Sie ist Augsburgs erste Notarin
Die 37-jährige Nora Ziegert ist die erste Notarin Augsburgs und übernimmt die Kanzlei von Bernhard Hille. Familie und Job managt sie mit einem ausgeklügelten Modell.
Wer in die Biografie von Nora Ziegert blickt, zieht den Schluss: Etwas anderes als Juristin konnte die 37-Jährige eigentlich nicht werden. Ihr Vater, Ulrich Ziegert, ist ein bekannter Strafverteidiger, der unter anderem den Fall Luigi Ferrari betreut hat, der fünf Jahre lang unschuldig im Gefängnis saß. Ihre Mutter, Hanna Ziegert, ist psychiatrische Gutachterin – unter anderem fürs Gericht – und war etwa im Fall Mollath aktiv. Dass Nora Ziegert Jura studierte, war zunächst aber eine Notlösung – die sich dann zu einer Karriere auswuchs, in deren Folge sie die erste Notarin in der Geschichte Augsburgs wurde und ein modernes Familienmodell lebt.
„Ich wusste nach dem Abitur nicht, was ich beruflich machen will. Also entschied ich mich für das Jurastudium, weil ich dachte, das ist eine gute Basis und lässt mir viele Optionen offen“, erzählt Ziegert. Sie fand Gefallen am Zivilrecht und schloss das Studium mit Bestnoten ab. Diese ermöglichten ihr den Schritt ins Notarwesen. Zuletzt war sie Geschäftsführerin der Notarkasse mit 1000 Mitarbeitenden. So viele wird Nora Ziegert künftig nicht mehr haben, sondern „nur“noch acht. Sie übernimmt das Notariat von Bernhard Hille in der Annastraße. Der 67-Jährige geht nach 32 Jahren als Notar und vielen weiteren Aufgaben wie dem Engagement bei der Weltnotarvereinigung, der Bundesnotarkammer oder mehr als einem Jahrzehnt als Sprecher der Notare im Landgerichtsbezirk Augsburg in den Ruhestand. Er habe zwar eine „tolle Nachfolgerin“gefunden, der Abschied falle aber auch schwer: „Diese Notarstelle wurde für mich neu geschaffen, ich musste sie mit meinem Team aufbauen“, erzählt er. Über die Jahrzehnte habe er viele Familien, Unternehmen, Einrichtungen, Städte und Kommunen begleitet. „Von der Firmenübergabe bis zur Oma, die ihrem Enkel etwas vermachen wollte, war alles dabei“, erzählt Hille.
Er habe sich bei seinen Engagements stets als „Brückenbauer“verstanden. „Unter anderem habe ich mich vier Jahre in Sachsen engagiert, um nach der Wiedervereinigung das dortige Notariat aufzubauen. Hier waren immer wieder Brücken zu schlagen zwischen ostund westdeutscher Mentalität.“Dies scheine ihm gelungen zu sein: Das Sächsische Notariat hat ihn zum Ehrenmitglied ernannt. Und auch im notariellen Alltag seien Brückenbauer gefragt – immer dann, wenn nach der Erläuterung schwieriger juristische Sachverhalte
Fragen und Konflikte auftreten, bei denen der Notar als neutraler Mittler agieren kann. „Ein sehr reizvoller Aspekt der notariellen Tätigkeit“, so Hille. Ebenso wie sein Einsatz für das Lesertelefon der Augsburger Allgemeinen, wo er unter anderem zu den Themen
Erbrecht oder Vorsorgevollmacht Ansprechpartner war.
Bernhard Hille war bis zu seinem Ausscheiden Ende April einer von 15 Augsburger Notaren. Bisher gab es nur Männer. Mit Nora Ziegert übernimmt eine der Stellen nun erstmals eine Frau. Die 37-Jährige hat einen dreijährigen Sohn und vereint Familie und Karriere. Dafür lebt sie ein modernes Familienmodell. „Mein Mann arbeitet Teilzeit als Staatsanwalt. Dazu haben wir tolle Unterstützung durch meinen Schwiegervater.“Der feste Tag mit dem Opa sei für ihren Sohn ein Highlight und ihre Mutter ihr stets ein Vorbild gewesen, wie sich Familie und beruflicher Erfolg vereinbaren lassen. Im August zieht Ziegert mit ihrer Familie von München nach Augsburg. Bei der Heirat mit ihrem Mann sei ein Deal geschlossen worden: „Mein Nachname, seine Stadt“, erzählt sie lachend.
Ihre Aufgabe als Notarin beschreibt sie als lebendigen Beruf, der mehr sei, als Paragrafen zu wälzen. „Ich bin Beraterin für meine Mandantinnen und Mandanten, helfe, Juristendeutsch in verständliche Sprache zu übersetzen und umgekehrt.“Sie begleite Menschen bei für sie aufregenden Schritten wie der Unterzeichnung eines Ehevertrags oder dem Hauskauf. Sie schätze den Umgang mit den Menschen. „In meinem Beruf gibt es keinen Small Talk. Man kommt bei der Beratung zu einem Testament direkt dazu, ob es womöglich noch uneheliche Kinder gibt.“
Seit 1. Mai ist Ziegert Augsburgs erste Notarin. Für Bernhard Hille beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Dennoch wolle er, wenn gewünscht, seine Nachfolgerin weiter unterstützen und auch in einigen seiner Ämter – egal ob in der Juristerei oder außerhalb – weiter treu bleiben. Unter anderem ist er im Vorstand der Freunde der Kunstsammlungen Augsburg aktiv und Mitglied des Leopold-Mozart-Kuratoriums. Er wolle sich aber auch Zeit für seine Frau nehmen, mit ihr wandern, segeln und Tango tanzen gehen.