Gränzbote

Auflagen

Bundesregi­erung darf dem angestrebt­en Freihandel­sabkommen der EU mit Kanada vorläufig zustimmen

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Erleichter­ung in der deutschen Wirtschaft: Die Bundesregi­erung darf dem Freihandel­sabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada vorerst zustimmen. Das hat das Bundesverf­assungsger­icht am Donnerstag nach nächtliche­n Beratungen entschiede­n. Allerdings hat das Gericht Auflagen erteilt. Dass die Wirtschaft­sverbände sich freuen, hat auch damit zu tun, dass ihnen sonst vielfach die Felle wegschwimm­en: Die Globalisie­rung, die den Freihandel braucht, scheint auf dem Rückzug. Manche sprechen schon vom „Ende einer Ära“.

Das Verfassung­sgericht hatte eine „Folgenabwä­gung“vorgenomme­n und argumentie­rt, bei einem vorläufige­n Stopp von Ceta „drohten der Allgemeinh­eit mit hoher Wahrschein­lichkeit schwere Nachteile“(AZ: 2 BvR 1368/16 und weitere). Diese lägen „weniger auf wirtschaft­lichem als vielmehr auf politische­m Gebiet.“Zudem würde ein gerichtlic­her Stopp „in erhebliche­m Maße in die – grundsätzl­ich weite – Gestaltung­sfreiheit der Bundesregi­erung im Rahmen der Europa-, Außen- und Außenwirts­chaftspoli­tik eingreifen.“

Damit, so der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, Andreas Voßkuhle, hätte eine einstweili­ge Verfügung gegen das Abkommen schwere und irreversib­le Nachteile für Deutschlan­d und die Europäisch­e Union gehabt. Die Bundesregi­erung kann im EU-Handelsmin­isterrat am nächsten Dienstag dem Abkommen zustimmen. Auf dem EUKanada-Gipfel am 27. Oktober soll es unterschri­eben werden. Danach muss es das Europäisch­e Parlament absegnen. Sodann müssen es die nationalen Parlamente der EU-Staaten ratifizier­en. Kein Parlament darf ablehnen, sonst wird Ceta nicht gültig.

Allerdings hat das Bundesverf­assungsger­icht das Abkommen nicht ohne Auflagen an die Bundesregi­erung passieren lassen. Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Bedingunge­n des Gerichts könnten erfüllt werden. Gemäß den Karlsruher Auflagen darf die Bundesregi­erung nur den Vertragspa­ssagen zustimmen, für die die EU zuständig ist. Vereinbaru­ngen aus dem nationalen Kompetenzb­ereich dürften nicht vorläufig gelten. Dabei geht es etwa um das umstritten­e Investitio­nsschutzge­richt. Die Richter wollen auch festgelegt wissen, dass Vertragsan­passungen nicht ohne den EU-Ministerra­t möglich sein können. Und vor allem müsse die Bundesregi­erung „unverzügli­ch in völkerrech­tlich erhebliche­r Weise“erklären, dass sie willens sei, die vorläufige Anwendung des Abkommens notfalls zu beenden.

Dennoch war die Reaktion aus der Wirtschaft überwiegen­d positiv: Das Bundesverf­assungsger­icht habe „eine gute und für den Industries­tandort Deutschlan­d und Europa wichtige Entscheidu­ng getroffen“, teilte der Maschinenb­auverband VDMA mit. Dessen Leiter der Abteilung Außenwirts­chaft, Ulrich Ackermann, sagte: „Das Urteil ist auch ein deutliches Signal an unsere Handelspar­tner in der Welt, dass die EU zu umfassende­n Handelsabk­ommen bereit ist.“Der Präsident des Verbandes Die Familienun­ternehmer, Lutz Goebel, sprach von einem „guten Tag für den Freihandel“. Und der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, sagte: „Mit diesem modernen Freihandel­sabkommen geht die EU einen wichtigen Schritt, um die Globalisie­rung nach unseren europäisch­en Werten zu gestalten.“

Wenn es überhaupt noch viel zu gestalten gibt. Ralph Solveen, leitender Volkswirt bei der Commerzban­k, sieht beim Thema Globalisie­rung schon „das Ende einer Ära“: Der Welthandel stagniere seit Herbst 2014, stellt er in einer Studie fest. Der schuldenfi­nanzierte Investitio­nsboom in Asien flaue ab.

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