Gränzbote

Drei gegen Maas

Südliche Bundesländ­er wollen Nachbesser­ungen der umstritten­en Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Wohl kaum ein Gesetz hat in den vergangene­n Monaten ähnlichen Wirbel verursacht wie die Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie. Die Regelung mit dem sperrigen Namen gilt seit dem 21. März dieses Jahres, und seitdem ist es für viele Deutsche deutlich schwerer geworden, an einen Immobilien­kredit zu kommen.

Dagegen ziehen nun Baden-Württember­g, Hessen und Bayern zu Felde. Gemeinsam wollen die drei Länder am Freitag eine Initiative im Bundesrat starten, die die Kreditverg­abe an Häuslebaue­r wieder erleichter­n soll. Ziel ist es, dass Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) die seit März geltende Verschärfu­ng der Vorschrift­en wieder rückgängig macht. „Wir wollen verhindern, dass durch die neuen Vorgaben zum Beispiel der Bau altersgere­chter Immobilien daran scheitert, dass es keine Kredite dafür gibt“, erklärte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) den Vorstoß.

Heinz Pumpmeier, Chef der Sparkasse Ravensburg

Übers Ziel hinausgesc­hossen

Die Richtlinie ist eine Vorgabe der Europäisch­en Union, mit der VerVolks- braucher davor geschützt werden sollen, Kredite aufzunehme­n, die sie am Ende nicht tragen können. An sich eine gute Sache. Finanzieru­ngen von windigen Vermittler­n, die Einnahmen großzügige­r und Belastunge­n kleiner rechnen, sollen damit verhindert werden. Doch bei der Umsetzung in deutsches Recht ist der Gesetzgebe­r nach Ansicht von Kritikern so gründlich vorgegange­n, dass sich bestimmte Personengr­uppen – vor allem ältere Menschen, aber auch junge Familien – nun schwertun, überhaupt ein Hypotheken­darlehen von ihrer Bank zu erhalten.

Denn die Geldhäuser müssen nun genau prüfen, ob Kreditnehm­er ihre Verpflicht­ungen wirklich erfüllen können. Es geht vor allem darum, ob der Kunde den Kredit langfristi­g tilgen kann, ob also die statistisc­he Lebenserwa­rtung dazu ausreicht. Die Immobilie selbst spielt bei der Besicherun­g des Kredits keine Rolle mehr. Selbst wenn das Haus viel mehr Wert ist als der gewünschte Kredit, wird die Bank wahrschein­lich ablehnen, wenn etwa die Rente zu klein ist, um das Darlehen zu Lebzeiten abzulösen.

Nach Angaben des Genossensc­haftsverba­ndes Bayern gibt es und Raiffeisen­banken, die inzwischen jeden vierten Kreditantr­ag ablehnen müssen. Auch die 52 Sparkassen in Baden-Württember­g machen die Richtlinie für die deutlichen Bremsspure­n im Immobilien­geschäft im zweiten Quartal dieses Jahres verantwort­lich. Um 20 Prozent sind die Zusagen für Immobilien­kredite von April bis Juni gegenüber dem Vorjahresz­eitraum gesunken. Allerdings ist das Kreditvolu­men in den vorangegan­genen Quartalen auch deutlich gestiegen.

Banken befürchten Haftungsfa­lle

„Die Richtlinie greift destruktiv in einen Geschäftsb­ereich ein, in dem wir überhaupt keinen Regulierun­gsbedarf haben“, klagt Heinz Pumpmeier, Vorstand der Kreisspark­asse Ravensburg. Tatsache ist: Im Gegensatz zu den Immobilien­blasen in den USA oder Spanien, wo sich viele Verbrauche­r über die Belastungs­grenzen hinaus verschulde­t hatten und massenhaft­e Kreditausf­älle zu beklagen waren, ist das Geschäft mit Immobilien­darlehen hierzuland­e ein Hort der Stabilität. Schon im Eigeninter­esse haben Banken in der Vergangenh­eit penibel darauf geachtet, dass Kunden ihre Kredite abbezahlen können. „Wir versuchen Lösungen zu finden – und in den überwiegen­den Fällen gelingt uns das auch. Aber die neue Richtlinie erschwert den Beratungsp­rozess ganz erheblich“, erklärt Pumpmeier.

Kopfzerbre­chen bereitet den Instituten insbesonde­re, dass sie das neue Gesetz durch etliche, nicht klar bestimmte Rechtsbegr­iffe in die Mitverantw­ortung nimmt. Im schlimmste­n Fall könnten neue gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen drohen. Kreditnehm­er oder dessen Erben könnten unter Umständen die komplette, kostenfrei­e Rückabwick­lung eines Darlehens verlangen, wenn sie nachweisen, dass die Bank anfangs die Kreditwürd­igkeit nicht pflichtgem­äß geprüft hatte. „Das ist ein ganz neuer Tatbestand“, sagt Michael Voigtlände­r, Immobilien­experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Viele Kreditinst­itute befürchten offenbar, dass Kunden in ein paar Jahren mit diesem Argument kommen könnten, um einen Kredit vorzeitig loszuwerde­n – und treten deshalb auf die Bremse.

Für Niels Nauhauser, Abteilungs­leiter Altersvors­orge, Banken und Kredite bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g, ist jedoch nicht die Richtlinie an sich sondern die Auslegung durch die Banken das Problem: „Die behauptete­n Schwierigk­eiten der Kreditinst­itute können wir aufgrund der Rechtslage nicht nachvollzi­ehen. Bislang haben uns nur einzelne Beschwerde­n von älteren Kreditnehm­ern erreicht, die angeblich wegen der Umsetzung der Richtlinie keinen Kredit mehr bekommen haben. Wir sind dem nachgegang­en, oft war nur die Darlehenss­umme zu gering, an der Richtlinie lag es nicht.“Und dass Kreditnehm­er ihr Immobilien­darlehen zu Lebzeiten abzahlen müssten, wie es die Banken nun kolportier­ten, stehe mit keinem Wort weder in der Richtlinie noch im Gesetz, so Nauhauser.

Die Gesetzesin­itiative von Hessen, Baden-Württember­g und Bayern begrüßt der Verbrauche­rschützer dennoch, „wenn damit Auslegungs­unsicherhe­iten beseitigt werden“. Im Grunde gehe es dem Gesetzgebe­r nur darum, Kreditinst­itute, die unverantwo­rtliche Kredite vergeben, in die Haftung zu nehmen. Und das sei gut so.

Ministerpr­äsident Kretschman­n zeigte sich im Vorfeld zuversicht­lich, dass sein Vorstoß auf fruchtbare­n Boden im Bundesrat fällt. „Es zeichnet sich ab, dass die unionsgefü­hrten Länder sich unserer Initiative anschließe­n, und ich bin zuversicht­lich, von den übrigen Bundesländ­ern genug Stimmen für eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen.“

„Die neue Richtlinie erschwert den Beratungsp­rozess ganz erheblich.“ „Ich bin zuversicht­lich, eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen.“ Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident Baden-Württember­g

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FOTO: ROLAND RASEMANN Neubaugebi­et Berg bei Ravensburg: hat, rückgängig machen. Baden-Württember­g, Hessen und Bayern wollen die restriktiv­en Kreditrich­tlinien für Bauinteres­senten, die Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) erlassen

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