Fünf Jahre nach der Loveparade-Katastrophe
Fünf Jahre nach dem Loveparade-Unglück ist noch immer unklar, wann und ob es überhaupt zum Prozess kommen wird
Die Treppe in der Nähe des ehemaligen Güterbahnhofs in Duisburg ist zum Symbol für die Katastrophe bei der Loveparade geworden (Foto: imago). Heute vor fünf Jahren kamen bei einer Massenpanik während der Technoveranstaltung 21 Menschen ums Leben. Die Aufarbeitung der Fehler von Behörden und Veranstaltern dauert noch an. Duisburg begeht den Jahrestag mit einer öffentlichen Gedenkfeier am Unglücksort.
- Vor fünf Jahren starben bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen. Mindestens 652 wurden bei der Massenpanik verletzt, Tausende sind bis heute traumatisiert. Seit rund eineinhalb Jahren prüft das Landgericht Duisburg, ob das Verfahren gegen zehn Beschuldigte eröffnet wird. Für die Hinterbliebenen schwer zu ertragen – zumal offen ist, ob es jemals zum Prozess kommt. Ein Überblick über den Sachstand.
Wie kam es zur Katastrophe?
Am 24. Juli 2010 gegen 15 Uhr brach das Zu- und Abgangssystem der Veranstaltung zusammen. Aus verschiedenen Richtungen strömten Menschen unkontrolliert auf die Zugangsrampe. Zwischen 16.30 Uhr und 17.15 Uhr drängten sich in diesem Bereich mehrere zehntausend Menschen. Der Personenstau erreichte seine größte Dichte vor den genehmigungswidrigen Zäunen auf der Rampe. Der immense Druck führte zu Todesfällen und Verletzungen.
Wer sind die Beschuldigten?
Mehr als dreieinhalb Jahre ermittelte die Staatsanwaltschaft, ehe sie im Februar 2014 Anklage erhob. Sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des LoveparadeVeranstalters Lopavent sollen sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung vor Ge- richt verantworten. Die Techno-Parade sei völlig falsch geplant gewesen und hätte nie genehmigt werden dürfen, so die Ankläger. Nicht ermittelt wurde gegen Lopavent-Chef Rainer Schaller und Duisburgs damaligen OB Adolf Sauerland (CDU), der die politische Verantwortung für die Katastrophe nicht übernehmen wollte und im Februar 2012 abgewählt wurde. Laut Staatsanwaltschaft waren beide in die Planungen nicht persönlich eingebunden und somit juristisch nicht verantwortlich.
Was wird den Beschuldigten zur Last gelegt?
Die Angeschuldigten des Veranstalters sollen zentrale Sicherheitsauflagen nicht umgesetzt haben. Unter anderem geht es um nicht weggeräumte Zäune, die laut Ermittlungen unter anderem zu der Massenpanik geführt haben sollen. Drei der städtischen Angeschuldigten sollen erst einen Tag vor der Loveparade die baulichen Anlagen für die Veranstaltung genehmigt haben. Laut Ermittlungen hätte diese Genehmigung nie erteilt werden dürfen, da sie gegen Sicherheitsauflagen verstoßen hätte.
Warum hat es dreieinhalb Jahre gedauert, bis die Staatsanwaltschaft die Anklage formuliert hat?
Die Staatsanwaltschaft Duisburg schloss im Februar 2014 ihre Ermittlungen ab. Die Anklagebehörde er- klärte die lange Zeitspanne unter anderem damit, dass man alles sorgfältig habe prüfen wollen und dies nun einmal Zeit in Anspruch nehme. Die Verfahrensakten umfassen 76 Bände mit mehr als 37 000 Seiten sowie 623 Sonderbände und Beweismittelordner. Hinzu kommen Datenträger mit einem Volumen von rund 804 Terabyte, 963 Stunden Videomaterial und mindestens 19 Kisten mit sichergestelltem Computermaterial.
Warum dauert die Prüfung der Anklage durch das Gericht so lange?
Die 660 Seiten lange Anklageschrift liegt zur Prüfung beim Landgericht Duisburg, das über die Zulassung der Anklage entscheidet. Entscheidend dafür ist die Einschätzung der Richter, ob eine Verurteilung der Angeschuldigten wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Wegen der Verzögerung liegt der Verdacht nahe, dass die Richter daran zweifeln.
Wann wird der Prozess beginnen?
Wenn überhaupt, dann wohl nicht mehr in diesem Jahr. Die Verhandlung würde im Düsseldorfer Kongresszentrum stattfinden, wo eine Halle reserviert wurde, um dem öffentlichen Interesse gerecht zu werden. Bei fahrlässiger Tötung drohen Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.
Welche Konsequenzen haben sich für Veranstalter von Massenevents ergeben?
Die Sicherheitsauflagen sind strenger geworden. „Staatliche Stellen schauen jetzt genauer hin“, sagt Dieter Bös. Er ist Geschäftsführer der Konzertagentur Koko & DTK Entertainment, die etwa das Rock-am-SeeFestival in Konstanz veranstaltet. „Für uns hat sich eigentlich wenig geändert, abgestimmte Sicherheitskonzepte hatten wir schon vorher. Zu Rock am See kommen bis zu 25 000 Menschen – da haben wir uns schon immer viele Gedanken über die Sicherheit gemacht“, so Bös.
Äußern sich Sauerland und Schaller noch zum Thema?
Nein. Adolf Sauerland arbeitet im Reisebüro seiner Frau in Duisburg. Der ehemalige Duisburger Oberbürgermeister hat sich seit seiner Abwahl durch einen Bürgerentscheid fast komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Rainer Schaller, Gründer der Sportstudio-Kette McFit, betreibt weiter die Expansion seines Unternehmens.