Turkish Airlines plant Billigmarke
Ob der Markteintritt Auswirkungen auf den Bodensee Airport hat, ist noch offen
FRIEDRICHSHAFEN/FRANKFURT (dpa/hag) - Der Himmel über Europa könnte bereits im kommenden Jahr noch ein Stückchen enger werden. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“hat der Chef der aufstrebenden „Turkish Airlines“, Temel Kotil, den baldigen Markteintritt seiner Billigmarke „Anadolu-Jet“angekündigt. Die ist mit ihren 29 Jets bislang ausschließlich in der Türkei unterwegs und hat eine wichtige Eigenschaft: Sie produziert die Dienstleistung Fliegen extrem billig. Es bleibt aber fraglich, ob sie tatsächlich zum Rivalen für Lufthansa werden kann, die ihr eigenes Billigsegment unter dem Dach „Eurowings“gerade kräftig umbaut.
Ob die neue Billig-Airline Auswirkungen auf den Bodensee Airport hat, kann Flughafen-Sprecher Andreas Humer-Hager derzeit nicht beurteilen. Turkish Airlines verbindet Friedrichshafen regelmäßig mit der Türkei. Vor diesem Hintergrund verfolge man die aktuellen Nachrichten mit großem Interesse, so Humer-Hager. Seitens Turkish Airlines habe es aber noch keine Rückmeldungen zu möglichen Folgen am Bodensee gegeben.
Lufthansa will die Ankündigung des Star-Alliance-Partners Turkish Airlines, mit dem man gemeinsam die erfolgreiche Fluggesellschaft Sun Express betreibt, nicht offiziell kommentieren. Allzu große Unruhe dürfte der Vorstoß in Frankfurt aber vorerst nicht auslösen, denn als NichtEU-Staat fällt die Türkei nicht unter das Regelwerk der „Open Sky“, die das Billigfliegermodell mit beliebigen Zielen in ganz Europa erst ermög- licht. Anadolu wird daher auf die bilateral vereinbarten Landerechte der Mutter Turkish Airlines in Deutschland zurückgreifen müssen und kann dann Billigflüge in die Türkei anbieten, nicht aber zu anderen europäischen Zielen. Turkish hat das Geschäft mit den in Deutschland lebenden Landsleuten aber bislang schon fest im Griff und bietet von 14 deutschen Flughäfen das dichteste Angebot in die Türkei. Es ist nicht ganz klar, wo zusätzliche Fluggäste gewonnen werden sollen.
Deutschland großer Low-Cost-Markt
Die Türken, bei denen die endgültige Entscheidung noch aussteht, würden in einen dicht besetzten Markt starten. Laut der jüngsten Low-Cost-Studie des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR) vereinten zuletzt die sieben größten Billig-Airlines in Deutschland 95 Prozent des Aufkommens auf sich. Immer neue Strecken werden erschlossen, wobei die Gesellschaften bislang peinlich genau darauf achten, dass möglichst keine Konkurrenzgesellschaft die selbe Strecke anbietet.
Mit knapp 4800 Starts in der Woche ist Deutschland nach dem kleineren Großbritannien der zweitgrößte Low-Cost-Markt Europas, was aber auch zeigt, dass noch Luft nach oben ist. Der Low-Cost-Anteil von derzeit 32 Prozent in Deutschland liegt zwar über dem europäischen Schnitt von 28 Prozent, dürfte nach Branchenerwartung noch steigen.
Auf den Angriff von Ryanair, Easyjet, Norwegian und Co. haben die Netzwerk-Carrier wie Lufthansa, British Airways, Iberia oder Air France nach langem Zögern mit eigenen Billig-Gesellschaften reagiert. Beispiele sind die spanische Vueling, die französische Hop! oder die LufthansaTochter Germanwings, die laut DLR aus dem Stand deutscher BilligMarktführer mit einem Marktanteil von mehr als 38 Prozent geworden ist. In Europa liegt allerdings das Angebot von Ryanair deutlich auf Platz 1 vor Easyjet.
Allerdings spürt Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei seinen Billigplänen unter der Dachmarke Eurowings weiterhin harten Widerstand vor allem der Piloten. Die Gewerkschaft Cockpit hatte noch bei der Aufwertung der Germanwings durchgesetzt, dass deren Piloten im lukrativen Konzerntarifvertrag der Lufthansa bleiben konnten. Das soll bei Eurowings nicht ein zweites Mal geschehen, hat der Vorstand beschlossen und riskiert lieber die Auseinandersetzung mit den Piloten. Die beraten aktuell über die 13. Streikwelle in dem Tarifkonflikt.