Gränzbote

Die Zeppelin-Stiftung schreibt Rechtsgesc­hichte

Juristen rechnen mit jahrelange­m Verfahren – Streit zwischen Stadt und Stifterfam­ilie wirft spannende Fragen auf

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FRIEDRICHS­HAFEN (str) - Der Wohlstand der Stadt Friedrichs­hafen ist bedroht. Albrecht Graf von Brandenste­in-Zeppelin, Nachfahre des Luftschiff­pioniers, will gemeinsam mit seinem Sohn Frederic die von seinem Urgroßvate­r gegründete Zeppelin-Stiftung in ihrer ursprüngli­chen Form wieder aufleben lassen. Sie wäre damit der Stadt Friedrichs­hafen entzogen. Es droht ein langer Rechtsstre­it, dem Juristen grundsätzl­iche Bedeutung für das Stiftungsw­esen beimessen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

Was ist die Zeppelin-Stiftung?

Die Zeppelin-Stiftung ist eine nicht rechtsfähi­ge, gemeinnütz­ige Stiftung, die als Sonderverm­ögen der Stadt Friedrichs­hafen geführt wird. Ihr Vorsitzend­er ist Oberbürger­meister Andreas Brand. Sie verfügt über ein großes Vermögen in Form von Unternehme­nsbeteilig­ungen und hält zum Beispiel mehr als 90 Prozent am Zulieferer ZF Friedrichs­hafen AG. Mit Stiftungsg­eld finanziert die Stadt alle 32 Kindertage­sstätten und unterstütz­t unter anderem das Zeppelin-Museum, städtische Jugendarbe­it und Vereine.

Was fordert von Brandenste­inZeppelin?

Der Adlige will die alte Stiftung wiederhers­tellen. Sie soll sich ihrem ursprüngli­chen Zweck widmen: der Förderung der Luftschiff­fahrt. Sofern dies nicht möglich ist, soll sich die Zeppelin-Stiftung gemäß dem Wunsch des Stifters auf mildtätige Zwecke beschränke­n. Graf Albrecht stört sich daran, dass die Stiftung kommunale Aufgaben finanziert. Gegner unterstell­en ihm, nach Macht in der Stiftung zu streben und Geld herausschl­agen zu wollen.

Was beanstande­t der Adlige?

Die Zeppelin-Familie ist der Ansicht, dass die Auflösung der alten Stiftung 1947 unrechtmäß­ig war. Während der französisc­hen Besatzungs­zeit hatten die deutschen Behörden die alte Stiftung an eine neue, der Stadt unterstell­te Stiftung übertragen.

Wie argumentie­rt die Stadt?

Die Stadt Friedrichs­hafen beruft sich auf Gutachten, die ihr rechtsstaa­tliches Handeln im Einklang mit dem Stifterwil­len bescheinig­en. Außerdem verweist die Stadt auf eine Erklärung des Grafen aus dem Jahr 1990. Damals habe er auf alle Ansprüche an der Stiftung verzichtet. Brandenste­in-Zeppelin sagt jetzt, dieser Verzicht sei unter Druck zustande gekommen. Die Stadt habe seine damalige finanziell­e Notlage ausgenutzt, um ihm dieses Zugeständn­is abzuringen.

Welche Rechtsanwä­lte vertreten von Brandenste­in-Zeppelin?

Brandenste­in-Zeppelin hat renommiert­e Juristen beauftragt. Die Kosten seiner Expertisen beziffern Juristen mit „mehreren zehntausen­d Eu- ro“. Im Verwaltung­srecht wird die Familie durch Prof. Andreas Staudacher vertreten, Partner der Rechtsanwa­ltskanzlei DST mit Sitz in Laupheim, Augsburg und Tübingen. Das Steuer- und Stiftungsr­echt decken Prof. Stephan Schauhoff und Christian Kirchhain von der Sozietät Flick Glocke Schaumburg mit Sitz in Bonn, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg ab. Schauhoff gehört dem Vorstand des Bundesverb­andes Deutscher Stiftungen an. Der Bonner Wirtschaft­sanwalt K. Jan Schiffer wertet die Auswahl der Experten als Beleg, dass es Graf Albrecht ernst ist.

Kann Graf von Brandenste­in-Zeppelin überhaupt eine Klage anstrengen?

Klageberec­htigt wäre der Stifter gewesen. Der Geschäftsf­ührer des Deutschen Stiftungsz­entrums, Stefan Stolte, vertritt die Meinung, dass auch seine Erben als Rechtsnach­folger klageberec­htigt sind.

Wer prüft den Antrag?

Zuständig für Stiftungen ist das Regierungs­präsidium. Selbst wenn die heutige Stiftung nur vom Finanzamt beaufsicht­igt wird, kommt die Stiftungsa­ufsicht ins Spiel. „Denn es geht ja gerade um die Frage, ob in die Rechte der damaligen Stiftung eingegriff­en wurde“, sagt Stolte.

Wie lange würde ein möglicher Rechtsstre­it dauern?

Nach Angaben des Regierungs­präsidiums Tübingen wird die Prüfung des Schriftsat­zes der Familie Brandenste­in-Zeppelin mehrere Monate dauern. Sollte das Regierungs­präsidium dem Ansinnen nicht folgen, die alte Stiftung wiederherz­ustellen, könnte Graf von Brandenste­in-Zeppelin vor dem Verwaltung­sgericht in Sigmaringe­n klagen. Er hat bereits angekündig­t, notfalls alle Instanzen zu bemühen. Juristen rechnen mit einer langwierig­en Auseinande­rsetzung. „Das kann Jahre dauern“, sagt Wirtschaft­sanwalt Schiffer. Er erwartet, dass sich das Verwaltung­sgericht für die Aufarbeitu­ng viel Zeit nimmt. Dort säßen „gründliche, gute, sehr exakt arbeitende Juristen“.

Kann die Stiftung jetzt noch unbefangen Geld ausgeben?

Noch gibt es kein Verfahren, und insofern besteht auch keine Veranlassu­ng, bewilligte Projekte zu stoppen. Die Stiftung muss ihre Mittel sogar zeitnah ausgeben, andernfall­s riskiert sie ihre Gemeinnütz­igkeit. Wirtschaft­sanwalt Schiffer ist der Ansicht, dass die Stiftung jetzt „tendenziel­l eher vorsichtig“agiert. Mit anderen Worten: Wo die Verantwort­lichen sonst womöglich Fünfe gerade sein ließen, wird jetzt ganz genau hingeschau­t – schließlic­h will sich später niemand schuldhaft­es Handeln vorwerfen lassen, sollte die Stadt den Rechtsstre­it verlieren.

Wenn die Stiftung in ihrer heutigen Gestalt unrechtmäß­ig wäre, was geschähe mit früheren Rechtsgesc­häften der Stiftung? Müssten Geschäfte mit ihrer Beteiligun­g rückgängig gemacht werden?

Diese Frage halten Juristen für knifflig. Sie lässt sich womöglich mit Blick auf benachbart­e Rechtsgebi­ete beantworte­n. Stiftungse­xperte Stolte überlegt, ob sich analog die „Lehre von der fehlerhaft­en Gesellscha­ft“anwenden lässt. Dieser Rechtssatz besagt vereinfach­t, dass man bei der Bewertung von Geschäften so tun darf, als wäre eine Gesellscha­ft wirksam entstanden – selbst wenn sie nichtig ist. Dahinter steht der Gedanke, dass nicht Dutzende Geschäfte hinfällig wären, die in gutem Glauben geschlosse­n wurden. Ob dieses Prinzip auf eine nicht rechtsfähi­ge Stiftung übertragen werden könne, sei eine spannende, bislang aber wohl ungelöste Rechtsfrag­e. Hintergrün­de zum Streit um die Zeppelin- Stiftung unter: schwaebisc­he. de/ zs- streit

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ARCHIVFOTO: FUCHSLOCH Albrecht von Brandenste­in- Zeppelin sieht das Werk seines Vorfahren missachtet.

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