IG Metall will VW nicht die Hand reichen
„Wir zahlen nicht für eure Krise“– Gewerkschaft rechnet auch für Zulieferer mit Folgen
FRANKFURT/MAIN - In Belgien will man Ökoprämien für VW-Diesel zurück, auch Schadensersatz für die Luftverschmutzung. Die EU-Industriekommissarin lässt den Markenchef von VW vorsprechen. In Ungarn sorgt sich die Regierung, was wohl aus den Motorenfabriken des VW-Konzerns im Land werde. Die Zeichen mehren sich, dass es teuer werden könnte für VW und die wirtschaftlichen Folgen der Manipulationen groß ausfallen. Die IG Metall will dabei nicht die Hand reichen.
Ihr Vorsitzender Detlef Wetzel beschreibt die Lage so: „VW ist in schwerem Fahrwasser. Das wird auch wirtschaftliche Konsequenzen haben für VW und auch die Zulieferbetriebe“, so Wetzel am Montagabend vor Journalisten in Frankfurt. Aber das sei nicht Sache der Gewerkschaft: „Wir sagen ganz deutlich: Wir zahlen nicht für eure Krise.“Das habe schon bei der Finanzkrise gegolten. Das gelte nun auch für VW: „Wir wollen die Folgen eurer kriminellen Machenschaften nicht durch Arbeitsplatzabbau oder durch schlechte Löhne oder durch schlechte Arbeitsbedingungen bezahlen“, sagte Wetzel. Das werde die Stoßrichtung der IG Metall sein.
Starke Mitbestimmung
Dass VW ein stark mitbestimmtes Unternehmen ist, die IG Metall derzeit dort sogar den interimistischen Aufsichtsratsvorsitzenden stellt, ficht ihn nicht an. Die Hälfte der Aufsichtsräte entfällt bei VW auf die Arbeitnehmerbank – das ist Gesetz. Aber in einem Punkt ist VW doch stärker mitbestimmt als andere Unternehmen der Metallindustrie: Bei VW kann kein Werk geschlossen werden, ohne dass die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat zustimmt. Das ist der Kern der hier besonderen Mitbestimmung. Eine Mitverantwortung der IG Metall für die aktuelle Krise leite sich daraus jedoch nicht ab, sagte Wetzel. Der Aufsichtsrat entscheide über Investitionen, aber nicht darüber, welche Komponenten in einem Auto verbaut würden. Natürlich müssten sich alle Aufsichtsräte fragen, warum sie nichts gewusst haben. Aber eine Verantwortung der Arbeitnehmer gebe es nicht. Es sei nicht die Putzfrau oder der Bandarbeiter gewesen, der den Auftrag für die Manipulation der Motorsteuerung gegeben habe.
Die IG Metall sieht sich in der Autobranche, so ihr Zweiter Vorsitzender Jörg Hofmann, „gut verankert“. Immerhin 80 Prozent der Beschäftigten im Fahrzeugbau unterliegen der Tarifbindung, bei VW mit einem in der Regel mit besseren Konditionen ausgestatteten Haustarifvertrag. Die starke Stellung der IG Metall bei VW wird auch darin deutlich, dass selbst Zeitarbeiter über eine hauseigene Firma, die AutoVision Zeitarbeit, rekrutiert werden. Prokura hat dort ei- ne Frau, die früher die Personalentwicklung bei der IG Metall geleitet hat. Außerdem drängt die IG Metall seit Längerem durchaus mit Erfolg darauf, auch für Zeit- und Werkverträge Tarifverträge abzuschließen.
Wie es wirklich aussieht, wenn es Spitz auf Knopf steht, ist offen. Auf die übliche Haftpflichtversicherung ihrer Manager wird sich VW kaum verlassen können. Das Unternehmen hat für den aktuellen Fall 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Die Managerhaftpflicht decke bei großen Unternehmen aber nur rund eine halbe Milliarde Euro ab, sagte Michael Kramarsch, Gründer und Partner der Unternehmensberatung HKP.Group. Offenbar nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein: „Die Schadenssummen, die im Moment bei Volkswagen kolportiert werden, sind sicherlich weit über jedem Versicherungsschutz.“Nach den Folgen gefragt, sagte Kramarsch: „Letztendlich landet der Schaden beim Unternehmen.“
VW könnte seine Investitionen strecken und seine noch üppige Liquidität von knapp 30 Milliarden Euro angreifen. Dennoch können sich Analysten Kurzarbeit zur Weihnachtszeit bei VW schon jetzt vorstellen.