HERZ DES WALDES
Die Winterlinde ist für Alfred Zenz das Herz des Waldes. Der Autor sieht Bäume als Seelenbegleiter, Kraftspender und Verbündete.
Warum Natur-Coach Alfred Zenz die Winterlinde so schätzt.
Wer kennt sie nicht, die Linde mit ihrer breiten, gleichmäßig geformten Krone und ihren zarten herzförmigen Blättern. Wie die Eiche gehört sie zu den schönsten und mächtigsten Laubbäumen unserer Breiten. Ihre Gattung umfasst weltweit über 40 Arten, wobei im mitteleuropäischen Raum vor allem zwei Arten dominieren, die Winter-Linde und Sommer-Linde. Im Gegensatz zur Sommer-Linde hat die Winter-Linde kleinere und glänzendere Blätter, die auf der Rückseite mit rostbraunen Haarbüscheln zwischen den Blattnerven versehen sind. Bei der Sommer-Linde sind diese Haarbüschel weißlich. Zudem hat sie insgesamt größere und weich behaarte Blätter. Oft kreuzen sich die beiden Arten aber auch, wodurch sie oft nicht mehr eindeutig voneinander zu unterscheiden sind. Die Linde gehört zu den wärmeliebenden Bäumen und benötigt ausreichend Feuchtigkeit, um ihr dichtes Blattwerk auszubilden. Dabei kann sie eine Wuchshöhe von 30 bis 40 Metern erreichen und über tausend Jahre alt werden. Besonders charakteristisch sind ihre sternchenförmigen hellgelben bis weißlich-grünen Blüten, die den Baum in den Sommermonaten von Juni bis Juli in ein goldfarbenes Licht hüllen. Ihre Blütenstiele sind in etwa bis zur Hälfte mit einem hellgrünen Hochblatt verwachsen, das den späteren Samen als eine Art Segel dient, um vom Wind verbreitet zu werden. Bis zu 60 000 Blüten können sich auf einem einzigen Baum befinden. Sie verströmen einen intensiven, honigartigen Duft, der unzählige Bienen und Insekten anlockt. Und auch der Mensch profitiert von ihrem überreichen Blütenangebot – sei es in Form des beliebten Lindenblütenhonigs oder als bewährtes Hausmittel bei Fieber und Erkältungskrankheiten. Es verwundert daher kaum, dass die Linde seit jeher als kraftvolle Heilerin geschätzt wurde. Das deutsche Wort „lindern“verweist dabei noch heute auf die ihr innewohnenden Heilkräfte. In der keltisch-germanischen
Mythologie war die Linde der Göttin Freyja geweiht, der Herrin der Erde und Patronin der Liebe und Fruchtbarkeit. Ihre Anwesenheit glaubte man im süßen Geruch der Lindenblüten zu Mittsommer zu erkennen. Als Baum der Liebe verehrt, wurden unter ihrem breiten Blätterdach bevorzugt Ehen geschlossen und ausgelassene Dorffeste gefeiert, die nicht zuletzt der Paarbildung dienten. Mancherorts soll der Tanzboden für Feierlichkeiten sogar hoch oben zwischen ihren Ästen aufgebaut worden sein. Somit bildete die Linde als Dorf- oder Stammesbaum in vielerlei Hinsicht das weibliche Pendant (Yin) zur Eiche, die vornehmlich mit der männlichen Energie (Yang) des Donnergottes Thor assoziiert wurde. Durch die Linde wirkte hingegen die königlich weibliche Kraft von Freyja, die eng mit den Attributen Wahrheit, Gerechtigkeit, Klarheit und Mitgefühl in Verbindung stand.
Als Mittelpunkt des Dorfgeschehens wurde daher genauso wie bei der Eiche unter Linden Gericht gehalten. Dem sanftmütigen Wesen der Linde entsprechend fielen dabei die Urteile, die unter ihrem Kronendach gesprochen wurden, im Gegensatz zur Eiche angeblich etwas „gelinder“aus. Auch für das Reitervolk der Skythen soll die Linde einst ein wichtiger Ort der Zusammenkunft gewesen sein. Seine Schamanen fanden sich unter Lindenbäumen zusammen, um Impulse aus der Geisterwelt zu empfangen und die Zukunft des Stammes vorherzusagen. Ähnliches vermutet man auch für die alten germanischen Stämme. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Linde immer mehr vom Stammesbaum zum Schutzbaum, der auf keinem Hof fehlen durfte. Vor allem im deutschsprachigen Raum wurde die Linde so zum Inbegriff von Heimat. Unzählige Orte wurden nach der Linde benannt, so zum Beispiel Lindau, Linz oder Leipzig. Und kaum ein anderer Baum wurde so oft im volkstümlichen Liedgut besungen wie die Linde. Nicht zuletzt deshalb galt die Linde im 18. und 19. Jahrhundert als Baum der Dichtung und der Kunst. Ihre Bedeutung als Schutz- und Stamm(es)baum hat die Linde übrigens bis heute nicht verloren. Noch immer wird in manchen Gegenden Mitteleuropas ein Lindenbaum gepflanzt, wenn in der Familie ein Stammhalter geboren wird, andernorts wiederum, wenn ein Mädchen das Licht der Welt erblickt. Durch diesen Brauch wirkt in der Linde also noch immer ein Wesen, das unsere Herzen zutiefst zu berühren vermag.
Für mich ist die Linde das Herz des Waldes und steht wie kaum ein anderer Baum für die heilsame Kraft der Liebe und der Sanftmut. Alles an ihr zeugt von ihrem herzöffnenden Wesen – der zarte Duft ihrer Blüten, die weichen, herzförmigen Blätter, die harmonische Form ihrer Krone. Als ich mich für die Begegnung mit ihrem Baumgeist unter ein altes Exemplar im lichtdurchfluteten Wald setze, spüre ich bereits, was die Linde für mich bereithält: ein Gespräch von Herz zu Herz.
Sie ist in jeder Hinsicht heilsam für dein Herz. Die Linde ist die Herzheilerin unter den Bäumen. Ihr wohnt eine sanfte, weiche Energie inne, mit der sie den gesamten Bereich deines Herzens einzuhüllen vermag. Trotz aller Sanftheit geschieht dies mit einer Intensität und Direktheit, wie ich sie von kaum einem anderen Baum kenne. Sie nährt und fördert Herztugenden wie Großzügigkeit, Verständnis, Mitgefühl und Verbundenheit und macht dich für das tiefe Gefühl der Liebe empfänglich. Dadurch hilft sie dir, wieder „heil“und „ganz“zu werden.