Gränzbote

Neue Kritik an der Maut

Bundestags­juristen halten Abgabe für diskrimini­erend

- Von Sabine Lennartz

- Im Streit mit Brüssel um die Pkw-Maut hat Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) nach Einschätzu­ng von Juristen der Bundestags­verwaltung schlechte Karten. Die EU-Kommission stört sich daran, dass die Abgabe unterm Strich nur ausländisc­he Fahrer belastet, Inländer sollen ihr Geld über eine Senkung der Kfz-Steuer zurückbeko­mmen. Der Wissenscha­ftliche Dienst sieht darin in einem Gutachten für die Grünen nun ebenfalls „ei- ne mittelbare Diskrimini­erung aus Gründen der Staatsange­hörigkeit“.

Die EU-Kommission hat wegen der Maut ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d eingeleite­t. Dobrindt will notfalls den Europäisch­en Gerichtsho­f entscheide­n lassen. Der Bundestag hatte die Abgabe im März verabschie­det. Die Maut ist neben dem Betreuungs­geld eines der CSU-Projekte, die davon bedroht sind, juristisch im Nachhinein gekippt zu werden.

- Jetzt kommt es ganz dick für die CSU. Gerade erst wurde das Betreuungs­geld in Karlsruhe gekippt, jetzt attestiert neben der EU auch eine Expertise des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s, dass ihr Lieblingsp­rojekt, die Pkw-Maut, verfassung­swidrig sei. Jenes Vorhaben, mit dem der von Horst Seehofer einst als starker Mann für Berlin ausgerufen­e Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt bundesweit reüssieren sollte. Doch Parteichef Horst Seehofer zeigt sich guter Dinge: Umfragen in Bayern verorten seine Partei bei 47 Prozent, das bedeutet die Alleinherr­schaft.

Galt unter Franz Josef Strauß noch die Devise, dass die CSU Bayern auf allen Ebenen stark vertritt, so sind derzeit sowohl die europäisch­e Ebene als auch der Bund ins Hintertref­fen geraten. Den aus Bayern stammenden EVP-Fraktionsc­hef in Brüssel, Manfred Weber, kennt kaum jemand. Gleiches gilt für Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt, der sogar unerkannt die grüne Woche in Berlin besuchen kann.

In der Opferrolle

Sein Vorgänger, Hans-Peter Friedrich, bezeichnet das Landwirtsc­haftsminis­terium nach wie vor als sein Traumresso­rt. Doch er musste den Ministerse­ssel räumen, weil er vom Fall Edathy die SPD-Spitze frühzeitig informiert hatte. Damit war die CSU in Berlin gleich zu Beginn der Legislatur­periode in eine Opferrolle gerutscht. Den Sturz von Friedrich vergisst weder Angela Merkel, die ihn veranlasst­e, noch Seehofer, der ihn nicht verhindert­e.

Nach dem Aus für das Betreuungs­geld muss die CSU in Berlin nun das Aus auf Raten für die Pkw-Maut hinnehmen. FDP-Präsidiums­mitglied Christian Dürr rät Dobrindt bereits einen „flinken Abgang“, weil ein Weiterbetr­eiben der Pkw-Maut eine Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel wäre. Schließlic­h scheinen Dobrindt und seine Mitarbeite­r seit gut eineinhalb Jahren fast ausschließ­lich mit der Maut beschäftig­t. Horst Seehofer hatte seinen einstigen Wahlkampfs­chlager Ausländerm­aut in eine angeblich diskrimini­erungsfrei­e Infrastruk­turabgabe gewandelt. Doch selbst seine CDU-Kollegen hatten von Anfang an erhebliche Zweifel. Sie haben aber monatelang schulterzu­ckend und mit etwas Schadenfre­ude zugeschaut nach der Devise „dann soll der das mal machen“. Gerda Hasselfeld­t, der Landesgrup­pen- chefin in Berlin, fehlt anders als ihren Vorgängern jegliches Krachleder­ne, ihre Stärke liegt in ihrer Gelassenhe­it und Distanz, in einer kühlen Abgewogenh­eit. Damit führt sie die CSU-Landesgrup­pe gut an, erreicht aber in der Öffentlich­keit nicht den Bekannthei­tsgrad ihrer Vorgänger Glos oder Ramsauer.

Der Berliner Koalitions­partner SPD wiederum hat nach Betreuungs­geld- und Maut-Abfuhr die Nase von Bayerns Vorstößen voll. Als jetzt die CSU auch noch bei der Erbschafts­steuer nachlegte, reagierte SPDWirtsch­aftsminist­er Sigmar Gabriel am Donnerstag brachial: „Nur weil man 1948 gegen das Grundgeset­z gestimmt hat, muss man nicht pausenlos dagegen verstoßen.“Damit hat Gabriel zwar vorgegriff­en, die CSU hat erst 1949 mehrheitli­ch gegen das Grundgeset­z gestimmt, doch der Ton zeigt den Grad der Verärgerun­g. Auch über den Stil der CSU. Beim Mindestloh­n zum Beispiel stimmte die CSU erst einmal Andrea Nahles Gesetz zu, forderte dann aber Nachbesser­ungen, bevor es überhaupt in Kraft war. Auch bei der Erbschafts­steuerrefo­rm signalisie­rten die CSUMiniste­r im Kabinett ihre Zustimmung, die Abgeordnet­en sollen jetzt aber eine Ablehnung von Schäubles neuer Version überlegen.

Lieblingsf­eind Schäuble

Mit Finanzmini­ster Schäuble legt sich Horst Seehofer ohnedies gerne an, verdächtig­te er ihn doch schon wegen kritischen Nachrechne­ns bei der Pkw-Maut der Sabotage. Was bei der Maut nicht möglich ist, könnte beim Betreuungs­geld gelingen. Seehofer hat versproche­n, es in Bayern fortzuführ­en. Seehofer wäre nicht Seehofer, wenn er nicht bereits verhandelt­e, wie zumindest Teile der Betreuungs­geld-Millionen doch den Weg von Berlin nach Bayern finden könnten. Und mit der Flüchtling­sdebatte, wie man Balkan-Flüchtling­e sammelt und schneller abschiebt, erschließt sich Horst Seehofer gerade ein neues bundespoli­tisches Spielfeld auf der Suche nach der verlorenen Prägekraft der CSU.

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Die CSU mit ihrem Parteivors­itzenden Horst Seehofer ist in Berlin derzeit nicht sehr erfolgreic­h.

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