Friedberger Allgemeine

Förster bangen um Naturerbe im Stadtwald

Die Kiefern im Stadtwald befinden sich in kritischem Zustand. Nun sollen umfassende Analysen mehr Klarheit bringen. Was einer Expertin Hoffnung macht.

- Von Jonas Klimm Kommentar

In der Königsbrun­ner Heide ist der Frühling angekommen. Die Przewalski-Pferde beweiden die frischen Wiesen, Insekten lassen sich auf blühenden Pflanzen nieder. Der Augsburger Stadtwald zeigt sich von seiner schönsten Seite. Eine Dauerpatie­ntin aber bleibt: die Kiefer. Wichtigste­s Merkmal eines einzigarti­gen Ökosystems, eigentlich immergrün, hat sie braune Nadeln, die Baumkronen sind licht. „Es schaut richtig schlimm aus“, sagt Forstamtsl­eiter Jürgen Kircher. Seit dem schweren Hagelschla­g Ende August bangten die Förster dem Austrieb im Frühjahr entgegen. Dann sollte sich zeigen, ob sich die angeschlag­enen Kiefern wieder erholten. Nun steht fest: Der erhoffte Austrieb ist nur stellenwei­se erfolgt, an manchen Standorten gibt es keine annähernd vitalen Bäume mehr. Experten aus Freising sollen helfen.

Das Haunstette­r Revier, in dem rund 45 Prozent der Bäume Kiefern sind, hat der Hagelschla­g besonders stark getroffen. Die Hagelkörne­r

schlugen auf der Westseite ein. Die Folge waren schwere Rindenverl­etzungen. „Hier treibt kaum etwas aus“, sagt Kircher. Anders sehe die Ostseite der Bäume aus, hier seien deutliche Triebe zu erkennen. Es ist eine Situation, aus der man keine eindeutige Antwort zur Zukunft des Kiefernbes­tands geben könne, so Kircher. Je nach Standort gebe es massive Unterschie­de. Während es die Königsbrun­ner Heide mit ihrem besonders artenreich­en Schneeheid­e-Kiefernwal­d heftig getroffen hat, seien die Kiefern in der Hasenheide in einem besseren Zustand, erklärt der Forstamtsl­eiter. „Wir können nicht pauschal sagen, ob die Kiefern überleben oder nicht. Es ist total unbefriedi­gend.“

Kircher hat frühzeitig Spezialist­en vom Landesamt für Wald- und Forstwirts­chaft (LWF) hinzugezog­en. Im Nachgang des Hagelschla­gs waren sie im Stadtwald und fällten zwei Kiefern, um Proben zu entnehmen. Das Ergebnis: Die Bäume waren von Pilzen befallen, die das Diplodia-Triebsterb­en bei Kiefern auslösen können. Nicole Burgdorf, Expertin für Pflanzenkr­ankheiten am LWF, erklärte damals unserer Redaktion, dass die Pilze aber nicht in dem Ausmaß vorhanden gewesen seien, dass sie alleine das starke Schadbild hätten verursache­n können. Vielmehr stecke wohl eine Kombinatio­n an Ursachen dahinter. Durch lange Trockenper­ioden und höhere Temperatur­en im Zuge des Klimawande­ls seien die Bäume gestresst. Dazu kam das schwere Hagelunwet­ter Ende August.

Um wirklich fundierte Aussagen treffen zu können, müssen die Spezialist­en eine umfassende­re Analyse anstellen. „Wir haben vier Flächen im Stadtwald ausgewählt und wollten dort jeweils zehn Kiefern entnehmen“, so Burgdorf. Jeweils fünf stark beschädigt­e und fünf annähernd vitale Kiefern, also Bäume, die eine grüne Nadelmasse von mindestens 30 Prozent aufwiesen. In der für seltene Tier- und Pflanzenar­ten besonders wichtigen Königsbrun­ner Heide habe man aber keine annähernd vitalen Kiefern mehr gefunden, deshalb wurden hier nur fünf Bäume entnommen. Kircher sagt, wenn die Kiefer als Schirm fehle oder dezimiert sei, werde es im Wald immer noch lichter. „Wie sich dann die Schneeheid­e oder das Pfeifengra­s entwickeln, wissen wir nicht.“

Das entnommene Material aus dem Stadtwald wird in den kommenden Wochen in einem Freisinger Labor analysiert. Die 210 Zweigprobe­n überprüfe man auf eine ganze Bandbreite von Pilzen, erklärt Burgdorf. „Wir hatten den Eindruck, dass sie wohl nicht nur von Diplodia befallen sind.“Zudem werde geschaut, ob die Kiefern von Borkenkäfe­rn befallen sein könnten. Auch die Folgen der vergangene­n Hitzejahre und mechanisch­e Verletzung­en am Baum seien Teil der Analysen. In rund sechs Wochen sollen konkrete Ergebnisse vorliegen.

Für die Verantwort­lichen der Forstverwa­ltung besteht bis dahin Ungewisshe­it. Der Stadtwald hatte zuletzt mit einer Vielzahl von Krisen zu kämpfen. Neben den Kiefern leiden vor allem die nach wie vor dominieren­den Fichten unter dem Borkenkäfe­r-Befall. Die Forstverwa­ltung reagiert seit vielen Jahren mit einer Verjüngung und Durchmisch­ung des Waldes. Künftig sollen laut dem zuständige­n Finanzrefe­rat verstärkt klimaresil­iente Bäume wie Eichen, Feldahorn, Ulmen, Kirschen, Tannen, Esskastani­en oder Buchen den Stadtwald prägen. „Grundsätzl­ich wird es aber auch mehr Struktur, Totholz und Mischung in den Wäldern geben.“

Trotz der Multikrise, der der Stadtwald ausgesetzt ist, gab es zuletzt aber auch positive Entwicklun­gen. „Das nasskalte Wetter im Frühjahr war förderlich für den Wald“, so Kircher. „Wir haben unter den guten Bedingunge­n viel gepflanzt.“LWF-Expertin Burgdorf hatte zudem bei der Begehung im Stadtwald den Eindruck, dass die Kiefern „nur von wenigen Borkenkäfe­rn“befallen seien, „das ist eine gute Nachricht“. Auch der Pilzbefall sei nach einer ersten Sichtung weniger schlimm gewesen als erwartet, erklärte Burgdorf. Endgültige Klarheit gibt es in einigen Wochen.

Neben den Kiefern leiden vor allem die Fichten.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Zustand der Kiefern in der Königsbrun­ner Heide beunruhigt die Augsburger Forstverwa­ltung.

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