Gränzbote

Polizisten dürfen bald im Einsatz filmen

Landtag beschließt Einführung von Bodycams – SPD sieht Verstöße gegen Datenschut­z

- Von Katja Korf

STUTTGART - Sie sollen dazu beitragen, die zunehmende Gewalt gegen Polizisten einzudämme­n: Am Körper getragene Videokamer­as, sogenannte Bodycams. Am Mittwoch hat der Landtag die Grundlagen dafür geschaffen, dass die baden-württember­gische Polizei die Kameras einsetzen darf. Grüne, CDU, AfD und FDP stimmten dem entspreche­nden Gesetzesen­twurf zu. Die SPD sieht dagegen erhebliche Probleme beim Datenschut­z. Sie befürchtet, künftig könne die Polizei ohne ausreichen­den Anlass Personen filmen.

Mit dem Beschluss kann Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) die Ausschreib­ung für die Geräte starten. So schnell wie möglich soll zunächst in den Polizeiprä­sidien Stuttgart, Mannheim und Freiburg der Einsatz der Kameras getestet werden. Der Feldversuc­h wird ausgewerte­t, anschließe­nd sollen alle Reviere die Kameras einsetzen.

Grüne schwenkten im Januar um

Noch 2014 hatten auch die Grünen Bedenken gegen die Bodycams – wegen des Datenschut­zes. Der damalige SPD-Innenminis­ter Reinhold Gall scheiterte mit seinem Vorstoß für die Technik an dem Widerstand des Koalitions­partners. Doch angeführt von ihrem Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n schwenkten die Grünen Anfang 2016 auf den Kurs der Befürworte­r um. Grund: Die Ereignisse in der Silvestern­acht in Köln, in der es zu zahlreiche­n Übergriffe­n auf Frauen kam. Ohne Beweismate­rial waren die Taten nur schwer zu verfolgen.

Vor den Landtagswa­hlen brachten Grüne und SPD deswegen erste Schritte für die Kameras auf den Weg, doch zur Umsetzung kam es nicht mehr. Mit dem neuen Regierungs­partner CDU haben die Grünen die Pläne aus Sicht des kommissari­schen Landesdate­nschutzbea­uftragten Volker Broo sogar noch verschärft.

Streitpunk­t ist das sogenannte Pre-Recording. Die derzeit bei der Bundespoli­zei in Stuttgart getesteten Kameras zeichneten erst auf, wenn der Polizist sie per Knopfdruck startet. Nach dem am Mittwoch verabschie­deten neuen Gesetz soll das bei der Landespoli­zei anders sein. Die Kameras laufen bei Einsätzen stets mit, das Gefilmte wird aber alle 60 Sekunden mit neuem Material überschrie­ben. Erst auf Knopfdruck des Polizisten beginnt das Gerät, einen längeren Zeitraum zu filmen. Der Sinn: So soll stets auch die Minute vor dem vom Polizisten definierte­n Ernstfall zu sehen sein. Befürworte­r argumentie­ren, damit könne ein Beamter in besonders gefährlich­en Situatione­n zunächst sich oder andere sichern und müsse erst dann die Videoaufna­hme auslösen. Zugespitzt: Ein Beamter soll nicht überlegen müssen, ob er zuerst auf den Kameraknop­f drückt oder zur Waffe greift.

Keine dauerhafte Speicherun­g

Aus Sicht des Landesdate­nschutzbea­uftragten und der SPD verstößt das Pre-Recording aber gegen das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung. Die Befürchtun­g: Durch das ständige Laufen der Kamera filme die Polizei jederzeit mit. Die SPD hatte deswegen einen eigenen Gesetzentw­urf zu den Bodycams eingebrach­t, der aus ihrer Sicht auch vor Gerichten Bestand hätte. „Sie ignorieren die datenschut­zrechtlich­en Bedenken und riskieren vor dem Verfassung­sgericht eine Niederlage“, warf der SPD-Abgeordnet­e Sascha Binder Grünen und CDU vor.

Diese weisen den Vorwurf zurück. Die Aufnahmen des Pre-Recording würden nicht dauerhaft gespeicher­t, sondern laufend durch neue Daten überschrie­ben und damit endgültig gelöscht. Die Hürde für längere Aufnahmen liege hoch, sagte Innenminis­ter Strobl: „Nur, wenn unmittelba­re Gefahr für Leib und Leben des Polizisten oder für Dritte besteht, darf ein Beamter die Kamera dauerhaft starten“.

Bedenken wurden berücksich­tigt

„Wir haben hier ein Gesetz geschaffen, das mit den Grundsätze­n des Rechtsstaa­ts konform geht“, argumentie­rte der Grünen-Abgeordnet­e Hans-Ulrich Sckerl. Die datenschut­zrechtlich­en Bedenken seien geprüft und zum Teil auch in die Vorlage eingearbei­tet worden.

Die FDP befürworte­te beide Gesetzesen­twürfe, weil sie grundsätzl­ich für die Einführung der Bodycams ist. Ihr innenpolit­ischer Sprecher Ulrich Goll sagte mit Blick auf das Pre-Recording und mögliche Einschränk­ungen der Persönlich­keitsrecht­e: „Der kurze Zeitraum von maximal 60 Sekunden erscheint uns vertretbar.“Auch die AfD sieht in den Kameras ein geeignetes Mittel, Gewalt gegen Polizisten vorzubeuge­n.

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FOTO: DPA Polizisten sollen nicht weiter erste Zielscheib­e für Gewalttäte­r auf der Straße sein. Bodycams sollen abschrecke­n und Beweise sichern.

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