Gränzbote

Man redet wieder miteinande­r

US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Wladimir Putin haben am Rande der UN-Vollversam­mlung über Syrien gesprochen

- Von Frank Herrmann und dpa

NEW YORK - Es war ein Handschlag der denkbar kältesten Art. Zwei Sekunden kurz, kein einziges Wort, ein ganz schneller Blick in die Augen nur. Und dann gleich wieder weg hinter die nächste Tür. Bei ihrem ersten gemeinsame­n Kameraterm­in nach langer Pause haben weder US-Präsident Barack Obama noch Kremlchef Wladimir Putin irgendwelc­he Bemühungen gemacht, ihre gegenseiti­ge Abneigung zu verbergen.

Aber immerhin, sie haben wieder miteinande­r geredet, sogar länger als vorgesehen. 94 Minuten saßen Obama und Putin in New York beisammen, um über Syrien zu sprechen. Falls der verfahrene­n Lage überhaupt etwas Positives abzugewinn­en ist, dann vielleicht dies: Der syrische Bürgerkrie­g hat die beiden wieder an einen Tisch gebracht. Den Amerikaner­n zufolge ging es in der ersten Hälfte des Gesprächs um die Ukraine, in der zweiten Hälfte um Syrien.

Viel schlauer ist man nach der Begegnung in beiden Fällen nicht. Putin nannte das Gespräch vor Reportern anschließe­nd „geschäftsm­äßig“, zu seiner Verwunderu­ng aber auch „offen“und „sehr konstrukti­v“. Aus dem Weißen Haus hieß es: „Hier ging es nicht darum, den anderen zu übertrumpf­en. Wir haben ein gemeinsame­s Interesse daran, einen Weg zu finden, wie wir mit der Lage in Syrien umgehen.“Was nichts daran ändert, dass es immer noch enorme Mei- nungsversc­hiedenheit­en über die Strategie gibt – insbesonde­re über die Zukunft von Präsident Baschar al-Assad. Für Putin ist der Machthaber Garant dafür, dass Syrien nicht völlig zerfällt und die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) dort die Oberhand gewinnt. Obama hatte Assad vor der UN-Vollversam­mlung hingegen einen „Tyrannen“genannt, mit dem nach mehr als 250 000 Toten keine Lösung des Bürgerkrie­gs möglich sei.

Doch – zumindest das lässt einen Schimmer der Hoffnung aufscheine­n: Die Präsidente­n beider Länder sind sehr wohl in der Lage, in kühler Sachlichke­it zu kooperiere­n. Der Atomdeal mit Iran ist so ein Fall. Wer gedacht hatte, die Ukraine-Krise würde Putin veranlasse­n, Obama in der Iranfrage Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sah sich eines Besseren belehrt. Der Fall Syrien ist zwar komplizier­ter, doch nicht unlösbar: Hinter den Kulissen, so berichtete am Dienstag die „New York Times“, gibt es schon heftige Diskussion­en, wie lange eine „Übergangsp­eriode“mit einer neu gebildeten Regierung dauern könnte und wie viele Leute aus Assads engerem Umfeld in Damaskus bleiben dürften.

Neue Syrien-Kontaktgru­ppe geplant

Dazu gehören auch Überlegung­en, wie man die internatio­nalen SyrienGesp­räche wieder in Gang bringen kann. Eine der Varianten ist, die Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschlan­d (5+1), die im Som- mer den Atomkompro­miss mit Iran zustande brachte, zum Kern einer neuen Syrien-Kontaktgru­ppe zu machen. Das größere Problem wäre dann allerdings noch, Staaten wie Iran, Saudi-Arabien und die Türkei einzubinde­n. Von einer deutschen Vermittler­rolle im Syrien-Konflikt will Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier deshalb nichts wissen. Deutschlan­d könne aber helfen, „Brücken zu bauen“– zwischen den USA und Russland, aber auch zwischen Syriens vielen zerstritte­nen Nachbarn in der Region.

Obama, der auch deshalb gewählt wurde, weil seine Landsleute nach dem Irak-Abenteuer George W. Bushs dem Nahen Osten den Rücken zukehren wollten, wird nicht der Präsident sein, der seine Soldaten erneut in die Wirren eines nahöstlich­en Bürgerkrie­gs beordert. Vier Jahre nach dem Abzug aus Bagdad ist ein Einmarsch in Syrien schlicht nicht denkbar. Und die Hoffnung, dass anstelle der US-Soldaten Syriens Nachbarn in die Bresche springen, hat sich als Schimäre erwiesen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Ein kurzer, kalter Handschlag: Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama bei ihrem Treffen in New York.
FOTO: IMAGO Ein kurzer, kalter Handschlag: Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama bei ihrem Treffen in New York.

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