Heikles Erbe unter der Lupe
Gurlitt-Taskforce kann Herkunft von 510 Werken klären
BERLIN (dpa) - Die sogenannte Gurlitt-Taskforce, die klären soll, welche Bilder aus dem Besitz von Cornelius Gurlitt eventuell NS-Raubkunst sind, beendet Ende des Jahres ihre Tätigkeit. 1497 Werke muss das international zusammengesetzte Team untersuchen. Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass die Geschichte von 510 Werke geklärt sei. Bei 507 davon könne ein NS-verfolgungsbedingter Entzug, wie es im Amtsdeutsch heißt, ausgeschlossen werden. Dennoch werde es eine ganze Reihe von Werken geben, deren Schicksal sich nicht klären lasse. Also nur in vier Fällen hat die Taskforce eindeutig nachweisen können, dass die Nationalsozialisten die Werke einst den jüdischen Eigentümern geraubt oder abgepresst haben. Der bayerische Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr kritisierte das Gremium deswegen als „reine Alibi-Veranstaltung“: „Größer könnte die Blamage nicht sein.“
Ohne Quellen kein Ergebnis
Berggreen-Merkel macht eine andere Rechnung auf. Zu jedem der 499 zweifelhaften Objekte aus dem Schwabinger Fund werde bis Ende Oktober ein Basisforschungsbericht vorliegen. „Wir haben alles zusammengetragen, was wir in Archiven, Datenbanken, Katalogen und anderen Dokumenten weltweit gefunden haben“, sagt sie. „Nur: Wo wir nicht weiterkommen oder wo es keine historischen Quellen gibt, da gibt es auch kein Ergebnis.“
Immer wieder stieß die 15-köpfige Taskforce auf unerwartete Probleme. So fanden sich zu zahlreichen Werken bisher überhaupt keine Spuren. In anderen Fällen erhoben mehrere Menschen Anspruch auf ein und dasselbe Bild. Und wieder andere hatten keine genaueren Angaben zu dem Erbstück, das sie in ihrer Familie vermissen. Viele Unterlagen gingen durch Flucht oder Deportation verloren.
Hinzu kommt, dass ein Großteil der Werke keine Gemälde sind, sondern serielle Arbeiten auf Papier. „Gerade bei konkurrierenden Ansprüchen muss unser Urteil hiebund stichfest sein“, sagt BerggreenMerkel. „Wenn wir hier einen Fehler machen würden, käme das einem neuen Entzug gleich.“
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat angekündigt, ein Folgeprojekt zur Taskforce beim neu gegründeten Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg zu initiieren.
Das weitere Schicksal der Sammlung hängt aber vor allem davon ab, wie der laufende Erbstreit ausgeht. Bekommt das Kunstmuseum Bern – wie von Gurlitt verfügt – das heikle Erbe? Oder setzt sich Gurlitts Cousine Uta Werner mit ihrem Anspruch für die Familie durch?
Das Oberlandesgericht München lässt derzeit in einem psychiatrischen Gutachten Gurlitts Testierfähigkeit klären. Gut möglich, dass ein Urteil erst nächstes Jahr fällt. Beide Seiten haben zugesagt, NS-Raubkunst weiter an die Erben der Opfer zurückzuerstatten. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Forschung wirklich weitergeht.