Lehrgeld in der Fahrradwerkstatt
Streit um Reparaturkosten lässt sich leicht vermeiden
BERLIN - Mitunter stellt sich ein und derselbe Vorgang aus Sicht der Beteiligten sehr unterschiedlich dar. So beschwerte sich unser Leser Friedrich W. über eine völlig überteuerte Reparatur seines Fahrrades. „Ich wollte einen Reifen wechseln lassen“, sagt der Renter aus der Bodenseeregion. 35 Euro habe dies kosten sollen. Im Verlauf der folgenden Woche hat immer wieder einmal das Telefon bei ihm geklingelt. „Es sollte noch dieses und jenes repariert werden“, erinnert er sich.
Als Friedrich W. das E-Bike nach einer Woche wieder in der Werkstatt abholen wollte, folgte eine böse Überraschung. Der Monteur reichte ihm eine Rechnung über 464,95 Euro. Der Protest des Lesers nutzte nichts. Ohne Bezahlung hätte der Betrieb das Rad nicht herausgerückt. Eine detaillierte Leistungsbeschreibung habe er nicht erhalten.
Die Vorwürfe weist die Werkstatt auf Nachfrage entrüstet zurück. „Das Rad war völlig versifft“, sagt der Monteur. Jahrelang sei es nicht gepflegt worden. So habe manche Reparatur viel länger gedauert, weil Teile nicht nur gewartet, sondern komplett auseinandergebaut und erneuert werden mussten. Und selbstverständlich habe der Kunde eine detaillierte Aufstellung aller Arbeiten erhalten.
So steht Aussage gegen Aussage. Nachweisen lässt sich eine Übervorteilung des Lesers durch die Fahrradwerkstatt nicht. Doch solch strittige Situationen lassen sich von vornherein vermeiden. Auch bei einer vermeintlich einfachen Aufgabe rät Günter Schwinn, Experte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, zu einer genauen Beschreibung der erwarteten Leistungen. „Wir empfehlen, die notwendigen Arbeiten gemeinsam mit dem Handwerker durchzugehen und einen Kostenvoranschlag zu verlangen“, sagt Schwinn. Damit sind Verbraucher halbwegs gegen unerwartete Mehrkosten abgesichert. Denn der Endpreis darf in der Regel maximal 20 Prozent vom Kostenvoranschlag abweichen. Alternativ dazu könnten Werkstatt und Kunde auch eine Pauschale vereinbaren. Dann bleibt es auf jeden Fall beim ausgehandelten Preis.
Kommt es zu Streit über die Höhe der Rechnung, ohne dass zuvor schriftlich Leistungsumfänge festgehalten wurden, haben Verbraucher wie im Fall von Friedrich W. einen schweren Stand, erst recht wenn weitere Reparaturen nur mündlich am Telefon besprochen wurden. Es ist kaum möglich, die Vereinbarungen nachzuweisen. Ebenso schwierig ist es, die Rechnung anzufechten, wenn sie überhöht erscheint. So hat eine andere Fahrradwerkstatt die Kosten für die Reparatur des Rades unseres Lesers aufgrund von dessen Schilderung weitaus geringer eingeschätzt und kam nur auf rund die Hälfte der Summe.
Diese Zweitmeinung hilft dem Kunden aber nicht weiter. Denn ohne eine genaue Kenntnis der Details der Rechnung, lässt sich keine verlässliche Berechnung eines fairen Preises anstellen. Eine exakte Aufstellung aller Rechnungsbestandteile sollten Kunden deshalb auf jeden Fall verlangen und sich nicht mit einem Kassenbon begnügen. Das Recht darauf haben Verbraucher.
Doch gibt es überhaupt einen angemessenen Preis? Jurist Schwinn bejaht diese Frage. Nur ist eine gerechte Vergütung schwer feststellbar. Es gilt die ortsübliche Entlohnung. „Dieser Preis kann regional unterschiedlich hoch sein“, sagt Schwinn, „im Zweifel hilft ein Fachmann der Innung oder die Handwerkskammer.“
Friedrich W. bliebe nur eine Klage, um zu einer Rückerstattung zu viel bezahlter Reparaturkosten zu kommen. Das Risiko will er nicht eingehen. „Im Falle eines Rechtsstreits fallen Kosten für das Gericht, eventuell einen Sachverständigen und einen Anwalt an“, rechnet Schwinn vor. Wenn der Streit dann noch verloren geht, muss der Kläger auch noch für die Anwaltskosten seines Gegners aufkommen.