Eine Leiche mit Blähungen
Ziemlich derb, aber auch originell: „Swiss Army Man“mit Daniel Radcliffe
Swiss Army Man“ist mal witzig, mal anrührend und im Kern oft tieftraurig – und somit gewiss nicht gerade das, was man von einem Film über eine Leiche mit Blähungen erwarten würde.
Äußerst derb ist der Film natürlich auch, was dazu geführt hat, dass selbst beim für unorthodoxe Produktionen renommierten Sundance Film Festival zahlreiche Zuschauer die Vorführung vorzeitig verließen. Einen Preis für die beste Regie gab es dort aber trotzdem, und das völlig verdient. Zwar droht der Film immer wieder, komplett aus den Fugen zu geraten, steht aber offensiv zu seiner Schrägheit. Und das Ende lässt reichlich Raum für deutlich ernstere Interpretationen, die weit über eine geschmacklose Komödie hinausgehen.
An sich alles andere als lustig ist bereits der Anfang: Hank (Paul Dano) ist auf einer einsamen Insel gestrandet und leidet an seiner Einsamkeit. Als er sich schließlich umbringen will, wird ein Mann (Daniel Radcliffe) an Land gespült. Dieser entpuppt sich allerdings als Leiche, in dessen Gedärmen es massiv gärt. Ein Umstand, den Hank als Außenbordmotor nutzt und auf dem Körper in See sticht. Tatsächlich findet er schließlich Land, allerdings ist auch hier keine Zivilisation in Sicht. Hank schleppt seinen Lebensretter dennoch weiter mit – vor allem als er merkt, zu was dieser alles nutze ist, etwa als Wasserspeicher oder bei der Jagd. Fast wie ein Schweizer Taschenmesser also, woraus sich auch der Titel des Films erklärt.
Darüber hinaus beginnt Manny aber auch zu sprechen und wird zu einem wichtigen Gefährten. Da er alles über das Leben vergessen hat, erzählt ihm Hank über Gefühle wie Liebe und Einsamkeit und arrangiert immer aufwendigere Inszenierungen, die sich oft um seine heimliche Liebe zu Sarah (Mary Elizabeth Winstead) drehen. Diese Szenen sind voller Referenzen an Filme wie „Jurassic Park“und „Immer wieder Ärger mit Bernie“und äußerst originell gestaltet.
Die zuvor vor allem durch Kurzfilme in Erscheinung getretenen Daniel Scheinert und Daniel Kwan geben hier ihr abendfüllendes Regiedebüt und sind offenkundig von Filmemachern wie Michel Gondry und Spike Jonze inspiriert. Durch den schauspielerischen Einsatz der beiden Hauptdarsteller erhält „Swiss Army Man“aber jenseits aller Cleverness und bizarren Ideen auch eine emotionale Note. Manny beginnt sich nach den einfachsten Momenten des Lebens zu sehnen, und Hank entpuppt sich als selbst vor seinem Inseldasein zutiefst einsamer Mensch.
Auch wenn sich nicht immer all diese Teile des Films passend zusammenfügen, bietet er doch ein ziemlich einzigartiges Erlebnis, insbesondere für alle, die klagen, dass im Kino doch immer nur das Gleiche laufe. Für diese abwechslungsreiche Erfahrung kann man durchaus einige Blähungen in Kauf nehmen.