„Wir befinden uns in einer Umdenkphase“
„Tatort“-Schauspielerin Ulrike Folkerts liest am Sonntag, 25. Februar, im Wittelsbacher Schloss aus ihrer Biografie. Es geht um sexuelle Belästigung und positive Entwicklungen in der Branche.
Sie beschreiben im Buch, wie Sie am Filmset Ihrer ersten „Tatort“-Folge sexualisierte Gewalt erfahren. Warum war es Ihnen wichtig, Ihre Erfahrungen öffentlich zu machen?
Ulrike Folkerts: Die Zeit ist reif dafür, alles auf den Tisch zu packen.
Durch „#MeToo“haben sich unzählige Schauspielerinnen ermutigt gefühlt, von sexuellen Übergriffen zu berichten. Wie haben Sie die Bewegung wahrgenommen?
Folkerts: Die MeToo-Debatte hat eine Welle losgetreten, weltweit, in der gesamten Filmbranche und darüber hinaus. Es war höchste Zeit, auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe, all das war tabu. Es wurde nicht darüber geredet, hatten doch Betroffene Angst, ihre Jobs zu verlieren und ausgegrenzt zu werden. Diese Angst war und ist berechtigt. Ich bin sehr froh, dass es Frauen und auch Männer gab und gibt, die mutig und offen über ihre Erfahrungen reden und ihre Peiniger anzeigen. Sie sind Vorbilder für alle! Es muss sich in diesem Gefüge dringend etwas ändern, Denkweisen zwischen den Geschlechtern und Machtstrukturen müssen aufgebrochen werden. Da gibt es noch viel zu tun, aber wir sind mittendrin, dank MeToo.
Sie wurden 1999 von der Bild unfreiwillig als homosexuell geoutet. Hatte das Auswirkungen darauf, wie man Sie am Set behandelt hat? Wie haben Ihre Fans reagiert?
Folkerts: Es hatte keine sichtbaren Auswirkungen. Meine Fans waren begeistert über meine Offenheit
und meine Stärke, zu meiner Homosexualität zu stehen und darüber zu reden. Ich bekam viel Fanpost und Zuspruch. Auch der SWR, mein „Tatort“-Sender, stand sofort hinter mir.
Wie erleben Sie die Arbeit am Set heute? Was muss sich noch tun, um einen respektvollen Arbeitsplatz für alle zu schaffen?
Folkerts: Wir befinden uns mitten in einer Umdenkphase. Das Thema Diversität spielt mittlerweile überall mit hinein. Die Filmbranche ist bemüht, ein wahres Abbild unserer Gesellschaft wiederzugeben. Das heißt, die Besetzung wird bunter, vielfältiger, diverser, und es werden unterschiedliche Lebensweisen gezeigt. Hoffentlich weg von Klischees und Rollenbildern.
In welcher Hinsicht unterscheiden Sie sich von der Tatortkomissarin Lena Odenthal?
Folkerts: Lena Odenthal ist komplett mit ihrem Beruf verknüpft, sie hat kein Privatleben, sie lebt allein, sie ist gut in dem, was sie macht, sie liebt ihren Job und lebt für ihn. Das ist bei Ulrike grundsätzlich nicht anders. Ich liebe die Schauspielerei, Lena Odenthal insbesondere, aber ich bin eher der gesellige Typ. Ich lebe in einer Beziehung, brauche Freunde und Freundinnen, Freizeit und Natur und wäre niemals zur Polizei gegangen. Ich habe viel Respekt vor dieser Arbeit.
Wie hat die „Tatort“-Rolle Ihre schauspielerische Entwicklung beeinflusst?
Folkerts: „Tatort“-Kommissarin zu sein, und das über so viele Jahre, prägt natürlich mein Image. In der TV-Landschaft bin ich quasi für jeden anderen Krimi als Besetzungsidee gesperrt. Trotzdem hatte ich immer wieder Gelegenheit, andere Rollen zu spielen, sei es im Theater oder auch im TV. „Tatort“ist schon noch so etwas wie die Königsklasse des deutschen Fernsehens, da bin ich doch gerne Teil davon.
Welche Rolle würden Sie noch gerne spielen?
Folkerts: Ich bin offen für alles. Gerne historisch, gerne einmal Komödie, gerne eine Gangsterbraut, das wäre eine durchaus interessante Rolle.
Sie schreiben, dass es Ihnen wichtig ist, sich immer wieder aus der Komfortzone
zu bewegen. Wie machen Sie das?
Folkerts: Das fängt mit Sport an, raus in den Wald zu gehen, um zu joggen, egal, wo ich bin, und geht weiter damit, mehr an mir zu arbeiten. Zum Beispiel hatte ich früher große Angst vor einer Lesung, heute liebe ich es, zwei Stunden allein auf der Bühne zu sein und vorzulesen. Wichtig finde ich auch, sich immer wieder mit Menschen auszutauschen, nie zu denken, jetzt weiß ich alles.
Sie schreiben, Sie passten nicht in das Rollenmuster der 60er-Jahre. Waren Sie Ihrer Zeit voraus?
Folkerts: Sicher nicht bewusst. Aber ich hatte oft das Gefühl, Jungen haben es leichter als Mädchen, und das wollte ich verstehen.
Der Öffentlichkeit sind Sie als starke, selbstbewusste Frau bekannt. Was ist Ihre Schwäche?
Folkerts: Meine Schwäche ist Ungeduld mit mir selbst. Wenn etwas nicht gelingt, wie ich es mir vorgestellt habe, kann ich richtig sauer werden. Heute habe ich das besser im Griff.