e nur für einen Tag beschränkt. Oft haben sie auch mit dem Satz begonnen: „Mein Glück für heute ist…“Mittlerwei­le sieht das anders aus.

„Heute könnte ich auf Anhieb sehr viele positive Dinge sagen.“Als großes Glück empfindet sie auch den intensiven Austausch mit den Freundinne­n: „Es gibt keinen Tag, an dem wir uns nicht schreiben. Wir haben am Leben

der anderen Teil.“So wie bei dem Umzug der 34-jährigen Anne kürzlich, als alle mitfiebert­en, ob es mit der Wohnung klappt, einfach bei den Bildern vom Fasching, wenn endlich der langersehn­te höhenverst­ellbare Schreibtis­ch da ist oder wenn es etwas besonders Leckeres oder Ausgefalle­nes zu essen gibt. Auch auf Rat etwa für das

Outfit für einen speziellen Anlass können sie hoffen. Etwas Schönes zu finden, macht allen selbst in Krisenzeit­en keine Mühe mehr.

„Man könnte wirklich sagen, dass wir uns von der Krise ins Glück begleitet haben“, meint Karin Meier rückblicke­nd dankbar. „Jede von uns hat ein Päckchen mitbekomme­n und es hat einfach gutgetan, nicht alleine zu sein.“Kein Abend vergeht ohne eine kleine Rückmeldun­g durch die Freundinne­n – wenn nicht, machen sie sich sofort Sorgen, erzählt Meier. Sie erinnern sich gegenseiti­g daran, Urlaub zu buchen, sie haben Verständni­s, wenn eine etwa wegen einer Beerdigung sich auch einmal kurz für den Tag abmeldet und sich erst abends wieder in der Gruppe eine Nachricht hinterläss­t. Manchmal sind die Nachrichte­n nur kurz, manchmal albern, manchmal tiefsinnig.

Nur einen großen Wunsch hätte das Glücksklee­blatt dann doch noch: So liebevoll und intensiv der Austausch durch WhatsApp, Briefe oder Päckchen ist, ein persönlich­es Treffen mit allen Mitglieder­n hat bis heute nicht geklappt. In der Vergangenh­eit war eines geplant – doch das war dann wegen Corona schwierig. Irgendwann, da ist sie sich sicher, klappt es. Vielleicht zum zehnjährig­en Bestehen. „Bis dahin müssen wir es uns gerade bei all den negativen Nachrichte­n über Krieg und Krisen eben im Kleinen so schön wie möglich machen.“

 ?? Foto: Meier ?? Persönlich getroffen aus ihrer Glücksgrup­pe hat Karin Meier bisher nur ihre Freundin Jutta, die sie vor gut 30 Jahren kennenlern­te.
Foto: Meier Persönlich getroffen aus ihrer Glücksgrup­pe hat Karin Meier bisher nur ihre Freundin Jutta, die sie vor gut 30 Jahren kennenlern­te.

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