Ex-NPD-Chef distanziert sich von Pegida
Dagegen fühlen sich gutbürgerliche Kreise zu Kundgebungen hingezogen
VILLINGEN-SCHWENNINGEN - Es ist nicht leicht, bei der Kundgebung der Pegida-Schwarzwald-Baar-Heuberg, die sich Sbh-Gida nennt, Bewohner der Region SchwarzwaldBaar-Heuberg zu finden. Eher trifft man unter den etwa 150 Teilnehmern auf dem Villinger Münsterplatz (wir berichteten) Menschen aus Vorarlberg, aus Basel, aus Freiburg, Stuttgart, Gottmadingen oder Mannheim.
Wieder ist ein Mann gekommen, der in einem Betrieb des Kreises Tuttlingen beschäftigt ist. Er trägt, wie immer, eine Israel-Fahne mit sich und fühlt sich als früherer SPDWähler jetzt der Pegida zugehörig, weil der Islam Israel als Feind sehe. Stets wurde er hier akzeptiert – bisher.
Doch dieses Mal ist alles anders: Er wird bedrängt und bedroht von jungen Männern mit DeutschlandFahnen. „Wenn der die Flagge nicht gleich einrollt, dann knallt’s“, droht einer. Die Polizei muss eingreifen, der Mann, dessen Israel-Fahne vor Monaten im Vorfeld einer Kundgebung von Unbekannten zerrissen wurde, zieht es vor, zu gehen. Wortlos. Sprachlos. Tief enttäuscht.
Ganz außen, an einem Sperrgitter, steht ein Man mit bewegter Vergangenheit: Otto Mager aus Deißlingen, in den 80er-Jahren Rottweiler NPDKreisvorsitzender. Er wirkt seltsam distanziert und überrascht mit einem Bekenntnis: Neulich, erzählt Mager, habe er einer syrischen Flüchtlingsfamilie in Deißlingen einen Ofen vorbeigebracht, um sie zu unterstützen. Anstatt Dank habe er dann aber eine Rüge vom Freundeskreis erhalten, er solle solche Dinge gefälligst im Rathaus abgeben.
Zu Pegida komme er aus reiner Neugier, sagt der Rentner. Aber mit dem, was er hier erlebe, könne er sich nicht identifizieren und deutet auf die jungen Männer mit Springerstiefeln, Camouflage-Hosen, Kapuzenjacken, Sonnenbrillen und Deutschland-Fahnen. „Mit denen ist doch kein Staat zu machen“, erklärt der inzwischen 75-Jährige, und es klingt schon fast verächtlich. Aus der NPD sei er schon vor Jahren ausgetreten, berichtet Mager noch.
Vorne, am Mikrofon, steht ein Redner aus Österreich, der sich nicht näher vorstellt. Er begrüßt die Menge mit den Worten „Liebe echte Deutsche“, befeuert die Stimmung gegen Flüchtlinge mit fragwürdigen Parolen wie „Jeder Deutsche kann enteignet werden“und versucht immer wieder, sie gegen Einheimische, vor allem Obdachlose, auszuspielen. Er schreit ins Mikrofon „Merkel weg“, und ganz hinten brüllt es ein Mann mit Schweizer Fahne aus Lei- beskräften nach. In diesem sehr aggressiven Ton geht es bei den nächsten Rednern weiter.
Otto Mager hat sich inzwischen eine andere Meinung gebildet. Kriegsflüchtlinge aus Syrien, betont er, hätten jede Unterstützung verdient, aber um das leisten zu können, müsse man die Asylbewerber vom Balkan abschieben.
Ein Paar aus dem SchwarzwaldBaar-Kreis, Mitte 40, Eindruck gutbürgerlich, steht etwas abseits der Deutschlandfahnen und beobachtet die Szenerie interessiert. Sie seien zum ersten Mal hier, berichtet der Mann. Und sie machten sich Sorgen, dass sich Deutschland mit den vielen Flüchtlingen übernehme, dass die Integration nicht gelinge. „Das kann so nicht weitergehen“, sagt die Frau. Auf die Frage, zu welcher Partei sie neigten, antwortet ihr Mann, zuletzt seien sie nicht mehr wählen gegangen. Warum? Weil sie die Parteien so enttäuscht hätten, dass sie sich nicht einmal „für das kleinere Übel“hätten entscheiden können. Und künftig? Da würden sie „rechts“wählen. Ob er glaube, dass dann etwas besser werde? Nein, sagt der Mann, aber er habe noch die Hoffnung, dass die anderen Parteien dann vielleicht doch noch zur Vernunft kämen.