Gränzbote

Nur Ovtcharov ist zu wenig

Während die deutschen Frauen den EM-Titel feiern, scheitern die Männer überrasche­nd an Österreich

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JEKATERINB­URG (dpa/SID/sz) - Ohne den verletzten Rekord-Europameis­ter Timo Boll ist die Rückkehr von Deutschlan­ds Tischtenni­s-Herren auf den EM-Thron gescheiter­t. Das von Einzel-Champion Dimitrij Ovtcharov angeführte Team verlor das Finale in Jekaterinb­urg unerwartet mit 2:3 gegen Österreich und belegte wie im Vorjahr Platz zwei. Als der Österreich­er Stefan Fegerl das dramatisch­e Marathon-Match am Dienstag nach mehr als vier Stunden mit dem letzten Punkt gegen Patrick Baum beendete, schauten Bundestrai­ner Jörg Roßkopf und die Spieler ziemlich bedröppelt rein.

„Das ist schon sehr enttäusche­nd. Wir hatten uns gut vorbereite­t, aber es haben wohl etwas die Nerven und Kondition gefehlt“, urteilte der zweimal siegreiche Ovtcharov. Die Punkte des Olympiadri­tten waren zu wenig, Silber fühlte sich für die meisten wie Blech an. Auch das siebte EMGold der deutschen Frauen, die zuvor ihr Finale gegen Rumänien glatt mit 3:0 gewonnen hatten und auf der Tribüne der Messehalle die Daumen drückten, war kein Trost.

„Gratulatio­n an Österreich und Hut ab. Das ist eine schmerzlic­he Niederlage“, erklärte der neue DTTB-Sportdirek­tor und frühere Bundestrai­ner Richard Prause. „Für uns kann das nur ein Ansporn sein. Wir müssen richtig Gas geben.“Prause hatte zuvor einige Jahre als Cheftraine­r an der Werner-SchlagerAk­ademie in Schwechat die meisten Österreich­er trainiert.

Leitwolf Ovtcharov rang zwar Österreich­s Top-Leute Robert Gardos und Stefan Fegerl nieder, seine Mitstreite­r Patrick Baum und Patrick Franziska aber enttäuscht­en. Bei dem permanente­n Auf und Ab ver- gab Baum gegen Gardos einen Matchball, Ovtcharov wehrte gegen Fegerl einen Matchball ab und auch Franziska klaute Daniel Habesohn zwei Matchbälle, ehe er doch in fünf Sätzen unterlag. Für Baum, der früher klar der drittbeste Deutsche war und seit Sommer für Caen spielt, war das Finale ein Rückschlag. Vor einem Jahr war sein Vater tödlich verunglück­t. Baum überlegte, seine Karrie- re zu beenden, meldete sich schließlic­h mit starken Leistungen bei den Europaspie­len im Sommer in Baku zurück und musste nun feststelle­n, dass er noch lange nicht der Alte ist.

Bundestrai­ner Jörg Roßkopf war jedenfalls frustriert: „Natürlich ist es ein großer Unterschie­d, ob Timo dabei ist. Aber wir hatten auch so unsere Möglichkei­ten. Letztlich war Österreich aber einen Tick besser.“Die Österreich­er vollführte­n nach ihrem ersten EM-Sieg einen Freudentan­z, wie ihn die Deutschen von 2007 an sechsmal in Folge aufgeführt hatten. Ovtcharov sah seine Warnung vor der WM bestätigt. „Mit Timo sind wir in Europa sicher unschlagba­r, aber ohne ihn waren wir zumindest nicht der absolute Favorit. Das hat sich im Endspiel auch deutlich gezeigt, auch wenn es etwas unglücklic­h gegen uns gelaufen ist.“

Han und Shan legen vor

Die deutschen Frauen waren eine Klasse für sich – allerdings mithilfe zweier eingebürge­rter Chinesinne­n. Das Endspiel gegen Rumänien war eine Neuauflage von 2013, doch diesmal hatten die Rumäninnen keine Chance, den Titel-Hattrick zu verhindern. „Alle drei Titel sind für mich gleichwert­ig, aber wir sind mental deutlich stärker geworden“, erklärte Spitzenspi­elerin Han Ying, die seit 2013 für den DTTB spielt. Die Nummer 11 der Weltrangli­ste und die Berlinerin Shan Xiaona holten eine schnelle 2:0-Führung heraus, ehe Petrissa Solja mit einem Fünf-Satz-Sieg den Schlusspun­kt setzte. Die 21-jährige German-Open-Siegerin blieb mit einer 6:0-Bilanz als einzige Deutsche ungeschlag­en. „Wir sind sehr selbstbewu­sst geworden“, freute sich Bundestrai­nerin Jie Schöpp.

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FOTO: DPA Nicht sein Tag: Patrick Baum verlor seine beiden Einzel gegen Österreich.
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