Gränzbote

Chance für Wirtshäuse­r und Arztpraxen

Baden-Württember­gs Genossensc­haften zielen auf den ländlichen Raum

- Von Steffen Range

WEINGARTEN - Nach nie gab es so viele unterschie­dliche Genossensc­haften in Baden-Württember­g. Knapp 830 Unternehme­n in der Rechtsform der eingetrage­nen Genossensc­haft (eG) verteilen sich auf rund 50 Branchen: Winzer sind dabei, Bäcker und Konditoren, aber auch Schwimmbäd­er, Gaststätte­n, Dorfläden und die Raiffeisen­banken. „Die Idee ist gerade im Südwesten stark verwurzelt“, sagte Roman Glaser, Präsident des Baden-Württember­gischen Genossensc­haftsverba­nds (BWGV), am Donnerstag in Weingarten. „Genossensc­haften sind beileibe kein verstaubte­s Relikt einer vergangene­n Epoche.“2015 hat der BWGV zum Jahr der Genossensc­haften erklärt. Auf Veranstalt­ungen wie in Weingarten will der Verband zeigen, dass sich die Rechtsform eignet, Veränderun­gen im ländlichen Raum zu begleiten.

Vergreisen­de Orte

Aus vielen Dörfern ziehen junge Leute weg. Wirtshäuse­r geben auf, Dorfläden schließen. Gleichzeit­ig haben kleinere Gemeinden kein Geld mehr, um zum Beispiel Schwimmbäd­er in Betrieb zu halten. In solchen Fällen können Genossensc­haften einspringe­n. Sie leisten einen Beitrag zur „Funktionse­rhaltung im ländlichen Raum“, sagte Professor Reiner Doluschitz, Geschäftsf­ührender Direktor der Forschungs­stelle für Genossensc­haftswesen an der Universitä­t Hohenheim.

Das allerdings klingt in der Theorie einfacher als es sich in Wirklichke­it darstellt. Denn viele Genossensc­haften sehen sich in der Zwickmühle, ihren regionalen Charakter zu wahren, gleichzeit­ig aber schlagkräf­tig auf nationalen oder internatio­nalen Märkten anzutreten. Der Forscher attestiert­e Genossensc­haften einen Hang zur „Schwerfäll­igkeit“, der unternehme­rischen Entscheidu­ngen bisweilen entgegenst­ehe. Bäuerliche Genossensc­haften etwa müssen Milchviehh­alter im Allgäu zufriedens­tellen und zugleich Großkunden in Russland und Asien gewinnen. Banken müssen mit ihren Gebühren konkurrenz­fähig sein, gleichzeit­ig erwarten die Kunden ein dichtes Netz an Filialen. Professor Doluschitz hält den „Brückensch­lag zwischen den Erfolgen im globalen Wettbewerb und Bewahrung der Regionalit­ät“für die größte Herausford­erung.

Neue Betätigung­sfelder

Anderersei­ts ergeben sich für Genossensc­haften neue Betätigung­sfelder: etwa beim Betrieb von Altenheime­n und Ärztehäuse­rn, bei Windparks oder Handelshäu­sern. Genossensc­haften könnten ihre Stärken gerade dort ausspielen, wo Unternehme­n auf „langfristi­gen Erfolg statt auf kurzfristi­gen Gewinn“ausgericht­et seien, sagte BWGV-Präsident Glaser.

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FOTO: OH Der Leutkirche­r Bürgerbahn­hof ist bundesweit bekannt. Selbst das ZDF drehte im Allgäu.

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