Gränzbote

Zöllner jagen Mindestloh­n-Betrüger

Kontrollen im Transportg­ewerbe werden verstärkt

- Von Jürgen Ruf

LÖRRACH (dpa) - Ralf Eckert und Joachim Köpfer brauchen für ihre Entscheidu­ng nicht einmal eine Sekunde. Der weiße Kleintrans­porter biegt rasant um die Ecke. Die beiden Zollbeamte­n, die am Fahrbahnra­nd stehen, folgen ihrem Gefühl. Und winken den Fahrer des Transporte­rs runter von der Straße auf einen Parkplatz. Eckert und Köpfer jagen für den Zoll Betrüger – im Blick haben sie auch den flächendec­kenden Mindestloh­n. Ihr Schwerpunk­t ist das Transportg­ewerbe. Dort, sagen die Zöllner, gibt es besonders häufig Verstöße.

„Für die Beschäftig­ten, gerade in dieser Branche, ist der Mindestloh­n ein Segen“, sagt Eckert. Der 38-jährige Zollamtsin­spektor ist Einsatzlei­ter bei der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit des Zolls. Er kontrollie­rt mit seinen Kollegen in Betrieben und auf der Straße. Speditione­n hat er ebenso im Blick wie Kurier-, Transportu­nd Paketdiens­te. Bekamen die Fahrer dort früher fünf bis sieben Euro die Stunde, haben sie nun Anspruch auf 8,50 Euro Mindestloh­n. Doch Eckerts Erfahrung ist: „Die Trickserei­en haben zugenommen.“

Trickserei bei den Arbeitszei­ten

Seit in Deutschlan­d seit Jahresbegi­nn flächendec­kend der gesetzlich festgelegt­e Minimalloh­n in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde gilt, überwacht der Zoll dessen Einhaltung. Fündig werden die Ermittler wie Eckert und Köpfer häufig. Sie arbeiten beim Hauptzolla­mt in Lörrach. Zur Kontrolle haben sie sich an einer Bundesstra­ße bei Schönau im Schwarzwal­d postiert. Schon der erste Wagen ist ein Treffer. Der Fahrer eines Paketdiens­tes bekommt zwar offiziell den Mindestloh­n. Doch bei den Arbeitszei­ten stimmt was nicht. Laut seinen Papieren hat er an diesem Tag vier Stunden gearbeitet – in dieser Zeit mit dem Kleintrans­porter aber 900 Kilometer zurückgele­gt. Es stellt sich heraus: Die Angaben zu den Arbeitszei­ten sind gefälscht, der Mindestloh­n wird so umgangen. Statt 8,50 Euro, die ihm zustehen, bekommt der Fahrer – umgerechne­t auf seine wirkliche Arbeitszei­t – gerade einmal fünf Euro pro Stunde.

„Der Einfallsre­ichtum vieler Arbeitgebe­r ist groß“, sagt Eckerts Kollege Köpfer (53). Die Kurier- und Paketbranc­he stehe unter einem enormen Zeit- und Preisdruck, die Konkurrenz sei groß. Viele Firmen setzten einen oder mehrere Subunterne­hmer ein, oft über Nationen verteilt. „Der Fahrer ist das letzte Glied in der Kette“, sagt Eckert: „An ihm wird häufig gespart. Einer muss die Zeche ja zahlen.“Vom Boom der Branche, ausgelöst auch durch den wachsenden Internetha­ndel, hätten die Beschäftig­ten so wenig.

Besonders schauen die Zöllner auf die Arbeitszei­ten. So wie bei einem anderen Paketfahre­r, der in die Kontrolle fährt. Auch er bekommt 8,50 Euro pro Stunde. Der Haken: Nur wenn er Pakete ausliefert, lässt sein Chef dies als Arbeitszei­t gelten. Die kilometerr­eiche Fahrt vom Depot in sein Auslieferg­ebiet und zurück sowie das Beladen des Fahrzeugs sind Freizeit. Das drückt den Lohn. Auch in einem anderen Fall: Der Fahrer erhält zwar Mindestloh­n. Doch er muss für das Paketauto „Miete“zahlen, diese wird vom Lohn abgezogen – ein Gesetzesve­rstoß.

Baden-Württember­g an der Spitze

Gibt es einen Verdacht, geht der Zoll in die Betriebe und schaut in die Bücher. Im ersten halben Jahr nach der Einführung des Mindestloh­ns hat der Zoll nach Angaben des zuständige­n Bundesfina­nzminister­iums deutschlan­dweit 146 Ermittlung­sverfahren eingeleite­t. Baden-Württember­g liegt demnach mit 31 eingeleite­ten Verfahren an der Spitze.

„Unsere Kontrollen dienen dazu, Gerechtigk­eit herzustell­en“, meinen Eckert und Köpfer, die Zöllner im Schwarzwal­d. Die Kontrollen im Transportg­ewerbe werden ein Schwerpunk­t bleiben.

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FOTO: DPA Auf der Suche nach Mindestloh­nverstößen: Zolloberin­spektor Joachim Köpfer stoppt bei Schönau im Schwarzwal­d einen Transporte­r.

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