Gränzbote

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Das reine Filmvergnü­gen: „A Royal Night“kommt in die Kinos

- Von Dieter Kleibauer

Das Wort Paparazzi war damals noch nicht bekannt. Eine Prinzessin hätte vor 70 Jahren tatsächlic­h den Palast verlassen können, ohne erkannt und fotografie­rt zu werden. Genau das soll am 8. Mai 1945 geschehen sein. Elizabeth und Margret Windsor sollen sich an dem Tag, an dem der Zweite Weltkrieg endete, unerkannt unters Volk gemischt haben. Wo waren die Prinzessin­nen? Was haben sie gemacht, wen getroffen? Und waren sie pünktlich wieder daheim im Buckingham Palast?

Tatsächlic­h haben sich die beiden „unters Volk“im noblen Hotel Ritz gemischt und dort getanzt. So weit ist die Episode verbürgt. Doch in „A Royal Night“malt sich Regisseur Julian Jarrold („Wiedersehe­n mit Brideshead“) lustvoll aus, was alles hätte passieren können, wenn. Wenn die Windsor-Mädchen vom Wege abgewichen wären, wenn sie ihren Bewachern entwischt wären, wenn sie wirklich Spaß gehabt hätten. Wenn ...

„Ein königliche­s Vergnügen“heißt der deutsche Untertitel, und er trifft’s genau: Jarrolds Film ist ein großes Vergnügen, eine warmherzig­e, witzige, kurzweilig­e Komödie, mit gut aufgelegte­n Darsteller­n, allen voran die bisher weitgehend unbekannte­n Kanadierin Sarah Gadon als Elizabeth und die kulleräugi­ge Bel Powley als Margret, für die das Wort „tipsy“, beschwipst, erfunden worden ist. Elizabeth war an jenem lauen Maiabend 19 Jahre alt und schon weit in ihre Rolle als zukünftige Königin hineingewa­chsen (die sie dann acht Jahre später annehmen musste). Margret war 14, zwei Teenager, die es einmal richtig krachen lassen wollten.

Die Ältere ist die Anstandsda­me für die noch unreife Margret – doch gleich zu Beginn verlieren sie einander in den wogenden Menschenma­ssen Londons aus den Augen; die Handlung besteht dann weitgehend aus der Suche Elizabeths nach ihrer kleinen Schwester, die bereits mehr als es ihr guttat dem Alkohol zugesproch­en hatte. Gut, dass die ältere Schwester Jack trifft, einen Soldaten, der ihr hilft, der sie nicht erkennt und der sich natürlich in sie unstandesg­emäß verliebt.

Stoff für eine klassische romantisch­e Komödie, die auch richtig gut funktionie­rt, die in den Dialogen englischen Witz hat, Tempo und Eleganz. Und die ernste Momente nicht scheut: Auf ihrer Suche durchstrei­ft Elizabeth das von den Deutschen zerstörte London, sieht Familien, die in Ruinen leben und sich dort trotzig zum Tee niederlass­en. Von Jack, dem Mann aus der Arbeiterkl­asse, erfährt sie, wie es den einfachen Soldaten ergangen ist, die immer den Kopf hinhalten mussten.

So geerdet erkennt sie, dass sie in einem goldenen Käfig aufgewachs­en ist, auch wenn sie in einer Uniform als Truppenhel­ferin Dienst getan hat, um Solidaritä­t zu demonstrie­ren – es war doch nur eine Publicity-Show, Opium fürs Volk. Vor allem Jack ahnt, dass die schweren Jahre für England noch lange nicht vorbei sind. Das Land wird noch viele Jahre unter den Kriegsfolg­en leiden, bis weit in die 1950er-Jahre hinein wird es Lebensmitt­elkarten geben.

Die Eltern der royalen Teenager sind not amused, als Liz und Margret hinaus wollen. Rupert Everett und Emily Watson spielen George VI., jenen stotternde­n Monarchen, den man aus „The King’s Speech“kennt, und Queen Mum, die schon damals einen Schluck Gin braucht, um auf Betriebste­mperatur zu kommen. Ihre strenge Vorgabe, um zwölf Uhr nachts wieder im Palast zu sein, erinnert ein wenig an die magische Mitternach­t aus Grimm’schen Märchen, und natürlich ist „A Royal Night“ein Märchen, ein Märchen aus einer dunklen Zeit. Und weil Elizabeth nicht gestorben ist, regiert sie ihr treues Volk noch heute. A Royal Night – Ein königliche­s Vergnügen. Regie: Julian Jarrold. Mit Sarah Gadon, Bel Powley, Jack Reynor, Rupert Everett, Emily Watson. Großbritan­nien 2015. 97 Minuten. FSK ab 6.

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FOTO: DPA
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FOTO: CONCORDE Prinzessin Elizabeth ( Sarah Gadon, Zweite von links) mischt sich unter das Volk.

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