Gränzbote

Viele Senioren müssen für Pflege Sozialhilf­e beantragen

Finanzkraf­t der Betagten reicht oft nicht für einen Heimplatz – Der Preis für günstige Betreuung sind schlecht bezahlte Fachkräfte

-

GÜTERSLOH (KNA) - Die Pflegekost­en übersteige­n nach einer Studie oft die Finanzkraf­t von Senioren. Bundesweit reiche in fast der Hälfte der Fälle das durchschni­ttliche Einkommen der über 80-Jährigen nicht aus, um eine stationäre Versorgung in Anspruch zu nehmen, heißt es in dem am Mittwoch in Gütersloh veröffentl­ichten Report „Pflegeinfr­astruktur“der Bertelsman­n Stiftung. Verbände und Patientens­chützer werteten die Ergebnisse als alarmieren­d, warnten aber zugleich vor voreiligen Schlüssen.

Bei den Pflegekost­en gibt es der Studie zufolge große regionale Unterschie­de. So überstiege­n die Aufwendung­en für einen Heimplatz in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württember­g sowie in den Stadtstaat­en das durchschni­ttliche Einkommen der Hochbetagt­en teils deutlich. In 44 Prozent der Kreise reiche das Durchschni­ttseinkomm­en rechnerisc­h nur für elf Monate stationäre­r Pflege, in einem Viertel nur für zehn Monate. In Teilen Oberschwab­ens und des Bodenseekr­eises kommen die Hochbetagt­en mit ihrem Einkommen bei Pflegekost­en gar nur sieben bis zehn Monate lang aus. 2013 mussten bundesweit 41 sProzent der Pflegebedü­rftigen zusätzlich Sozialhilf­e beantragen.

In Ostdeutsch­land, SchleswigH­olstein und weiten Teilen Niedersach­sens ist dies laut der Studie anders. Hier reiche die durchschni­ttliche Kaufkraft mehr als aus, um die stationäre Pflege zu bezahlen. Ein Grund dafür sei die unterschie­dliche Bezahlung der Pflegekräf­te. Im Norden und Osten würden sie deutlich schlechter bezahlt als im Westen und Süden. So variierten die Bruttoentg­elte 2013 zwischen 1714 und 3192 Euro im Monat.

„Wenn sich Seniorinne­n und Senioren keinen Heimplatz leisten können, dann ist das ein Missstand“, sagte der Präsident des Sozialverb­andes Deutschlan­d (SoVD), Adolf Bauer. Er nannte es zudem „fatal“, wenn bezahlbare Pflege unterbezah­lte Fachkräfte voraussetz­e. Weitere Reformen in der Pflege seien erforderli­ch.

Auch die Diakonie warnte vor Lohnsenkun­gen. „Die Pflegekräf­te müssen mit ihrem Gehalt ihren Lebensunte­rhalt bestreiten können und das können sie nur, wenn wir sie ordentlich nach den ausgehande­lten Tarifen bezahlen“, sagte der Vorstand der Diakonie Rheinland-WestfalenL­ippe, Thomas Oelkers. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, sagte der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur, die Sozialhilf­eträger schulterte­n die Hauptlast, um Finanzieru­ngslücken zu schließen. Sie hätten 2013 rund 3,8 Milliarden Euro für die „Hilfe zur Pflege“gezahlt. „Das Schreckens­szenario, dass Alte ihren Kinder auf der Tasche liegen, ist nicht die Realität“, so Brysch. Angehörige würden nur selten zur Kasse gebeten; der Staat habe sich im gleichen Jahr nur 68 Millionen Euro von ihnen zurückgeho­lt.

Am Montag berät der Gesundheit­sausschuss des Bundestage­s über das dritte Pflegestär­kungsgeset­z. Es soll dafür sorgen, dass Städte, Landkreise und Gemeinden mehr Kompetenze­n bei der Planung von Pflegeange­boten erhalten.

 ?? FOTO: DPA ?? Bei den Pflegekost­en gibt regionale Unterschie­de. es starke
FOTO: DPA Bei den Pflegekost­en gibt regionale Unterschie­de. es starke

Newspapers in German

Newspapers from Germany