Hauseigentümer laufen Sturm gegen Leerstandsbußgelder
Kretschmann verteidigt geplantes Zweckentfremdungsverbot – CDU beklagt DDR-Staatswirtschaft
STUTTGART - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (beide Grüne) im Streit um Bußgelder für leer stehende Wohnungen den Rücken gestärkt. Kuhn will in der Landeshauptstadt ein Zweckentfremdungsverbot einführen. Damit drohen Eigentümern, die Wohnungen länger als sechs Monate leer stehen lassen, Geldbußen von bis zu 50 000 Euro. Die Tipps sollen von den Nachbarn kommen. Kritiker geißeln das als „enteigungsgleichen Eingriff“. Thomas Bareiß, CDU-Bezirkschef von Württemberg-Hohenzollern, fühlt sich an die „DDR-Staatswirtschaft“erinnert. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von Kuhns „Panikreaktion aus Hausbesetzerzeiten“.
Land kippt Flächenfraßziele
Kretschmann empfahl den Kritikern am Dienstag, „doch mal einen Blick ins Grundgesetz zu werfen“. Dort heißt es in Artikel 14: „Eigentum verpflichtet“. Wenn eine Stadt den Eigentümer verpflichte, mit Vermietungen Geld zu verdienen, sei das „nicht gerade der schlimmste Anschlag auf die Freiheit des Einzelnen, über sein Eigentum zu verfügen“, sagte Kretschmann. „Da sollte man die Kirche im Dorf lassen.“Der Ministerpräsident kündigte an, dass man angesichts des Flüchtlingszustroms schnell viel Wohnraum brauche. „Es muss zügig und sehr viel gebaut werden“, sagte Kretschmann. Darum werde man gesetzliche Grundlagen „durchscannen“und auch die bisherigen Flächenverbrauchsziele revidieren.
Und eben auch dem Leerstand nachspüren: Ende 2013 hatte die grün-rote Landesregierung Kommunen mit Wohnungsmangel die Möglichkeit des „Zweckentfremdungsverbots“erneut an die Hand gegeben. Wenn der Gemeinderat es beschließt, können die Städte so gegen eine Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen vorgehen – oder eben gegen Leerstände.
Bisher hat nur das vom grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon regierte Freiburg das Verbot umgesetzt. Seit 2014 hat die Stadt mehr als 200 Verfahren eingeleitet – aber noch kein Bußgeld verhängt. „Man hofft, dass schon die Drohung hilft“, sagte Kretschmann. Auch mit Blick auf Tübingen, wo der (ebenfalls grüne) Oberbürgermeister Boris Palmer angesichts der Flüchtlingskrise eine Beschlagnahmung von Privateigentum ins Spiel gebracht hatte – und danach Wohnungsangebote erhielt.
Keine nützlichen Idioten mehr
Die Eigentümer sind empört: Der Stuttgarter Grundbesitzerverein „Haus & Grund“setzte am Dienstag die Zusammenarbeit im örtlichen „Bündnis für Wohnen“aus. Vereinschef Klaus Lang erklärte, die Häuslebesitzer seien nicht mehr die „nützlichen Idioten“Kuhns. Wer als Oberbürgermeister Nachbarschaften zu „Denunziationen aufruft, ist abartig und neben der Kapp“, schimpfte Lang. Er warnte vor einer Kultur des Misstrauens, wenn Eigentümer um die für den Sohn reservierte Einliegerwohnung fürchten müssten.
Lang erklärte, es gebe keine sachlichen Gründe für Kuhns Vorstoß, Aufwand und erwarteter Ertrag von 1000 Wohnungen passten nicht zusammen. Kuhn forciere das Thema nur aus einem Grund, sagt Lang: „Es geht um den Landtagswahlkampf. Anders lässt sich das nicht erklären.“