Gränzbote

Literatur-Olymp

Für Bob Dylan: Die Entscheidu­ng des Komitees ist für die einen überfällig, für die anderen

- Von Rolf Schneider Bob

Wahrschein­lich hat er sich überaus köstlich amüsiert über die gar vielfältig­en Reaktionen, die sein Literaturn­obelpreis hervorgeru­fen hat. Bob Dylan hat seit den frühen 1960er-Jahren schon als Singer-Songwriter stets die Meinungen seines Publikums geteilt wie einst Moses das Rote Meer. „Hosianna!“oder „Kreuziget ihn!“, hießen stets die Alternativ­en. Während seine Fans nun frohlocken, dass der Meister endlich, endlich mit der höchsten Literatura­uszeichnun­g geehrt wird, kriegen die Elfenbeint­urm-Anhänger der reinen Schriftleh­re Schnappatm­ung, weil ein alter Rockstar den begehrten Lorbeer für seine „poetischen Neuschöpfu­ngen in der großen amerikanis­chen Songwriter-Tradition“(Begründung des Nobelkomit­ees) einheimst.

„Ich bin ein Großvater. Ich habe Enkel, die andere Sänger gut finden. Ich spiele für Leute, die meine Gefühle verstehen“, hat der große Rätselhaft­e aus Duluth, Minnesota, mal verkündet. Ein typischer Dylan-Satz: Wie könnte man seine Gefühle verstehen, wenn man den Schöpfer und Sänger von Weltkultur­erbe-Liedern selbst bei bestem Willen nur phasenweis­e versteht?

Bob Dylan hat in den 1960er-Jahren mit Songs wie „Blowin’ in The Wind“, „Like A Rolling Stone“oder „Masters of War“der Musik Profil gegeben, Haltung, Verstand auch und Aufmüpfigk­eit. Er war die Stimme Karriere zurückblic­ken: 2001 im Basler Stadion St. Jakob. von Freiheit und Freizügigk­eit einer ganzen Generation, ehe die widerliche Wirklichke­it die Studenten einholte und die Jugendträu­me im Erwachsene­nleben zwischen Zweitwagen und Drittfrau erstarrten. beim Roskilde

Dylans Texte waren bis zur Schmalzebe­ne hin zärtlich-poetisch („Sad Eyed Lady of The Lowlands“) und bis an den Surrealism­us grenzend unverständ­lich („Juwelen und Ferngläser baumeln vom Kopf des Maultiers/Aber diese Visionen von Johanna lassen alles so grausam erscheinen“/Visions of Johanna/Blonde by Blonde). Eines waren sie nie: langweilig und unpoetisch. „Er hat dem Pop Verstand gegeben“, schrieb einst der renommiert­e Pop-Poet Nik Cohn.

Bob Dylan hat vor allem der Musikhisto­rie Gehalt gegeben – in Protestson­gs („Masters of War“) und in zartbitter­en Liebeslied­ern („I Want You“). „Alles, was ich mache, basiert auf Fehlern“, hat er in einem Anfall von Ehrlichkei­t einst geäußert, um gleich die Masse der Fehltritte noch in publikumsw­irksam zu vergrößern. Seinen Hit „The Times They Are A-Changin’“beispielsw­eise hat er an die Bank of Montreal als Werbe-Jingle verkauft. Er ist in Bologna vor Papst Johannes Paul II. mit „Knockin’ on Heaven’s Door“aufgetrete­n. Undund er, der Prediger des Anti-Militarism­us und der Friedferti­gkeit, hat vor den Offizier-Kadetten an der USKadersch­miede Westpoint gesungen.

Literarisc­her Ritterschl­ag

1965 Dylan ist auf einen jahrelange­n JesusTrip gegangen und hat sich trotz heftiger Irritation­en seiner Jünger nie fundamenta­l erklärt: „Ich möchte nicht mehr an mich selbst erinnert werden“, sagte er schon vor 20 Jahren. Doch weil seine Jünger und nicht nur diese sich stets an ihn und seiner Freundin Joan seine Texte und Melodien erinnern, ist der „Shakespear­e seiner Generation“(„New York Times“) schon seit vielen Jahren stets als Nobelpreis­kandidat für Literatur – für Popmusik gibt es ja keinen – gehandelt worden. Nun ist der Vater von fünf erwachsene­n Kindern, der seit mehr als 20 Jahren auf seiner Never Ending Tour rund um den Globus reist, also doch mit dem literarisc­hen Ritterschl­ag geadelt worden. Eigentlich könnte er jetzt seine nie endend sollende Tour abbrechen. Aber das wäre ein Stilbruch: Dann hätte er erstmals das gemacht, was die Leute von ihm erwarten. Was ist Ihr Lieblingss­ong von Dylan? Stimmen Sie ab unter www.schwaebisc­he.de/dylan

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Bob Dylan kann auf eine lange (oben) und 1984 beim Konzert (links)
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DPA/AFP Festival Dänemark, mit damaligen Baez
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