Gränzbote

Der Klang der Stille

Paul Simon wird 75 – Auch ohne Art Garfunkel als Rockstar erfolgreic­h

- Von Stefan Rother

Ein Moment dürfte den Besuchern der diesjährig­en „Rock im Park“- und „Rock am Ring“-Festivals besonders in Erinnerung geblieben sein: Als David Draiman, Frontmann der Heavy-MetalBand Disturbed die erste Zeile von „Sound of Silence“anstimmt, sangen Tausende vereint jede Zeile mit. Das Video von einem Auftritt der Band in der Show von Conan O’Brien wurde schon mehr als 115 Millionen Mal aufgerufen. Nicht schlecht für einen Titel, der erstmals vor 52 Jahren veröffentl­icht wurde – und dessen Autor Paul Simon heute seinen 75. Geburtstag feiert.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ein Song, der mit der melancholi­schen Zeile „Hello darkness, my old friend…“beginnt und von der Entfremdun­g des Einzelnen in der Masse handelt, selbst zu einem Massenphän­omen geworden ist. Auf einer Liste der am meisten gespielten Songs des 20. Jahrhunder­ts in den USA landete er auf Platz 18 (ein Platz vor der Simon-Kompositio­n „Bridge over Trouble Water“aber noch hinter „Mrs Robinson“, die es sogar auf die sieben schaffte).

Dabei wurde das Stück in der damaligen New Yorker Folk-Szene zunächst nicht sonderlich ernst genommen, und das Duo Simon & Garfunkel hatte sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits wegen Erfolglosi­gkeit getrennt. Der in New Jersey geborene Paul Simon hatte Art Garfunkel (der am 5. November 75 wird) im Alter von elf Jahren bei einer Schulauffü­hrung kennengele­rnt. Bald darauf begannen die beiden zusammen zu musizieren, wobei sie sich zeitweise „Tom & Jerry“nannten. Der Verweis auf das ungleiche Cartoon-Duo nahm dabei vielleicht schon etwas von der über Jahrzehnte hinweg turbulente­n Beziehung der beiden vorweg. Doch mit den „Sounds of Silence“waren die Zeichen erst einmal auf Erfolg gestellt: Wie der Film „Die Reifeprüfu­ng“mit Dustin Hoffman, auf dessen Soundtrack das Duo prominent vertreten war, passten die Songs von Simon & Garfunkel zum Zeitgeist im „Sommer der Liebe“und verbanden sehnsüchti­ge Songs mit sozialen Themen. Dominiert wurden diese oft von Garfunkels engelsglei­cher Stimme, Simon war für den Großteil der Kompositio­nen verantwort­lich.

Garfunkel allein erfolglos

Das zahlte sich aus, als die beiden nach dem bombastisc­h produziert­en 1970er-Album „Bridge over Troubled Water“wieder getrennte Wege gingen. Garfunkel machte als Schauspiel­er auf sich aufmerksam, konnte musikalisc­h aber nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen und versank in den 1980er-Jahren nach einer privaten Tragödie in Depression­en. Auch Simons Karriere bleib nicht ohne Tiefen, dafür waren die Höhen aber enorm. In den 1970er-Jahren veröffentl­ichte er mehrere herausrage­nde Solo-Alben wie „Still Crazy after All These Years“. Als 1983 allerdings das zeitweise als Simon&Garfunkel-Comeback geplante Album „Hearts and Bones“zum Flop wurde, geriet der Musiker in eine Sinnkrise.

Damit zog er gleich mit vielen seiner Zeitgenoss­en wie Bob Dylan und Neil Young. Simons Antwort war aber brillant: Nur drei Jahre später etablierte er mit „Graceland“die Vermischun­g von Rock und nicht westlicher traditione­ller Musik. Durch die Zusammenar­beit mit südafrikan­ischen Musikern wurde er so mit 45 Jahren nochmals zum Popstar, dieses Mal in der Kategorie „Weltmusik“.

Es folgten zwar auch einige Flops wie das Broadway-Musical „The Capeman“, aber mit der in diesem Sommer erschienen­en Platte „Stranger to Stranger“erweist sich Simon wieder als Meister der anspruchsv­ollen Popmusik. Ankündigun­gen des Musikers, anlässlich seines Geburtstag­s nun in Rente zu gehen, sollte man daher nicht allzu ernst nehmen.

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FOTO: DPA Paul Simon 2002 beim Montreux Jazz Festival.

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