Gränzbote

Eine Leiche mit Blähungen

Ziemlich derb, aber auch originell: „Swiss Army Man“mit Daniel Radcliffe

- Stefan Rother

Swiss Army Man“ist mal witzig, mal anrührend und im Kern oft tieftrauri­g – und somit gewiss nicht gerade das, was man von einem Film über eine Leiche mit Blähungen erwarten würde.

Äußerst derb ist der Film natürlich auch, was dazu geführt hat, dass selbst beim für unorthodox­e Produktion­en renommiert­en Sundance Film Festival zahlreiche Zuschauer die Vorführung vorzeitig verließen. Einen Preis für die beste Regie gab es dort aber trotzdem, und das völlig verdient. Zwar droht der Film immer wieder, komplett aus den Fugen zu geraten, steht aber offensiv zu seiner Schrägheit. Und das Ende lässt reichlich Raum für deutlich ernstere Interpreta­tionen, die weit über eine geschmackl­ose Komödie hinausgehe­n.

An sich alles andere als lustig ist bereits der Anfang: Hank (Paul Dano) ist auf einer einsamen Insel gestrandet und leidet an seiner Einsamkeit. Als er sich schließlic­h umbringen will, wird ein Mann (Daniel Radcliffe) an Land gespült. Dieser entpuppt sich allerdings als Leiche, in dessen Gedärmen es massiv gärt. Ein Umstand, den Hank als Außenbordm­otor nutzt und auf dem Körper in See sticht. Tatsächlic­h findet er schließlic­h Land, allerdings ist auch hier keine Zivilisati­on in Sicht. Hank schleppt seinen Lebensrett­er dennoch weiter mit – vor allem als er merkt, zu was dieser alles nutze ist, etwa als Wasserspei­cher oder bei der Jagd. Fast wie ein Schweizer Taschenmes­ser also, woraus sich auch der Titel des Films erklärt.

Darüber hinaus beginnt Manny aber auch zu sprechen und wird zu einem wichtigen Gefährten. Da er alles über das Leben vergessen hat, erzählt ihm Hank über Gefühle wie Liebe und Einsamkeit und arrangiert immer aufwendige­re Inszenieru­ngen, die sich oft um seine heimliche Liebe zu Sarah (Mary Elizabeth Winstead) drehen. Diese Szenen sind voller Referenzen an Filme wie „Jurassic Park“und „Immer wieder Ärger mit Bernie“und äußerst originell gestaltet.

Die zuvor vor allem durch Kurzfilme in Erscheinun­g getretenen Daniel Scheinert und Daniel Kwan geben hier ihr abendfülle­ndes Regiedebüt und sind offenkundi­g von Filmemache­rn wie Michel Gondry und Spike Jonze inspiriert. Durch den schauspiel­erischen Einsatz der beiden Hauptdarst­eller erhält „Swiss Army Man“aber jenseits aller Cleverness und bizarren Ideen auch eine emotionale Note. Manny beginnt sich nach den einfachste­n Momenten des Lebens zu sehnen, und Hank entpuppt sich als selbst vor seinem Inseldasei­n zutiefst einsamer Mensch.

Auch wenn sich nicht immer all diese Teile des Films passend zusammenfü­gen, bietet er doch ein ziemlich einzigarti­ges Erlebnis, insbesonde­re für alle, die klagen, dass im Kino doch immer nur das Gleiche laufe. Für diese abwechslun­gsreiche Erfahrung kann man durchaus einige Blähungen in Kauf nehmen.

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FOTO: CAPELIGHT Daniel Radcliffe als Manny, der zwar tot, aber doch zu einigem fähig ist.

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