Der Klang der Stille
Paul Simon wird 75 – Auch ohne Art Garfunkel als Rockstar erfolgreich
Ein Moment dürfte den Besuchern der diesjährigen „Rock im Park“- und „Rock am Ring“-Festivals besonders in Erinnerung geblieben sein: Als David Draiman, Frontmann der Heavy-MetalBand Disturbed die erste Zeile von „Sound of Silence“anstimmt, sangen Tausende vereint jede Zeile mit. Das Video von einem Auftritt der Band in der Show von Conan O’Brien wurde schon mehr als 115 Millionen Mal aufgerufen. Nicht schlecht für einen Titel, der erstmals vor 52 Jahren veröffentlicht wurde – und dessen Autor Paul Simon heute seinen 75. Geburtstag feiert.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein Song, der mit der melancholischen Zeile „Hello darkness, my old friend…“beginnt und von der Entfremdung des Einzelnen in der Masse handelt, selbst zu einem Massenphänomen geworden ist. Auf einer Liste der am meisten gespielten Songs des 20. Jahrhunderts in den USA landete er auf Platz 18 (ein Platz vor der Simon-Komposition „Bridge over Trouble Water“aber noch hinter „Mrs Robinson“, die es sogar auf die sieben schaffte).
Dabei wurde das Stück in der damaligen New Yorker Folk-Szene zunächst nicht sonderlich ernst genommen, und das Duo Simon & Garfunkel hatte sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits wegen Erfolglosigkeit getrennt. Der in New Jersey geborene Paul Simon hatte Art Garfunkel (der am 5. November 75 wird) im Alter von elf Jahren bei einer Schulaufführung kennengelernt. Bald darauf begannen die beiden zusammen zu musizieren, wobei sie sich zeitweise „Tom & Jerry“nannten. Der Verweis auf das ungleiche Cartoon-Duo nahm dabei vielleicht schon etwas von der über Jahrzehnte hinweg turbulenten Beziehung der beiden vorweg. Doch mit den „Sounds of Silence“waren die Zeichen erst einmal auf Erfolg gestellt: Wie der Film „Die Reifeprüfung“mit Dustin Hoffman, auf dessen Soundtrack das Duo prominent vertreten war, passten die Songs von Simon & Garfunkel zum Zeitgeist im „Sommer der Liebe“und verbanden sehnsüchtige Songs mit sozialen Themen. Dominiert wurden diese oft von Garfunkels engelsgleicher Stimme, Simon war für den Großteil der Kompositionen verantwortlich.
Garfunkel allein erfolglos
Das zahlte sich aus, als die beiden nach dem bombastisch produzierten 1970er-Album „Bridge over Troubled Water“wieder getrennte Wege gingen. Garfunkel machte als Schauspieler auf sich aufmerksam, konnte musikalisch aber nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen und versank in den 1980er-Jahren nach einer privaten Tragödie in Depressionen. Auch Simons Karriere bleib nicht ohne Tiefen, dafür waren die Höhen aber enorm. In den 1970er-Jahren veröffentlichte er mehrere herausragende Solo-Alben wie „Still Crazy after All These Years“. Als 1983 allerdings das zeitweise als Simon&Garfunkel-Comeback geplante Album „Hearts and Bones“zum Flop wurde, geriet der Musiker in eine Sinnkrise.
Damit zog er gleich mit vielen seiner Zeitgenossen wie Bob Dylan und Neil Young. Simons Antwort war aber brillant: Nur drei Jahre später etablierte er mit „Graceland“die Vermischung von Rock und nicht westlicher traditioneller Musik. Durch die Zusammenarbeit mit südafrikanischen Musikern wurde er so mit 45 Jahren nochmals zum Popstar, dieses Mal in der Kategorie „Weltmusik“.
Es folgten zwar auch einige Flops wie das Broadway-Musical „The Capeman“, aber mit der in diesem Sommer erschienenen Platte „Stranger to Stranger“erweist sich Simon wieder als Meister der anspruchsvollen Popmusik. Ankündigungen des Musikers, anlässlich seines Geburtstags nun in Rente zu gehen, sollte man daher nicht allzu ernst nehmen.