Grünes Reisen? Sehr oft nur ein Etikettenschwindel
Die Menschen sind so viel unterwegs wie lange nicht, der Umweltschutz bleibt auf der Strecke. Aber auch wer mit gutem Gewissen in Urlaub fahren will, hat es alles andere als leicht.
New York, Rio oder vielleicht Tokio? Es wird gereist wie lange nicht mehr. Auf der Internationalen Tourismusbörse, die an diesem Dienstag in Berlin startet, schaut man optimistisch auf die Saison. Das Selbstbewusstsein ist bei vielen Urlauberinnen und Urlaubern nach der Verunsicherung in den Corona-Jahren zurück. Damit aber auch die alten Probleme. Wer mit dem Flugzeug reist oder auf einem Kreuzfahrtschiff urlaubt, tut der Erde nach wie vor nichts Gutes. Laut Umfragen wächst der Wunsch zwar, nachhaltiger zu reisen, gehandelt wird aber oft anders – wenn das Schnäppchen gar zu verlockend ist.
Klimaneutrales Reisen soll die Lösung der Zukunft sein. Auch wenn die Reisebranche davon noch flugmeilenweit entfernt ist, einen
Namen dafür gibt es schon: Green Traveling, grünes Reisen also. Denn ein gewisser grüner Anstrich ist schon jetzt gut gegen das schlechte Gewissen von Reisenden. Es gibt viele hübsche Initiativen, die mit dem Kernproblem, der dringend notwendigen Senkung von Energieverbrauch und Emissionen wenig oder gar nichts zu tun haben. Da gibt es etwa die Reederei, die auf ihrer Homepage Seife mit gesammeltem Kaffeesatz von Schiffsreisen anbietet, als Beitrag zur Müllreduzierung an Bord. Dass bei einer einwöchigen Kreuzfahrt im Schnitt mindestens 827 Kilogramm Kohlendioxid pro Kopf freigesetzt werden, wie Wissenschaftler der Hochschule München errechnet haben, steht freilich nicht neben den Angeboten. Dies entspricht in etwa dem jährlichen Stromverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts.
Tatsächlich, das muss man anerkennen, ist das Bemühen in der Reisebranche deutlich gestiegen, Energieverbrauch und Emissionen zu senken. Sie ist damit aber auch reichlich spät dran. Viele Initiativen, wie die Kaffeesatzseife, sind nicht mehr als adrett positionierte Feigenblätter. Denn die Lösung für einen branchenweiten Einsatz sogenannter E-Fuels ist noch nicht gefunden. Stattdessen gibt es wortreiche Ankündigungen, denen letztendlich die technologische Substanz fehlt. Auch deshalb hat die Deutsche Umwelthilfe kürzlich
Klage gegen die Tui eingereicht. Europas größter Reiseveranstalter wirbt damit, bis 2050 klimaneutrale Kreuzfahrten anbieten zu können. Für die Deutsche Umwelthilfe ein klarer Fall von Greenwashing. Die Tui wolle mit unklaren Nachhaltigkeitszielen für ferne Jahre schon jetzt Kunden gewinnen. Allerdings ist bislang überhaupt nicht klar – außer vielleicht für Kaffeesatz-Experten –, wie nicht nur für die Reisebranche der steigende Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen für E-Fuels gedeckt werden kann.
Unternehmen, die nachhaltige Aussagen machen, sollten diese auch belegen können. Zumal die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum Chancen haben, sich Durchblick zu verschaffen. Ein anderes Beispiel – diesmal an Land: Mindestens 140 verschiedene Umweltsiegel gibt es für Beherbergungsbetriebe – einen Anforderungskatalog dafür allerdings oft nicht. Und um die Verwirrung perfekt zu machen: Manche Öko-Siegel verleihen sich die Unternehmen einfach selbst.
Alles schlecht also? Nein, tatsächlich nicht. Es gibt viele vorbildliche Gastgeberinnen und Gastgeber, die auf Regionalität setzten, Reiseveranstalter, die von sich aus bei Flügen den CO2-Ausgleich übernehmen. Vergangenes Jahr bewältigte ein mit Frittenfett betankter Flieger den Flug über den Atlantik. Aber halt erst mal nur einer.
Manche Öko-Siegel verleihen sich die Unternehmen selbst.