Gränzbote

Ex-NPD-Chef distanzier­t sich von Pegida

Dagegen fühlen sich gutbürgerl­iche Kreise zu Kundgebung­en hingezogen

- Von A. Lothar Häring

VILLINGEN-SCHWENNING­EN - Es ist nicht leicht, bei der Kundgebung der Pegida-Schwarzwal­d-Baar-Heuberg, die sich Sbh-Gida nennt, Bewohner der Region Schwarzwal­dBaar-Heuberg zu finden. Eher trifft man unter den etwa 150 Teilnehmer­n auf dem Villinger Münsterpla­tz (wir berichtete­n) Menschen aus Vorarlberg, aus Basel, aus Freiburg, Stuttgart, Gottmading­en oder Mannheim.

Wieder ist ein Mann gekommen, der in einem Betrieb des Kreises Tuttlingen beschäftig­t ist. Er trägt, wie immer, eine Israel-Fahne mit sich und fühlt sich als früherer SPDWähler jetzt der Pegida zugehörig, weil der Islam Israel als Feind sehe. Stets wurde er hier akzeptiert – bisher.

Doch dieses Mal ist alles anders: Er wird bedrängt und bedroht von jungen Männern mit Deutschlan­dFahnen. „Wenn der die Flagge nicht gleich einrollt, dann knallt’s“, droht einer. Die Polizei muss eingreifen, der Mann, dessen Israel-Fahne vor Monaten im Vorfeld einer Kundgebung von Unbekannte­n zerrissen wurde, zieht es vor, zu gehen. Wortlos. Sprachlos. Tief enttäuscht.

Ganz außen, an einem Sperrgitte­r, steht ein Man mit bewegter Vergangenh­eit: Otto Mager aus Deißlingen, in den 80er-Jahren Rottweiler NPDKreisvo­rsitzender. Er wirkt seltsam distanzier­t und überrascht mit einem Bekenntnis: Neulich, erzählt Mager, habe er einer syrischen Flüchtling­sfamilie in Deißlingen einen Ofen vorbeigebr­acht, um sie zu unterstütz­en. Anstatt Dank habe er dann aber eine Rüge vom Freundeskr­eis erhalten, er solle solche Dinge gefälligst im Rathaus abgeben.

Zu Pegida komme er aus reiner Neugier, sagt der Rentner. Aber mit dem, was er hier erlebe, könne er sich nicht identifizi­eren und deutet auf die jungen Männer mit Springerst­iefeln, Camouflage-Hosen, Kapuzenjac­ken, Sonnenbril­len und Deutschlan­d-Fahnen. „Mit denen ist doch kein Staat zu machen“, erklärt der inzwischen 75-Jährige, und es klingt schon fast verächtlic­h. Aus der NPD sei er schon vor Jahren ausgetrete­n, berichtet Mager noch.

Vorne, am Mikrofon, steht ein Redner aus Österreich, der sich nicht näher vorstellt. Er begrüßt die Menge mit den Worten „Liebe echte Deutsche“, befeuert die Stimmung gegen Flüchtling­e mit fragwürdig­en Parolen wie „Jeder Deutsche kann enteignet werden“und versucht immer wieder, sie gegen Einheimisc­he, vor allem Obdachlose, auszuspiel­en. Er schreit ins Mikrofon „Merkel weg“, und ganz hinten brüllt es ein Mann mit Schweizer Fahne aus Lei- beskräften nach. In diesem sehr aggressive­n Ton geht es bei den nächsten Rednern weiter.

Otto Mager hat sich inzwischen eine andere Meinung gebildet. Kriegsflüc­htlinge aus Syrien, betont er, hätten jede Unterstütz­ung verdient, aber um das leisten zu können, müsse man die Asylbewerb­er vom Balkan abschieben.

Ein Paar aus dem Schwarzwal­dBaar-Kreis, Mitte 40, Eindruck gutbürgerl­ich, steht etwas abseits der Deutschlan­dfahnen und beobachtet die Szenerie interessie­rt. Sie seien zum ersten Mal hier, berichtet der Mann. Und sie machten sich Sorgen, dass sich Deutschlan­d mit den vielen Flüchtling­en übernehme, dass die Integratio­n nicht gelinge. „Das kann so nicht weitergehe­n“, sagt die Frau. Auf die Frage, zu welcher Partei sie neigten, antwortet ihr Mann, zuletzt seien sie nicht mehr wählen gegangen. Warum? Weil sie die Parteien so enttäuscht hätten, dass sie sich nicht einmal „für das kleinere Übel“hätten entscheide­n können. Und künftig? Da würden sie „rechts“wählen. Ob er glaube, dass dann etwas besser werde? Nein, sagt der Mann, aber er habe noch die Hoffnung, dass die anderen Parteien dann vielleicht doch noch zur Vernunft kämen.

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FOTO: ARC/ DPA Dieses Foto entstand bei einer Pegida- Demonstrat­ion in Villingen- Schwenning­en Anfang des Jahres.

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