Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zunehmend religiös geprägt
Netanjahu lehnt internationale Aufsicht über den Tempelberg ab – USA wollen vermitteln
JERUSALEM - Erneut hat sich der israelisch-palästinensische Konflikt an heiligen Stätten aufgeladen. Diesmal war es das Josefgrab, eine Enklave in der Westbank-Stadt Nablus, wo am Sonntagmorgen nationalreligiöse Juden und aufgebrachte Muslimen zusammenstießen. Einige Pilger wurden geschlagen, ein Auto ging in Flammen auf. Abgesehen davon endete der Vorfall, der leicht in einen Lynchmord hätte münden können, glimpflich. Die palästinensische Polizei übergab fünf israelische Aktivisten der Armee – ein Zeichen, dass nach wie vor die Sicherheitskoordination trotz anhaltender Gewaltwelle funktioniert.
Die 30Talmud-Studenten hatten sich eigenmächtig auf den Weg gemacht, ohne wie sonst üblich, grünes Licht von der Armee einzuholen. Of- fenbar wollten sie die Grabstätte, in dem nach jüdischem Glauben Josef, einer der biblischen Patriarchen, sei- ne letzte Ruhe fand, renovieren. Das Mausoleum war am Freitag von einer Horde aufgebrachter palästinensischer Jugendlicher angezündet worden. Das Feuer hatten palästinensische Polizisten gelöscht, der Schaden begrenzte sich auf den Frauentrakt im Gebetsraum. Auch hatte Präsident Mahmud Abbas den Brandanschlag auf eine religiöse Stätte in palästinensischem Autonomiegebiet verurteilt und eine Untersuchung anberaumt.
Doch nichts scheint den Konflikt so sehr anzustacheln wie die religiösen Reibungspunkte. Neben dem Josefgrab in Nablus betrifft das vor allem den Jerusalemer Tempelberg mit der al-Aksa-Moschee sowie die Machpela in Hebron, unter der die Grabhöhle von Abraham, des Stammesvaters aller drei Weltreligionen, liegen soll. In Hebron, wo mehrere Hundert radikale jüdische Siedler in- mitten Tausender Palästinenser leben, geschahen laut israelischen Angaben allein am Samstag drei Messerattacken. Zwei Soldaten wurden teils leicht verletzt, zwei palästinensische Täter erschossen, ein dritter schwer verwundet. Zwei weitere Angreifer wurden in Jerusalem getötet, als sie an einer Polizeikontrolle, beziehungsweise einem Militärcheckpoint ein Messer zückten. In einem Fall war der Täter gerade 16 Jahre alt.
Immer mehr jüdische Aktivisten
Einen Vorschlag aus Frankreich, internationale Beobachter zur Deeskalation der Lage auf den Tempelberg zu schicken, stieß in Israel auf scharfe Ablehnung. Premier Benjamin Netanjahu wies einen im UN-Sicherheitsrat eingebrachten und von der PLO unterstützten Entwurf empört zurück, da darin nicht einmal der palästinensische Terror erwähnt sei. „Israel ist nicht das Problem auf dem Tempelberg, es ist die Lösung“, sagte Netanjahu. Im Unterschied zu Islamisten sorge Israel für den Erhalt des Status Quo. Allerdings verzeichnen jüdische Tempelberg-Aktivisten schon länger Zulauf. Allein 2014 besuchten über 10 000 jüdische Israelis, unter ihnen zahlreiche Ultrarechte, das Moscheenareal mit al-Aksa und Felsendom.
Treffen in Berlin
Dennoch scheint die internationale Diplomatie angesichts des akuten Gewaltausbruchs in Gang zu kommen. US-Außenminister John Kerry telefonierte am Wochenende sowohl mit Netanjahu als auch mit Abbas. Verabredet wurde ein Treffen zwischen Kerry und Netanjahu am Mittwoch in Berlin, wo Israels Premier auch die Bundeskanzlerin sprechen wird.