Nach Todesfall debattiert Amerika über Polizeigewalt
Verwandte zweifeln an der Selbstmordtheorie
- Am 10. Juli kommt Sandra Bland im US-Bundesstaat Texas in eine Verkehrskontrolle. Sie hatte beim Spurwechsel nicht geblinkt. Ein weißer Polizist winkt die 28-jährige schwarze Fahrerin an den Straßenrand, er prüft ihren Führerschein. Alles, was danach geschah und besonders Blands Tod drei Tage später in der Gefängniszelle, hat in den USA eine hitzige Debatte über Polizeigewalt neu befeuert. Verhaften US-Polizisten zu viele Menschen wegen Lappalien? Wie groß sind die Vorurteile gegen Afroamerikaner in der Justiz? TV-Sender bringen das von der Polizei bei Youtube veröffentlichte Video von Blands Festnahme wieder und wieder.
So lässt sich verfolgen, wie die Situation zwischen der Fahrerin und dem Polizisten aus dem Ruder lief: Anstoß scheint jetzt das Rauchen. Der Polizist fordert sie auf, ihre Zigarette zu löschen. Sie weigert sich: „Ich bin in meinem Auto. Warum muss ich meine Zigarette ausmachen?“Er verlangt, dass sie das Auto verlässt. Sie bleibt am Steuer. Er droht mit einem Elektroschocker. Sie steigt in ihrem wadenlangen Dress aus. Beide schreien sich an. Bei der 28-Jährigen, die aus der Gegend von Chicago kommt, klicken die Handschellen. „Fühlen Sie sich jetzt gut?“, fragt Bland den Uniformierten. Und mehrfach: „Warum bin ich verhaftet?“
Drei Tage später, am 13. Juli, wird Sandra Bland tot in Zelle Nummer 95 im Waller County Jail in Hempstead gefunden. Die Behörden sprechen von einem Suizid. Die Familie der Toten und deren Anwalt Cannon Lambert bezweifeln das. Sie verlangen eine unabhängige Autopsie. Lambert und Blands Schwester heben in Interviews immer wieder hervor, sie hätten viele offene Fragen zur Festnahme und zur Zeit hinter Gittern. „Das ist ein extrem bedeutsamer Fall“, sagte Lambert am Donnerstag dem Sender CNN.
Längst geht es nicht mehr nur um die Umstände im Fall Bland, sondern ob er sich einreiht in die Vielzahl der Berichte über Polizeigewalt gegen Schwarze. Und in die hohe Zahl von Todesschüssen von US-Polizisten auf unbewaffnete Menschen allgemein. Denn die Statistiken zeigen, dass in den USA jeden Tag ein Mensch oder mehr von Ordnungshütern getötet werden. Nach einem Bericht der „New York Times“waren es im Jahr 2013 über 460 Menschen, die die Bundespoliziei FBI erfasste.
Zugleich weisen Experten darauf hin, dass die Gewalt auch Folge einer zum Teil schlechten Polizeiausbildung sei. Hinzu komme, dass die Menschen in den USA so viele Waffen besäßen. Da fühlten sich selbst Polizisten schnell bedroht.
Die Familie Sandra Blands wird jedenfalls nicht müde zu betonen, dass der Polizist bei der Festnahme in Texas die Situation eigentlich hätte entschärften müssen. Er habe das Gegenteil getan. Auch seine Vorgesetzten haben Fehlverhalten des Polizisten eingeräumt. Er wurde aus dem Streifendienst genommen. Und Royce West, ein texanischer Senatspolitiker, der sich im Fall Bland stark engagiert, sagte: „Sie hätte nicht ins Gefängnis kommen dürfen.“