Auflagen
Bundesregierung darf dem angestrebten Freihandelsabkommen der EU mit Kanada vorläufig zustimmen
FRANKFURT - Erleichterung in der deutschen Wirtschaft: Die Bundesregierung darf dem Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada vorerst zustimmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag nach nächtlichen Beratungen entschieden. Allerdings hat das Gericht Auflagen erteilt. Dass die Wirtschaftsverbände sich freuen, hat auch damit zu tun, dass ihnen sonst vielfach die Felle wegschwimmen: Die Globalisierung, die den Freihandel braucht, scheint auf dem Rückzug. Manche sprechen schon vom „Ende einer Ära“.
Das Verfassungsgericht hatte eine „Folgenabwägung“vorgenommen und argumentiert, bei einem vorläufigen Stopp von Ceta „drohten der Allgemeinheit mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Nachteile“(AZ: 2 BvR 1368/16 und weitere). Diese lägen „weniger auf wirtschaftlichem als vielmehr auf politischem Gebiet.“Zudem würde ein gerichtlicher Stopp „in erheblichem Maße in die – grundsätzlich weite – Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung im Rahmen der Europa-, Außen- und Außenwirtschaftspolitik eingreifen.“
Damit, so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hätte eine einstweilige Verfügung gegen das Abkommen schwere und irreversible Nachteile für Deutschland und die Europäische Union gehabt. Die Bundesregierung kann im EU-Handelsministerrat am nächsten Dienstag dem Abkommen zustimmen. Auf dem EUKanada-Gipfel am 27. Oktober soll es unterschrieben werden. Danach muss es das Europäische Parlament absegnen. Sodann müssen es die nationalen Parlamente der EU-Staaten ratifizieren. Kein Parlament darf ablehnen, sonst wird Ceta nicht gültig.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht das Abkommen nicht ohne Auflagen an die Bundesregierung passieren lassen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Bedingungen des Gerichts könnten erfüllt werden. Gemäß den Karlsruher Auflagen darf die Bundesregierung nur den Vertragspassagen zustimmen, für die die EU zuständig ist. Vereinbarungen aus dem nationalen Kompetenzbereich dürften nicht vorläufig gelten. Dabei geht es etwa um das umstrittene Investitionsschutzgericht. Die Richter wollen auch festgelegt wissen, dass Vertragsanpassungen nicht ohne den EU-Ministerrat möglich sein können. Und vor allem müsse die Bundesregierung „unverzüglich in völkerrechtlich erheblicher Weise“erklären, dass sie willens sei, die vorläufige Anwendung des Abkommens notfalls zu beenden.
Dennoch war die Reaktion aus der Wirtschaft überwiegend positiv: Das Bundesverfassungsgericht habe „eine gute und für den Industriestandort Deutschland und Europa wichtige Entscheidung getroffen“, teilte der Maschinenbauverband VDMA mit. Dessen Leiter der Abteilung Außenwirtschaft, Ulrich Ackermann, sagte: „Das Urteil ist auch ein deutliches Signal an unsere Handelspartner in der Welt, dass die EU zu umfassenden Handelsabkommen bereit ist.“Der Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer, Lutz Goebel, sprach von einem „guten Tag für den Freihandel“. Und der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sagte: „Mit diesem modernen Freihandelsabkommen geht die EU einen wichtigen Schritt, um die Globalisierung nach unseren europäischen Werten zu gestalten.“
Wenn es überhaupt noch viel zu gestalten gibt. Ralph Solveen, leitender Volkswirt bei der Commerzbank, sieht beim Thema Globalisierung schon „das Ende einer Ära“: Der Welthandel stagniere seit Herbst 2014, stellt er in einer Studie fest. Der schuldenfinanzierte Investitionsboom in Asien flaue ab.