Abschied von der Willkommenskultur
Es ist so eine Sache mit der Will
● kommenskultur. Eigentlich steht jetzt schon fest, dass der doch reichlich überstrapazierte Begriff in ein paar Monaten gekürt wird – wahlweise zum „Wort des Jahres“oder zum „Unwort des Jahres“. Egal, jedenfalls war die angemessene Form der Begrüßung nun auch ein beherrschendes Thema in der Bundesliga.
In Hamburg, beim sportlich wenig
● erbaulichen 0:0 gegen Leverkusen, fielen Teile der HSV-Anhängerschaft völlig aus der Rolle. Dass die Fans dem türkischen Nationalspieler Ha
kan Calhanoglu seinen Wechsel im Sommer 2014 zu Bayer noch nicht verziehen haben, ist durchaus verständlich. Der heute 21-Jährige hatte sich vor seinem Transfer in Hamburg wegen „psychischer Probleme“krankschreiben lassen, um dann wenig später im Rheinland erstaunlich fit anzugreifen. Unschön das Ganze, doch mit ein paar Pfiffen sollte es dann auch getan sein! Stattdessen bewarfen Unverbesserliche den Türken, von Bayer-Coach Roger
Schmidt zunächst mit Bedacht auf die Bank gesetzt, beim Aufwärmen mit Feuerzeugen und Bierbechern. Als sogar Aufrufe des Stadionsprechers nicht fruchteten, schickte Schiedsrichter Tobias Welz Calha- noglu und Bayers Ersatzspieler auf die andere Seite des Volksparkstadions. „Das habe ich auch noch nicht erlebt“, sagte Schmidt. Auch Jonathan Tah, diesen Sommer von der Elbe an den Rhein gewechselt, musste Buh-Rufe ertragen. „Mit Pfiffen muss man klarkommen“, sagte der 19-Jährige, „was darüber hinausging, war unsportlich und respektlos.“Kein Wunder, dass sich Calhanoglu selbst gar nicht äußern wollte. Kopfschüttelnd verließ er Platz und Stadion.
Etwas harmloser, aber immer noch
● mit massiver Ablehnung waren am Freitagabend die Anhänger von Mainz 05 ihrem früheren Trainer
Thomas Tuchel begegnet. Auch des- sen Abgang im Jahr 2014 war – gelinde gesagt – seltsam. Nun kehrte er erstmals als Coach von Borussia Dortmund an die alte Wirkungsstätte zurück. Allerdings zeigten sich jene FSV-Anhänger, die anfangs noch gepfiffen hatten, was die Finger hergaben, weitaus versöhnlicher. Als sich Tuchel nach dem Abpfiff über das hart erkämpfte 2:0 seiner Mannschaft freute und in der Arena die Faust ballte, blieben die erwarteten Unmutskundgebungen aus. Drei Punkte konnte Tuchl mitnehmen – und die Erkenntnis, dass ihn vor allem Harald Strutz nicht mehr leiden kann. Augenzeugen berichten, dass der FSV-Präsident, der schon vor der Partie über Tuchel geschimpft hatte („Es haben Gespräche mit anderen Vereinen hinter unserem Rücken stattgefunden und da fehlte mir einfach der Respekt“), den Ex-Trainer in den Katakomben des Stadions keines Blickes würdigte.
Schwierig könnten für Strutz künf
● tig auch Gastspiele von Schalke 04 werden. Die Gerüchte, Christian
Heidel werde kommende Saison in Gelsenkirchen Nachfolger von Sportchef Horst Heldt, sind jedenfalls noch nicht verstummt. Im Gegenteil. Ex-Nationalspieler Heldt, auf Schalke seit Juli 2010 im Amt, deutete nach dem knappen 2:1 gegen zehn Herthaner – Ex-VfB-Stürmer
Vedad Ibisevic hatte nach einem brutalen Tritt gegen den späteren Matchwinner Max Meyer früh Rot gesehen – an, dass er einer Demission zuvorkommen könnte. „Ich bin
hier aufrecht reingegangen, und ich gehe auch aufrecht wieder hier raus“, sagte der 45-Jährige und fügte hinzu: „Wann das sein wird, werden wir sehen.“Und zwar bald. Denn am Sonntag sagte Heldt im „Doppelpass“von Sport1: „Ich werde mich noch in dieser Woche mit Clemens
Tönnies (Schalkes mächtigem Aufsichtsratschef, die Red.) zusammensetzen. Diese Woche wird eine Entscheidung verkündet.“Er selbst habe sie für sich „schon getroffen“.
Wohl dem, der selbst entscheiden
● kann, ob er bleiben darf oder nicht. Mönchengladbachs André Schu
bert arbeitet derzeit fleißig daran, seine aktuelle Berufsbezeichnung „Interimstrainer“um acht vorangestellte Buchstaben zu verkürzen. Mit dem 5:1 bei Eintracht Frankfurt betrieb er wieder einmal beste Eigenwerbung. Manager Max Eberl, zunächst rigoros gegen Schubert als Dauerlösung, scheint nun auch nicht mehr abgeneigt, ihm ein Bleiberecht einzuräumen. „Ich schließe gar nichts mehr aus im Fußball“, sagte Eberl. „Was André macht, ist herausragend – und Argumentation genug.“
Sorgen muss man sich allerdings
● um Eintracht-Trainer Armin Veh machen. Sollte er die nächsten drei Partien auch noch verlieren, stünde seine Eintracht nach zwölf Spieltagen mit neun Punkten da. Und was macht der Trainer Veh nach dem zwölften Spieltag, wenn sein Team nur mickrige neun Pünktchen gesammelt hat? Exakt, er geht.