Eine einzige Überanstrengung
Dani Levy will mit „Die Welt der Wunderlichs“an alte Erfolge anknüpfen
Dysfunktional ist gar kein Ausdruck für diese Familie: Mimi lebt prekär von öden Supermarkt-Jobs, ihr Sohn Felix ist hyperaktiv und der Schrecken seiner Lehrerinnen, ihr Vater Walter dement und ein notorischer Spieler, ihr Ex-Mann ein abgerockter Musiker, ihre Schwester chaotisch, ihre Mutter hypochondrisch – alles ein bisschen viel für eine alleinerziehende Mutter. Zumal Mimi eigentlich noch Träume hat, zum Beispiel den von einer erfolgreichen Sängerin. Und plötzlich geraten die Dinge mächtig in Fahrt, als sich die Möglichkeit einer Castingshow auftut. Ihr Sohn hat sich, ohne sie zu fragen, mit einer ihrer CDs beworben.
„Komödie ist Tragödie plus Zeit“, hat Woody Allen eine seiner Figuren einmal sagen lassen. Zeit ist in Komödien meist sogar „Tempo“– und Tempo hat „Die Welt der Wunderlichs“. Geradezu irrwitzig ist die Geschwindigkeit, die Dani Levy in seinem neuen Film vorlegt – aber da ist das Problem schon beim Namen genannt: Levy, der auch das Buch geschrieben hat, überdreht seine Handlung hemmungslos – statt Tempo inszeniert er Hektik, gestattet dem Zuschauer kaum eine ruhige Sekunde, startet immer noch mal neu durch.
„Die Welt der Wunderlichs“ist ein Roadmovie: Die Castingshow findet in Zürich statt, und so muss die ganze Blase dorthin fahren – was hinreichend Gelegenheit bietet, Chaos entlang des Wegs zu verbreiten. Dabei verfügt Levy über eine Riege prominenter Namen in seiner Besetzung, die er teils schön gegen den Typ besetzt – allen voran Katharina Schüttler, zuletzt meist in historischen Rollen zu sehen, als SingerSongwriterin Mimi, die nicht nur mit ihrem Felix so ihre Nöte hat: „Wir sind Psycho!“, sagt sie einmal mit fahrigem Blick auf ihre disparate Familie.
Peter „Toni Erdmann“Simonischek ist ihr Vater, der ständig aus dem Ruder läuft, Christiane Paul eine leicht peinliche, aufgetakelte Schwester, Hannelore Elsner mit pathetischer Geste ihre Mutter – auf alle muss Mimi laufend achten und sie wieder einfangen. Doch auch hier wäre weniger mehr gewesen. Es ist eine Ansammlung schräger Typen, allesamt mit Lust am Overacting, aber in ihrer Häufung einfach zu viel. Selbst Felix ist vor allem eine Nervensäge, wo Levy ihn doch eigentlich als kluges, vielleicht nerdiges, halt etwas wildes Kind zeigen will.
Levy fährt bis in die Nebenrollen bekannte Namen auf: Martin Feifel, Steffen Groth, noch in der Jury der Castingshow sitzen B-Promis wie Thomas Anders, Sabrina Setlur und Friedrich Liechtenstein als sie selbst, dazu Arabella Kiesbauer als Moderatorin. Ein wenig spürt man in diesem Film, dass Levy den Erfolg unbedingt will: Sein letzter großer Erfolg, „Alles auf Zucker“, liegt mehr als zehn Jahre zurück; seitdem musste er sogar einen „Tatort“drehen, weil sich kein anderes Projekt aufdrängte. In einem Interview erzählte er, dass ihm die Idee zu „Die Welt der Wunderlichs“gekommen sei, als er feststellte, dass psychische Störungen in der Gesellschaft zunehmen. Das hat er mit seinem Werk fraglos auf den Punkt gebracht: Welt, Familie, Film – alles Tollhäuser. Und alle sehr anstrengend. Die Welt der Wunderlichs. Regie: Dani Levy. Mit Katharina Schüttler, Peter Simonischek, Christiane Paul, Hannelore Elsner. Deutschland/Schweiz 2016. 100 Minuten. Keine Altersbeschränkung