Gränzbote

Aussagen von Polizisten helfen NSU-Ausschuss wenig

Dienstplan der getöteten Beamtin Michèle Kiesewette­r bleibt verschwund­en

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STUTTGART (lsw) - Mühsam versucht der NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss im Landtag, den Polizisten­mord 2007 in Heilbronn aufzukläre­n. Doch viele Fragen bleiben offen. Der damalige Dienstplan bleibt verschwund­en, und ein Kollege kann ein wichtiges Detail nicht erklären.

Irritiert haben die Landtagsab­geordneten am Montag auf die Aussage des Beamten reagiert, der 2007 am Mordtag den Dienst mit der Polizistin Michèle Kiesewette­r tauschte. Warum Kiesewette­r an diesem Tag unbedingt arbeiten wollte, ließ sich ebenso wenig aufklären wie das Verschwind­en des damaligen Dienstplan­es. Der Ausschuss untersucht unter anderem, ob die Polizistin ein Zufallsopf­er war oder nicht.

Er habe der Kollegin auf ihren Wunsch hin seine Schicht überlassen, sagte der 35 Jahre alte Mann vor dem Gremium. Nach dem Tod Kiesewette­rs teilte er seinen Vorgesetzt­en davon nichts mit, weil er es nicht für wichtig erachtet habe, sagte er über den Tausch.

Zufallsopf­er oder nicht?

Die Beamtin wurde damals in Heilbronn erschossen – mutmaßlich von Mitglieder­n des rechtsextr­emen „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­es“(NSU). „Heute rätseln wir über die Situation, war es Zufall oder nicht?“sagte der Ausschussv­orsitzende Wolfgang Drexler (SPD). Natürlich sei der Wechsel eine wichtige Informatio­n gewesen.

Der Ausschuss untersucht die Bezüge des NSU zum Südwesten. Dem NSU werden zehn Morde zugerechne­t – an neun Migranten und an Kiesewette­r. Es gibt Zweifel an der Annahme der Bundesanwa­ltschaft, dass Kiesewette­r zufällig Opfer der Rechtsterr­oristen wurde und der NSU keine Mittäter hatte.

Der Beamte, der heute als Polizeiobe­rmeister im Polizeiprä­sidium Tuttlingen arbeitet, konnte nicht sagen, wer im Vorfeld vom Diensttaus­ch gewusst hatte. Er sagte: „Ich habe mir immer eingeredet, dass das eine Zufallstat war.“Der Mann hatte für Kiesewette­r die folgende Nachtschic­ht übernommen. Beide arbeiteten damals bei der Bereitscha­ftspolizei in Böblingen.

Der für den Dienstplan zuständige Vorgesetzt­e konnte sich wiederum lediglich an Kiesewette­rs Tauschwuns­ch erinnern. Der entscheide­nde Dienstplan verschwand jedoch anschließe­nd. Warum sie unbedingt an diesem Tag arbeiten wollte, konnte er nicht sagen – ebenso wenig wie ihr direkter Vorgesetzt­er.

„Dieser Tag hat insgesamt kein besonders gutes Licht auf die Bereitscha­ftspolizei gerichtet“, sagte die SPD-Abgeordnet­e Rita HallerHaid.

Der Ausschuss will Ende des Jahres seine Arbeit abschließe­n. Nach der Untersuchu­ng des Mordes an Kiesewette­r werden die Verbindung­en der NSU-Mitglieder in den Südwesten untersucht.

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