Tuttlingen lädt zum Bildungsgipfel
Tuttlingens OB Michael Beck im Interview vor dem Stadtentwicklungsforum am Montag
Michael Beck spricht im Interview über den Bildungsstandort Tuttlingen.
TUTTLINGEN - Das Tuttlinger Stadtentwicklungsforum in der Aula des Immanuel-Kant-Gymnasiums steht am kommenden Montag ab 16 Uhr ganz im Zeichen der Bildung. Gerade in diesem Bereich hat sich in Tuttlingen in den vergangenen Jahren viel getan. Erinnert sei an die Eröffnung des Hochschulcampus oder des Schülerforschungszentrums. Ganz aktuell will die Stadt fast 30 Millionen Euro in die Schulentwicklung und die Sanierung der Gebäude der Gymnasien investieren. Über die Entwicklungen im Bildungsbereich sprach daher unser Redakteur Christian Gerards mit Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck.
Am Montag steht das Stadtentwicklungsforum ganz im Zeichen der Bildung. Warum haben Sie das Thema gewählt?
Bildung hat auch etwas mit Stadtentwicklung zu tun. Daher haben wir uns in diesem Jahr für das Thema entschieden. Der Planer Jochem Schneider hat es am Montag im Gemeinderat im Zusammenhang mit der Schulentwicklung und Sanierung des IKG und OHG richtig gesagt: Wir haben ein Schulzentrum mit über 5000 Schülern, die untereinander nichts miteinander zu tun haben. Dies zu ändern ist auch eine Aufgabe der Stadtentwicklung.
Worauf dürfen sich die Besucher freuen? Was wird denn Ihr persönliches Highlight sein?
Es sind fast alle Bildungseinrichtungen der Stadt vertreten. Aber sie agieren oft recht isoliert, am Montag haben sie die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich bin gespannt, ob ihnen der gegenseitige Austausch gelingt. Vor allem aber geht es um die Zukunft unserer Kinder, darüber freue ich mich am meisten.
Mit was für einem Zuspruch rechnen Sie?
Das liegt natürlich auch am Wetter. Der Termin so kurz vor den Ferien ist sicher nicht ideal. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Aula des IKG schon voll werden wird.
Wie werden sich die Schülerzahlen und die Zahl der Kindergartenkinder in Tuttlingen entwickeln?
Wir gehen davon aus, dass die Zah- len stabil bleiben werden. Die Entwicklung in den Kindergärten setzt sich in den Schulen fort. Wegen des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung werden wir aber eine Verschiebung bei den weiterführenden Schulen bekommen. Das spüren wir jetzt schon ein stückweit. Die Schülerzahl an den Gymnasien wird größer, da wird es auch schmerzliche Erfahrungen geben, wenn der eine oder andere wieder runter muss. Wir haben nun einen stärkeren Beratungsbedarf. Es macht Sinn, dass sich die Eltern an die Grundschulempfehlung halten. Wir wollen aber auch den Schulstandort ausbauen. Wir haben einen großen Zuspruch aus den umliegenden Kommunen, das spricht für unsere Gymnasien.
Bildung ist ein wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen. Da ist Tuttlingen für seine Größe doch richtig gut aufgestellt …
Was wir haben ist super. Im Landesvergleich sind wir wirklich sehr gut aufgestellt. Ich bin da aber auch selbstkritisch: Es hat keinen Wert, sich im Stuhl zurückzulehnen. Wenn ich im Gemeinderat höre, dass wir die Gymnasien nun für die nächsten 40 Jahre fit machen, dann ist das zu kurz gedacht. Die Entwicklung an den Schulen ist ein ständiger Prozess, so wie sich auch die Gesellschaft verändert. Wir müssen dran bleiben und gucken, wo wir nachjustieren müssen. Das gilt für jedes Jahr aufs Neue.
Die Fortführung des Hochschul-
campus über das Jahr 2019 hinaus, scheint auf einem guten Weg zu sein. Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Unsere Wissenschaftsministerin, Theresia Bauer (Bündnis 90/Die Grünen) war da, und wir hatten ein gutes und angenehmes Meeting. Wir sind so auseinander gegangen, dass sie sich dafür einsetzen wird, dass es weitergeht. Ich verstehe das als Zusage. Die vertraglichen Details müssen im Laufe des Jahres ausgehandelt sein, ansonsten müssen wir den Hochschulcampus abwickeln. Wir brauchen jetzt Verlässlichkeit. Wir haben so hohe Anmeldezahlen wie noch nie, die neuen Studenten kommen auch aus Münster oder Berlin. Der Hochschulcampus ist nachgefragt und ist durch und durch anerkannt.
Jetzt kommt das 30-Millionen-Euro-Paket für die beiden Gymnasien. Hand aufs Herz: Kommt das nicht ein bisschen spät?
Wir haben in den vergangenen Jahren klar Prioritäten gesetzt. Dass der Turm des IKG saniert werden muss, war schon meinem Vorgänger bekannt. Wir waren in den Jahren danach aber nicht untätig: Wir haben in die Ludwig-Uhland-Realschule, die Hermann-Hesse-Realschule und die Ganztagesbereiche an anderen Schulen viele Millionen Euro investiert. Und dann haben wir den Hochschulcampus gebaut. Und hier ging es um die Frage „Jetzt oder nie“, da mussten wir vor ein paar Jahren die historische Chance nutzen. Stadt und Landkreis haben deshalb hier 25 Millionen Euro in ein Projekt investiert, das eigentlich Landessache ist. Jetzt gehen wir die beiden großen Gymnasien an – und zwar nicht nur mit einer Sanierung, sondern mit einer gründlichen Neukonzeption für die Zukunft.
Dennoch war im Gemeinderat ein Raunen zu vernehmen, als das Jahr 2022 als Endpunkt der Sanierung genannt worden ist ...
Wir müssen die Maßnahme gut vorbereiten und planen. Das sind ganz andere Dimensionen als etwa bei der Feuerwache, die neu auf der grünen Wiese entsteht. Wir sanieren die beiden Gymnasien im laufenden Betrieb. Daher müssen wir noch klüger und sorgfältiger planen. Wir können nicht alles auf einmal machen. Die Abiturienten müssen trotz des Umbaus gute Voraussetzungen haben, um ihre Prüfungen abzulegen.
Zum kommenden Schuljahr werden auch die Karlschule und die Schildrainschule zur Ganztagsschule. Warum wird diese Art der Schulform immer wichtiger?
Wir haben ja eigentlich keine klassischen Ganztagsschulen, sondern es gibt nur Angebote für den Nachmittag. Da wird sich noch etwas entwickeln. Zum Wohle des Kindes plädiere ich dafür, den Unterricht von Montag bis Freitagnachmittag zu geben. Das wäre viel entspannter. Wir würden den Kindern dadurch vermehrt die Chance geben, Ruhe- und Lernphasen zu haben. Sie würden deutlich eigenverantwortlicher werden.
Während die Entwicklung an den grundständigen Schulen der Stadt gut läuft, steht die Musikschule dagegen vor Problemen: Das G8 sorgt dafür, dass die Kinder und Jugendlichen immer weniger Zeit haben. Was können Sie tun, dass die Musikschule genügend Schüler auch in Zukunft bekommt?
Das Thema bewegt mich sehr. Unsere Musikschule genießt einen hervorragenden Ruf. Durch das G8 haben die Schüler weniger Zeit für die Instrumente. Daher wollen wir die Angebote der Musikschule in die Schule bringen. Aber das ist nicht so einfach, wir können den guten Unterricht der Musikschule nicht zum Nulltarif anbieten. Daher bieten wir an den Schulen ein anderes Niveau an. Ich bin davon überzeugt, dass es eine räumliche Verlagerung geben wird, weg von den Räumen der Musikschule hin zu den Schulen.
Apropos G8: In etlichen Städten gibt es inzwischen zumindest ein Gymnasium, an dem wieder das G9 angeboten wird. Warum ist das nicht auch an den städtischen Gymnasien in Tuttlingen der Fall?
Es ist darüber nachgedacht worden. Aber ich bin dankbar dafür, dass wir beim G8 geblieben sind. Das war eine gute und kluge Entscheidung. In 50 Meter Entfernung von unseren Gymnasien wird das G9 am Technischen- und am Wirtschaftsgymnasium angeboten. Wer diese Form wünscht, kann sein Kinder dort einschulen.