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Jubiläumsausstellung „Dialog der Meisterwerke“im Frankfurter Städel stellt außergewöhnliche Bezüge her
FRANKFURT - „Dialog der Meisterwerke“heißt die neue Ausstellung im Städel. Vor 200 Jahren hat der Frankfurter Kaufmann, Bankier und Sammler Johann Friedrich Städel (1728-1816) der Öffentlichkeit sein Erbe vermacht: 500 Gemälde, 2000 Drucke und Grafiken, der Grundstock für das heutige Museum. Dem Haus am Mainufer hat das Jubiläum schon jetzt einen Besucherrekord beschert, bevor die eigentliche Jubiläumsausstellung beginnt.
Die ist außergewöhnlich: 40 Meisterwerke des Städel haben bis Januar 2016 Besuch von weiteren Meisterwerken aus anderen Museen oder privaten Sammlungen, die in einer besonderen Beziehung zu dem Frankfurter Bestand stehen. Die Gegenüberstellungen sind im ganzen Haus inszeniert, auf allen Ebenen, in allen Epochen.
Goethe in zahlreichen Varianten
Das populärste Bild des Städel ist Tischbeins „Goethe in der Campagna“von 1787, auf das die Besucher vom Eingang aus gleich zugehen. Jetzt ist die Blickachse unterbrochen durch einen Pavillon, aber der erweist dem Bild vielfältig Reverenz. Andy Warhols poppig bunter Goethe-Kopf mit dem großkrempigen Hut gehört ohnehin schon zum Haus und ist nur vom Keller emporgestiegen. Er trifft auf kleinformatige, aber auflagenstarke Referenzen: allerlei Titelseiten mit Verballhornungen des Tischbein-Bildes wie der Duckomenta, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“im März zum Städel-Jubiläum erschien: Eine Goethe-Ente mit Schnabel und Watschelfuß, hingegossen in der RömerPose des berühmtesten Frankfurters.
Die Verhältnisse, zu denen das Bild aus dem Sammlungsbestand des Städel und das angereiste Partnerbild stehen, sind freilich nicht immer so unmittelbar. Manchmal erkennt man zwar auf Anhieb: Hier ist das Motiv gleich (Arnold Böcklins Versionen der „Villa am Meer“), hier gehören sie zu einem gemeinsamen Motivkomplex (Edgar Degas’ Blicke aus dem Orchestergraben auf die Tänzerinnen auf der Bühne) oder zu einer ganzen Werkserie (Vilhelm Hammershois „Interieurs“seiner Kopenhagener Wohnung). Manchmal stand dasselbe Modell Modell (Peruginos „Madonna“und „Heilige Margarete“; Rembrandts graue und rote Zeichnung „Sitzender Greis“).
Klosteraltar wieder komplett
Nicht immer ist die Verwandtschaft offensichtlich, oft steckt sie in der Geschichte. Gleich das erste Kunstwerk ist ein Beispiel dafür, der Altar des Klosters Altenberg an der Lahn, Werk eines Rheinischen Meisters um 1330. Wie bei den Klöstern in Oberschwaben wurde auch rechts des Rheins in der Zeit nach Napoleon der Kirchenbesitz unter dem Adel üppig verteilt. Das Fürstenhaus, das in den Besitz des Stifts gelangte, zerlegte den Altar und verkaufte die Bestandteile einzeln, nicht gleich, erst in den Jahren nach 1916. In diesem „Akt von Vandalismus“, wie 1927 in der Zeitung zu lesen war, gingen die Einzelteile an unterschiedliche Besitzer. Nun ist der Altar nach langwieriger Vorarbeit wieder zusammengesetzt und komplett zu sehen, erstmals seit 1802.
Auch die beiden Schönheiten, die für die Jubiläumsausstellung auf den Plakaten werben, sind als Paarung nur aus der Wirkungsgeschichte heraus erklärbar. Botticellis „Simonetta“(1480) aus der Schirn und Dante Gabriel Rosettis „Fazios Mistress„ (1863) aus der Londoner Tate sind beides Ikonen ihrer Sammlungen. Nur war die Beziehung Rosettis auf Botticellis Porträt bislang noch kein Thema. Kurator Bastian Eclercy hat sie erst in der Vorbereitung der Ausstellung entdeckt und beschreibt sie im Katalog. Rosetti, der englische Maler mit italienischen Vorfahren, war ein Bewunderer Botticellis und sammelte Druckgrafiken von dessen Werken. Botticellis Kunst war nach Jahrhunderten der Vergessenheit gerade Mitte des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt worden.
Die Jubiläumsausstellung unterstreicht die Stärken des Hauses. Das auf den Gründer zurückgehende Konzept einer exemplarischen Sammlung macht es dem Museum möglich, über eine so weite Strecke der Kunstgeschichte mitzuhalten, wenn es darum geht, Kunstwerke von international vergleichbar hohem Rang zu präsentieren. Beispiele sind die beiden kleinen Andachtsbilder (1430) mit Goldhintergrund von Fra Angelico: die beiden Madonnen mit Kind, das eine aus dem Städel, das andere aus dem Vatikan.
Diese Ausstellung ist für die Besucher anspruchsvoll, weil sie sich nicht nur innerhalb einer Epoche oder eines thematischen Zusammenhangs bewegen. Eigentlich müsste man diese 40 Paare einzeln besuchen. In diesem Fall ist das Nachlesen im Katalog weniger relevant als die Vorbereitung auf die Bildkonstellationen, die man vor allem sehen will. Daher bietet das Städel Vorabinformationen in vielfältiger elektronischer Form, sei es über die sozialen Netzwerke oder mit dem hauseigenen Digitorial.