Al-Bakrs Suizid wird zum Politikum
Selbsttötung des terrorverdächtigen Syrers löst Streit über mögliche Behördenfehler aus
BERLIN/LEIPZIG - Entsetzen, Fassungslosigkeit, aber auch Empörung und Kritik herrschen nach dem Suizid des terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in seiner Zelle in der Leipziger Justizvollzugsanstalt (JVA) am Mittwochabend. Die Selbsttötung des inhaftierten Syrers löste eine heftige politische Debatte über Fehler der Justiz, politische Verantwortung und Konsequenzen aus: Hätte der Selbstmord verhindert werden können? Oder war es eine Tragödie, die man nicht ausschließen konnte?
„Das hätte nicht passieren dürfen, ist aber leider geschehen“, räumte Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow am Donnerstag ein. Während der CDU-Politiker und der JVALeiter Rolf Jacob ein Fehlverhalten bestritten und alle Vorwürfe zurückwiesen, hagelte es in Berlin Kritik. Es fielen Worte wie „Fiasko“, „Kontrollverlust“und „Staatsversagen“.
„Das ist ein erschreckender Vorfall, der jetzt untersucht werden muss“, sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). Er halte aber nichts davon, politische Konsequenzen zu fordern, bevor der Fall untersucht worden sei. „Es ist hier vorgegangen worden, als sei es ein Taschendieb, der vor dem Hauptbahnhof gefasst worden ist“, sagte hingegen GrünenFraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, die eine lange Kette des Versagens bei der sächsischen Polizei und Justiz ausgemacht haben wollte.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) beklagte, dass nach dem Freitod des Verdächtigen die weiteren Ermittlungen erschwert würden. Es sei nicht klar, ob es noch Hintermänner und Netzwerke gebe. Al-Bakr stand im Verdacht, im Auftrag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen Bombenanschlag in Deutschland verüben zu wollen. Er war nach einem missglückten Zugriff an seinem Wohnort Chemnitz später in Leipzig gefasst worden. Auch hier hatte es Kritik an der Arbeit der Behörden gegeben.
Innen- und Sicherheitsexperten ließen auch diesmal kein gutes Haar an der Arbeit der sächsischen Justiz. „Der Selbstmord von Dschaber alBakr hätte nicht passieren dürfen, zumal offenkundig Indizien vorhanden waren, dass er konkret suizidgefährdet war“, erklärte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU). So hätte man al-Bakr engmaschiger rund um die Uhr beobachten müssen. „Unverständlich bleibt, weshalb al-Bakr nach seiner Verhaftung nicht unmittelbar zur Generalbundesanwaltschaft nach Karlsruhe verbracht wurde.“
Al-Bakr hatte sich an einem Gitter seiner Zelle mit einem T-Shirt aufgehängt. Die Verantwortlichen im Gefängnis gingen davon aus, dass „keine akute Suizidgefahr“bestand. „Er war ruhig, er war sachlich. Es gab keine Hinweise auf irgendwelche emotionalen Ausfälle“, sagte Gefängnisleiter Jacob. Selbstkritisch stellte er aber die Frage in den Raum: „Waren wir vielleicht doch ein bisschen zu gutgläubig?“