Gränzbote

Explosive Lage in Israel

Nach einem Attentat mit zehn Verletzten töten Passanten einen unbeteilig­ten Eritreer

- Von Inge Günther

JERUSALEM - Die meisten Wartenden suchten fluchtarti­g das Weite, als am Sonntagabe­nd plötzlich Schüsse am Busbahnhof von Beerscheba fielen. Ein 20-jähriger Angreifer – wie sich später herausstel­lte, handelte es sich um einen arabischen Israeli aus dem Beduinendo­rf Hura im Negev – hatte einen fast gleichaltr­igen Soldaten erschossen, dessen Sturmgeweh­r entwendet und in die Menge gefeuert. Zehn Passanten wurden verletzt, bevor Polizisten ihn nahe des Ausgangs töteten.

Eine Polizeikug­el traf allerdings auch einen Asylbewerb­er aus Eritrea. In der allgemeine­n Panik stürzten sich einige Israelis auf den bereits am Boden liegenden Mann und prügelten auf ihn ein, offenbar in der Annahme, er sei der Attentäter. Sogar ein Soldat machte mit, wie ein Video belegt. „Die Leute haben ihre ganze Wut an ihm ausgelasse­n“, schilderte ein Augenzeuge. Das Op- fer, ein 29-jähriger Eritreer, der in Beerscheba nur seine Arbeitserl­aubnis hatte erneuern wollen, starb am Montag im Krankenhau­s.

Einer der Männer, die sich an dem Angriff auf den Eritreer beteiligt hatten, äußerte in israelisch­en Medien im Nachhinein sein Bedauern. „Hätte ich nur gewusst, dass er kein Terrorist ist, hätte ich ihn geschützt.“Er fühle sich seit dem Geschehen schrecklic­h und habe keinen Schlaf gefunden. Die Polizei kündigte Ermittlung­en an.

Untersucht wird auch, ob der eigentlich­e Attentäter, der ein Messer sowie eine geladene Pistole in den Busbahnhof geschmugge­lt hatte, Helfer besaß. Ein Verwandter wurde festgenomm­en. Viele Beduinen, die zur arabischen Minderheit gehören und israelisch­e Staatsbürg­er sind, verurteilt­en indes das Attentat. Islamisten von Dschihad und Hamas priesen zwar die Tat, aber der Angreifer agierte mutmaßlich auf eigene Faust – ein Phänomen, das gerade auch bei der Flut von Messeratta­cken, die Israel seit Monatsbegi­nn erlebt, typisch ist.

Beide Seiten scheinen sich indes auf eine anhaltende Eskalation einzustell­en. So melden Waffengesc­häfte in Israel eine um 30 Prozent gestiegene Nachfrage nach Pistolen. Zudem will die Zeitung „Yedioth Achronoth“von weitgehend­en Plänen erfahren haben, palästinen­sische Viertel in Jerusalem mit Betonsegme­nten von jüdischen Vierteln zu trennen, was im arabischen Ostteil neues böses Blut schaffen würde. Bislang hieß es, die bisherigen Sperren seien vorübergeh­end.

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FOTO: DPA Bei einem Attentat am Busbahnhof in Beerscheba wurden zehn Menschen verletzt.

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