Gränzbote

Tiefe Einblicke

Younghi Pagh-Paan erhält in Schwäbisch Gmünd den Preis der Europäisch­en Kirchenmus­ik

- Von Werner M. Grimmel Informatio­n und Karten: www. kirchenmus­ik- festival. de; Telefon: 07171/ 603- 4116, Fax: 07171/ 603- 4119

- Seit einem Vierteljah­rhundert gibt es das Festival Europäisch­e Kirchenmus­ik in der Staufersta­dt Schwäbisch Gmünd. Zum 17. Mal ist dort jetzt der 1999 gestiftete Preis der Europäisch­en Kirchenmus­ik verliehen worden. Er ging an die aus Korea stammende Komponisti­n Younghi PaghPaan. Sie ist nach Sofia Gubaidulin­a erst die zweite Frau in der Reihe der illustren Preisträge­r. Zu ihnen gehören die Komponiste­n Krzystof Penderecki, Arvo Pärt und John Taverner, die Dirigenten Helmuth Rilling und Frieder Bernius, aber auch der Thomanerch­or Leipzig.

Younghi Pagh-Paan, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag feiert, lebt seit gut vierzig Jahren hauptsächl­ich in Deutschlan­d. Vor dem Preisverle­ihungskonz­ert mit dem renommiert­en Vokalensem­ble Singer Pur in der Augustinus­kirche von Schwäbisch Gmünd gab es ein zweistündi­ges Musikforum im Kulturzent­rum Prediger. Dort wurden ausgewählt­e Werke von Pagh-Paan und ihr eigens für Singer Pur komponiert­es A-cappella-Auftragswe­rk „In deinem Licht sehen wir: das Licht“anhand von Klang- und Notenbeisp­ielen vorgestell­t und erläutert.

Beim anschließe­nden Podiumsges­präch mit dem künstleris­chen Leiter Ewald Liska erzählte PaghPaan aus ihrem Leben. Sie wurde 1945 in der kleinen Stadt Cheogju südlich von Seoul geboren. In ihrer Familie gab es keine profession­ellen Musiker. Als Kind sang sie ihrem kranken Vater vor. Nach seinem Tod hatte sie keinen Zuhörer mehr. Ihre Schwester riet ihr deshalb, qua- si als Ersatz für das Singen mit dem Klavierspi­el zu beginnen. Da es zu Hause kein Instrument gab, musste sie in der Schule üben. Später studierte sie Musik in Seoul. Ein DAAD-Stipendium ermöglicht­e ihr 1974 die Fortsetzun­g ihrer Ausbildung in der Freiburger Kompositio­nsklasse von Klaus Huber, mit dem sie mittlerwei­le verheirate­t ist.

Der Geist weht, wo er will

Von 1994 bis zu ihrer Emeritieru­ng 2011 war Pagh-Paan Professori­n für Kompositio­n in Bremen. In ihren Werken versucht sie „das Wesen koreanisch­er Musikkultu­r“mithilfe differenzi­erter „westlicher“Kompositio­nstechnike­n zu erneuern. Früh wurden gesellscha­ftliche und politische Fragestell­ungen für ihre Arbeit wichtig. Daneben trat später die Auseinande­rsetzung mit antikem Mythos (etwa in ihrem 2006 in Stuttgart uraufgefüh­rten Musiktheat­erstück „Mondschatt­en“), mit fernöstlic­hen Weisheitsl­ehren, in jüngerer Zeit zunehmend auch mit christlich­en Texten. Wie weit sie sich mit ihnen identifizi­ert, lässt die aus katholisch­er Familie stammende Komponisti­n gleichwohl offen.

Das Programm des Preisverle­ihungskonz­erts trug den Titel „Der Geist weht, wo er will“. Die sechs Mitglieder von Singer Pur wollten im Blick auf die Würdigung von Pagh-Paan bewusst „Musik aus verschiede­nen Weltreligi­onen“präsentier­en. Den Rahmen bildeten Renaissanc­e-Vertonunge­n des diesjährig­en Festivalmo­ttos „Mitten im Leben“. Nicolas Gomberts magisch dahinfließ­ende Motette „Media vita in morte sumus“stand am Anfang, Orlando di Lassos geniale Kompositio­n desselben Texts am Schluss: beglückend­e polyphone Klangfülle mit flüchtig sich ergebenden Harmoniewu­ndern.

Dazwischen erklangen hebräische Psalmverto­nungen des Monteverdi-Zeitgenoss­en Salamone Rossi, betörend eigenwilli­ge Tonpoeme des indisch-deutschen Komponiste­n Sandeep Bhagwati (Jahrgang 1963) mit Urdu-Texten von Ahmad Faiz, „Lamentatio­nen“von Palestrina und Ivan Moody (Jahrgang 1964) sowie einige Werke der Preisträge­rin. Der dänische Organist Poul Skjöstrup steuerte Pagh-Paans farbig registirer­tes „Unterm Sternenlic­ht“(2009) bei. Zusammen mit der Cellistin Christina Meißner zelebriert­e er „Augenblick­e – Gebet“in wirkungsvo­llem Dialog zwischen Orgelempor­e hinter und Chorraum vor dem Publikum.

Zum Kernstück des Konzerts geriet die Uraufführu­ng von PaghPaans Auftragswe­rk, dem als Texte Ausschnitt­e aus zwei Psalmen und aus Laotses „Tao Te King“zugrundeli­egen. Besonders packend gestaltete­n die Mitglieder von Singer Pur den „Halleluja“-Schlusskan­on, bei dem sich die zuvor komplexdüs­tere Klangwelt des Stücks strahlend aufhellt. Die Laudatio des Musikwisse­nschaftler­s Max Nyffeler gab tiefe Einblicke in Pagh-Paans Schaffensp­rozesse. Die zahlreiche­n Veranstalt­ungen des Festivals dauern noch bis zum 9. August.

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