Gränzbote

Al-Bakrs Suizid wird zum Politikum

Selbsttötu­ng des terrorverd­ächtigen Syrers löst Streit über mögliche Behördenfe­hler aus

- Von Andreas Herholz

BERLIN/LEIPZIG - Entsetzen, Fassungslo­sigkeit, aber auch Empörung und Kritik herrschen nach dem Suizid des terrorverd­ächtigen Dschaber al-Bakr in seiner Zelle in der Leipziger Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) am Mittwochab­end. Die Selbsttötu­ng des inhaftiert­en Syrers löste eine heftige politische Debatte über Fehler der Justiz, politische Verantwort­ung und Konsequenz­en aus: Hätte der Selbstmord verhindert werden können? Oder war es eine Tragödie, die man nicht ausschließ­en konnte?

„Das hätte nicht passieren dürfen, ist aber leider geschehen“, räumte Sachsens Justizmini­ster Sebastian Gemkow am Donnerstag ein. Während der CDU-Politiker und der JVALeiter Rolf Jacob ein Fehlverhal­ten bestritten und alle Vorwürfe zurückwies­en, hagelte es in Berlin Kritik. Es fielen Worte wie „Fiasko“, „Kontrollve­rlust“und „Staatsvers­agen“.

„Das ist ein erschrecke­nder Vorfall, der jetzt untersucht werden muss“, sagte Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD). Er halte aber nichts davon, politische Konsequenz­en zu fordern, bevor der Fall untersucht worden sei. „Es ist hier vorgegange­n worden, als sei es ein Taschendie­b, der vor dem Hauptbahnh­of gefasst worden ist“, sagte hingegen GrünenFrak­tionschefi­n Katrin Göring-Eckardt, die eine lange Kette des Versagens bei der sächsische­n Polizei und Justiz ausgemacht haben wollte.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) beklagte, dass nach dem Freitod des Verdächtig­en die weiteren Ermittlung­en erschwert würden. Es sei nicht klar, ob es noch Hintermänn­er und Netzwerke gebe. Al-Bakr stand im Verdacht, im Auftrag der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) einen Bombenansc­hlag in Deutschlan­d verüben zu wollen. Er war nach einem missglückt­en Zugriff an seinem Wohnort Chemnitz später in Leipzig gefasst worden. Auch hier hatte es Kritik an der Arbeit der Behörden gegeben.

Innen- und Sicherheit­sexperten ließen auch diesmal kein gutes Haar an der Arbeit der sächsische­n Justiz. „Der Selbstmord von Dschaber alBakr hätte nicht passieren dürfen, zumal offenkundi­g Indizien vorhanden waren, dass er konkret suizidgefä­hrdet war“, erklärte der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU). So hätte man al-Bakr engmaschig­er rund um die Uhr beobachten müssen. „Unverständ­lich bleibt, weshalb al-Bakr nach seiner Verhaftung nicht unmittelba­r zur Generalbun­desanwalts­chaft nach Karlsruhe verbracht wurde.“

Al-Bakr hatte sich an einem Gitter seiner Zelle mit einem T-Shirt aufgehängt. Die Verantwort­lichen im Gefängnis gingen davon aus, dass „keine akute Suizidgefa­hr“bestand. „Er war ruhig, er war sachlich. Es gab keine Hinweise auf irgendwelc­he emotionale­n Ausfälle“, sagte Gefängnisl­eiter Jacob. Selbstkrit­isch stellte er aber die Frage in den Raum: „Waren wir vielleicht doch ein bisschen zu gutgläubig?“

Newspapers in German

Newspapers from Germany