Drei gegen Maas
Südliche Bundesländer wollen Nachbesserungen der umstrittenen Wohnimmobilienkreditrichtlinie
RAVENSBURG - Wohl kaum ein Gesetz hat in den vergangenen Monaten ähnlichen Wirbel verursacht wie die Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Die Regelung mit dem sperrigen Namen gilt seit dem 21. März dieses Jahres, und seitdem ist es für viele Deutsche deutlich schwerer geworden, an einen Immobilienkredit zu kommen.
Dagegen ziehen nun Baden-Württemberg, Hessen und Bayern zu Felde. Gemeinsam wollen die drei Länder am Freitag eine Initiative im Bundesrat starten, die die Kreditvergabe an Häuslebauer wieder erleichtern soll. Ziel ist es, dass Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die seit März geltende Verschärfung der Vorschriften wieder rückgängig macht. „Wir wollen verhindern, dass durch die neuen Vorgaben zum Beispiel der Bau altersgerechter Immobilien daran scheitert, dass es keine Kredite dafür gibt“, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Vorstoß.
Heinz Pumpmeier, Chef der Sparkasse Ravensburg
Übers Ziel hinausgeschossen
Die Richtlinie ist eine Vorgabe der Europäischen Union, mit der VerVolks- braucher davor geschützt werden sollen, Kredite aufzunehmen, die sie am Ende nicht tragen können. An sich eine gute Sache. Finanzierungen von windigen Vermittlern, die Einnahmen großzügiger und Belastungen kleiner rechnen, sollen damit verhindert werden. Doch bei der Umsetzung in deutsches Recht ist der Gesetzgeber nach Ansicht von Kritikern so gründlich vorgegangen, dass sich bestimmte Personengruppen – vor allem ältere Menschen, aber auch junge Familien – nun schwertun, überhaupt ein Hypothekendarlehen von ihrer Bank zu erhalten.
Denn die Geldhäuser müssen nun genau prüfen, ob Kreditnehmer ihre Verpflichtungen wirklich erfüllen können. Es geht vor allem darum, ob der Kunde den Kredit langfristig tilgen kann, ob also die statistische Lebenserwartung dazu ausreicht. Die Immobilie selbst spielt bei der Besicherung des Kredits keine Rolle mehr. Selbst wenn das Haus viel mehr Wert ist als der gewünschte Kredit, wird die Bank wahrscheinlich ablehnen, wenn etwa die Rente zu klein ist, um das Darlehen zu Lebzeiten abzulösen.
Nach Angaben des Genossenschaftsverbandes Bayern gibt es und Raiffeisenbanken, die inzwischen jeden vierten Kreditantrag ablehnen müssen. Auch die 52 Sparkassen in Baden-Württemberg machen die Richtlinie für die deutlichen Bremsspuren im Immobiliengeschäft im zweiten Quartal dieses Jahres verantwortlich. Um 20 Prozent sind die Zusagen für Immobilienkredite von April bis Juni gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Allerdings ist das Kreditvolumen in den vorangegangenen Quartalen auch deutlich gestiegen.
Banken befürchten Haftungsfalle
„Die Richtlinie greift destruktiv in einen Geschäftsbereich ein, in dem wir überhaupt keinen Regulierungsbedarf haben“, klagt Heinz Pumpmeier, Vorstand der Kreissparkasse Ravensburg. Tatsache ist: Im Gegensatz zu den Immobilienblasen in den USA oder Spanien, wo sich viele Verbraucher über die Belastungsgrenzen hinaus verschuldet hatten und massenhafte Kreditausfälle zu beklagen waren, ist das Geschäft mit Immobiliendarlehen hierzulande ein Hort der Stabilität. Schon im Eigeninteresse haben Banken in der Vergangenheit penibel darauf geachtet, dass Kunden ihre Kredite abbezahlen können. „Wir versuchen Lösungen zu finden – und in den überwiegenden Fällen gelingt uns das auch. Aber die neue Richtlinie erschwert den Beratungsprozess ganz erheblich“, erklärt Pumpmeier.
Kopfzerbrechen bereitet den Instituten insbesondere, dass sie das neue Gesetz durch etliche, nicht klar bestimmte Rechtsbegriffe in die Mitverantwortung nimmt. Im schlimmsten Fall könnten neue gerichtliche Auseinandersetzungen drohen. Kreditnehmer oder dessen Erben könnten unter Umständen die komplette, kostenfreie Rückabwicklung eines Darlehens verlangen, wenn sie nachweisen, dass die Bank anfangs die Kreditwürdigkeit nicht pflichtgemäß geprüft hatte. „Das ist ein ganz neuer Tatbestand“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Viele Kreditinstitute befürchten offenbar, dass Kunden in ein paar Jahren mit diesem Argument kommen könnten, um einen Kredit vorzeitig loszuwerden – und treten deshalb auf die Bremse.
Für Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ist jedoch nicht die Richtlinie an sich sondern die Auslegung durch die Banken das Problem: „Die behaupteten Schwierigkeiten der Kreditinstitute können wir aufgrund der Rechtslage nicht nachvollziehen. Bislang haben uns nur einzelne Beschwerden von älteren Kreditnehmern erreicht, die angeblich wegen der Umsetzung der Richtlinie keinen Kredit mehr bekommen haben. Wir sind dem nachgegangen, oft war nur die Darlehenssumme zu gering, an der Richtlinie lag es nicht.“Und dass Kreditnehmer ihr Immobiliendarlehen zu Lebzeiten abzahlen müssten, wie es die Banken nun kolportierten, stehe mit keinem Wort weder in der Richtlinie noch im Gesetz, so Nauhauser.
Die Gesetzesinitiative von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern begrüßt der Verbraucherschützer dennoch, „wenn damit Auslegungsunsicherheiten beseitigt werden“. Im Grunde gehe es dem Gesetzgeber nur darum, Kreditinstitute, die unverantwortliche Kredite vergeben, in die Haftung zu nehmen. Und das sei gut so.
Ministerpräsident Kretschmann zeigte sich im Vorfeld zuversichtlich, dass sein Vorstoß auf fruchtbaren Boden im Bundesrat fällt. „Es zeichnet sich ab, dass die unionsgeführten Länder sich unserer Initiative anschließen, und ich bin zuversichtlich, von den übrigen Bundesländern genug Stimmen für eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen.“
„Die neue Richtlinie erschwert den Beratungsprozess ganz erheblich.“ „Ich bin zuversichtlich, eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen.“ Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg