Gränzbote

Afghanisch­e Regierung startet Gegenoffen­sive

Armee erobert angeblich Teile von Kundus zurück – Mehr Flüchtling­e in Deutschlan­d erwartet

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KUNDUS/BERLIN (dpa) - Nach dem Fall von Kundus haben afghanisch­e Regierungs­truppen eine Gegenoffen­sive zur Vertreibun­g der Taliban aus der Provinzhau­ptstadt begonnen. „Ich versichere der Nation, dass alles unternomme­n wird, die Kontrolle über die Stadt zurückzuge­winnen“, sagte Präsident Aschraf Ghani am Dienstag in Kabul.

Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus hatten die radikalisl­amischen Taliban die Stadt am Montag überrannt. Kundus ist die erste Provinzhau­ptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständis­chen erobert wurde. Bei den Kämpfen ka- men mindestens 33 Menschen ums Leben. Nach Regierungs­angaben wurden bislang 17 Angehörige der afghanisch­en Sicherheit­skräfte getötet und 18 weitere verwundet.

Nach den Worten des Polizeispr­echers Sajed Sarwar Hussaini sind Regierungs­truppen am Dienstag in die Stadt eingedrung­en: „Wir haben das Polizei-Hauptquart­ier und das Provinz-Gefängnis zurückerob­ert.“Ein US-Militärspr­echer in Kabul sagte, US-Streitkräf­te hätten einen Luftangrif­f in Kundus geflogen. Am Dienstag flog ein kleines Team der Bundeswehr zum Flughafen in Kundus, der unter Regierungs­kontrolle ist. Nach Angaben des Verteidigu­ngsministe- riums in Berlin ging es darum, „zu verstehen, wie die afghanisch­e Armee gedenkt, die Hoheit über die Stadt zurückzuge­winnen“.

Taliban-Chef Mullah Achtar Mohammad Mansur versichert­e, die Aufständis­chen würden „Leben, Besitz und Ehre der respektier­ten Bürger der Stadt Kundus schützen“. In einer Mitteilung Mansurs zur „Befreiung“der Stadt hieß es, die Menschen dort könnten ihr Leben „in Sicherheit“weiterführ­en. Ein TalibanKom­mandeur namens Mullah Usman in Kundus sagte, die Aufständis­chen durchsucht­en Häuser nach Regierungs­mitarbeite­rn und regierungs­freundlich­en Milizionär­en.

Der SPD-Politiker Rainer Arnold forderte angesichts der Eroberung eine Verlängeru­ng des Trainingse­insatzes der Bundeswehr in Nordafghan­istan. Auch die Unionsfrak­tion stellte den Abzug infrage.

Der Leiter der operativen Stabsstell­e beim Land Baden-Württember­g, Hermann Schröder, rechnet wegen der dramatisch­en Lage in Afghanista­n mit weiter steigenden Flüchtling­szahlen. „Gestern fiel Kundus. Das wird enorme Auswirkung­en auf uns haben“, sagte er am Dienstag in Heidelberg. Nach Syrern bilden Afghanen inzwischen die größte Gruppe von Schutzsuch­enden, die in die EU kommen.

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