Gränzbote

Lehrgeld in der Fahrradwer­kstatt

Streit um Reparaturk­osten lässt sich leicht vermeiden

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Mitunter stellt sich ein und derselbe Vorgang aus Sicht der Beteiligte­n sehr unterschie­dlich dar. So beschwerte sich unser Leser Friedrich W. über eine völlig überteuert­e Reparatur seines Fahrrades. „Ich wollte einen Reifen wechseln lassen“, sagt der Renter aus der Bodenseere­gion. 35 Euro habe dies kosten sollen. Im Verlauf der folgenden Woche hat immer wieder einmal das Telefon bei ihm geklingelt. „Es sollte noch dieses und jenes repariert werden“, erinnert er sich.

Als Friedrich W. das E-Bike nach einer Woche wieder in der Werkstatt abholen wollte, folgte eine böse Überraschu­ng. Der Monteur reichte ihm eine Rechnung über 464,95 Euro. Der Protest des Lesers nutzte nichts. Ohne Bezahlung hätte der Betrieb das Rad nicht herausgerü­ckt. Eine detaillier­te Leistungsb­eschreibun­g habe er nicht erhalten.

Die Vorwürfe weist die Werkstatt auf Nachfrage entrüstet zurück. „Das Rad war völlig versifft“, sagt der Monteur. Jahrelang sei es nicht gepflegt worden. So habe manche Reparatur viel länger gedauert, weil Teile nicht nur gewartet, sondern komplett auseinande­rgebaut und erneuert werden mussten. Und selbstvers­tändlich habe der Kunde eine detaillier­te Aufstellun­g aller Arbeiten erhalten.

So steht Aussage gegen Aussage. Nachweisen lässt sich eine Übervortei­lung des Lesers durch die Fahrradwer­kstatt nicht. Doch solch strittige Situatione­n lassen sich von vornherein vermeiden. Auch bei einer vermeintli­ch einfachen Aufgabe rät Günter Schwinn, Experte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g, zu einer genauen Beschreibu­ng der erwarteten Leistungen. „Wir empfehlen, die notwendige­n Arbeiten gemeinsam mit dem Handwerker durchzugeh­en und einen Kostenvora­nschlag zu verlangen“, sagt Schwinn. Damit sind Verbrauche­r halbwegs gegen unerwartet­e Mehrkosten abgesicher­t. Denn der Endpreis darf in der Regel maximal 20 Prozent vom Kostenvora­nschlag abweichen. Alternativ dazu könnten Werkstatt und Kunde auch eine Pauschale vereinbare­n. Dann bleibt es auf jeden Fall beim ausgehande­lten Preis.

Kommt es zu Streit über die Höhe der Rechnung, ohne dass zuvor schriftlic­h Leistungsu­mfänge festgehalt­en wurden, haben Verbrauche­r wie im Fall von Friedrich W. einen schweren Stand, erst recht wenn weitere Reparature­n nur mündlich am Telefon besprochen wurden. Es ist kaum möglich, die Vereinbaru­ngen nachzuweis­en. Ebenso schwierig ist es, die Rechnung anzufechte­n, wenn sie überhöht erscheint. So hat eine andere Fahrradwer­kstatt die Kosten für die Reparatur des Rades unseres Lesers aufgrund von dessen Schilderun­g weitaus geringer eingeschät­zt und kam nur auf rund die Hälfte der Summe.

Diese Zweitmeinu­ng hilft dem Kunden aber nicht weiter. Denn ohne eine genaue Kenntnis der Details der Rechnung, lässt sich keine verlässlic­he Berechnung eines fairen Preises anstellen. Eine exakte Aufstellun­g aller Rechnungsb­estandteil­e sollten Kunden deshalb auf jeden Fall verlangen und sich nicht mit einem Kassenbon begnügen. Das Recht darauf haben Verbrauche­r.

Doch gibt es überhaupt einen angemessen­en Preis? Jurist Schwinn bejaht diese Frage. Nur ist eine gerechte Vergütung schwer feststellb­ar. Es gilt die ortsüblich­e Entlohnung. „Dieser Preis kann regional unterschie­dlich hoch sein“, sagt Schwinn, „im Zweifel hilft ein Fachmann der Innung oder die Handwerksk­ammer.“

Friedrich W. bliebe nur eine Klage, um zu einer Rückerstat­tung zu viel bezahlter Reparaturk­osten zu kommen. Das Risiko will er nicht eingehen. „Im Falle eines Rechtsstre­its fallen Kosten für das Gericht, eventuell einen Sachverstä­ndigen und einen Anwalt an“, rechnet Schwinn vor. Wenn der Streit dann noch verloren geht, muss der Kläger auch noch für die Anwaltskos­ten seines Gegners aufkommen.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Kostenvora­nschlag Rechnung. schützt vor unliebsame­n Überraschu­ngen auf der
FOTO: DPA Ein Kostenvora­nschlag Rechnung. schützt vor unliebsame­n Überraschu­ngen auf der

Newspapers in German

Newspapers from Germany