Noch vor dem Abi an die Hochschule
Die Schülerin Julia Högerle hat
TUTTLINGEN - „Man muss selbstständiger sein.“So lautet Julia Högerles Fazit nach ihrem ersten Hochschulsemester. Keine ungewöhnliche Erkenntnis wahrscheinlich – mit dem kleinen Unterschied, dass Högerle eigentlich noch Schülerin ist. Im April macht sie am Tuttlinger Immanuel-Kant-Gymnasium ihr Abitur.
Dass sie schon vor dem Abitur vom Klassenzimmer stundenweise in den Hörsaal wechseln durfte, hat vor allem mit guten Kontakten zu tun. Ihr Lehrer Olaf Ploh hatte sie auf die Idee gebracht und am Tuttlinger Campus der Hochschule Furtwangen nachgefragt. Da die beiden Gymnasien über verschiedene Projekte, etwa die Schüler-Ingenieur-Akademie, bereits gute Beziehungen zum Campus hatten, sagten die Verantwortlichen schnell ja – auch wenn nicht von Anfang an klar war, ob es überhaupt klappen würde. „Das muss ja auch vom Stundenplan her zusammenpassen“, meint Sebastian Dörn, Professor für Mathematik und Informatik am Tuttlinger Campus.
Der Plan: Julia Högerle würde weiter ganz normal zur Schule gehen, aber nebenbei zwei Seminare an der Hochschule belegen. Die heute 17-Jährige war da gerade in der Kursstufe eins, also in der elften Klasse. Als Hauptfächer an der Schule hatte sie Sport und Physik gewählt, ihre Wahl an der Hochschule fiel auf Informatik und Implantate. Weniger aus Vorliebe, „sondern weil es einfach in meinen Stundenplan passte“, meint Högerle.
Im Sommersemester 2016 verbrachte sie zweimal die Woche ihren Nachmittag am Campus. Erst eineinhalb Stunden Vorlesung, dann Praktikum, also selbstständige Arbeit im Labor oder am Rechner. „Am Anfang war es richtig schwer, ich hatte ja wenig Högerle bei Sebastian Ahnung“, gibt Högerle zu. Zudem kristallisierte sich heraus, dass zwei Seminare zu viel waren. Högerle konzentrierte sich auf Informatik, von da an lief es recht gut. „Auch weil ich einige Sachen nicht alleine machen musste, wir haben zu zweit zusammengearbeitet“, sagt sie.
Dass die Schülerin kaum Vorwissen hatte, sei dabei kein großes Problem gewesen, sagt Professor Dörn. „Wir haben nur wenige Studenten, die schon programmieren können“, meint er. An der Schule werde Informatik kaum gelehrt. „Meistens können diejenigen, die vorher eine Ausbildung gemacht haben, mehr als die, die von der Schule kommen“, sagt ein Dörn. Kein Wunder deshalb wohl auch die Durchfallquote: 40 Prozent der Studenten bestehen die Klausur am Ende des Semesters nicht.
Nicht einfach zu meistern
absolviert. Auch Julia Högerle hatte Bammel, ob es bei ihr reichen würde. „Die ganzen Aufgaben waren in der Zeit einfach nicht zu meistern“, erinnert sie sich. Eine unbegründete Sorge, meint ihr Professor, denn dafür sei die Klausur gar nicht ausgelegt. Högerle habe sich „sehr gut gemacht“. Von 40 Studenten lieferte sie die zehntbeste Arbeit ab.
Das Semester an der Hochschule kann sich Högerle für das Abitur anrechnen lassen – was aber mit ExtraAufwand verbunden ist. Sie musste eine zehnseitige Seminararbeit schreiben, Schwerpunktthema „Industrie 4.0“, und ihre Ergebnisse vor einer Prüfungskommission der Schule präsentieren. Die Note, die sie dafür bekommt, ist der Ersatz für ihr mündliches Abitur.
Auch wenn es viel Arbeit war, Högerle bereut den verfrühten Schritt an die Hochschule nicht. Es hat sie zum Nachdenken gebracht: „Eigentlich wollte ich Medizin studieren, aber Informatik könnte ich mir jetzt auch vorstellen.“Ihr Professor rät zur Mischung: „Medizinische Informatik gibt’s inzwischen auch.“