Gränzbote

Land hält an Plan für Erstaufnah­me fest

Konzept für Flüchtling­sunterkünf­te im Kabinett – Kritik aus Ellwangen und Sigmaringe­n

- Von Katja Korf

STUTTGART - Trotz der Proteste in Sigmaringe­n und Ellwangen bleibt es dabei: Das Land will die Erstaufnah­mestellen (LEA) für Flüchtling­e auch über 2019 hinaus erhalten. Über ein entspreche­ndes Vorhaben hat Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) die Ministerru­nde von Grünen und CDU am Dienstag in Stuttgart informiert. Die Oberhäupte­r der beiden betroffene­n Städte äußerten sich zurückhalt­end.

Bereits vor einigen Wochen waren die Pläne bekannt geworden. Demnach fährt das Land die Unterbring­ungsmöglic­hkeiten für ankommende Flüchtling­e stark zurück. Statt wie bisher 34 000 soll es nur noch 8000 Plätze geben. Weitere 8000 Plätze können kurzfristi­g zur Verfügung gestellt werden.

Sinkende Flüchtling­szahlen

Grund sind sinkende Flüchtling­szahlen: So kamen im Oktober 2015 noch 17 000 Menschen nach Baden-Württember­g, ein Jahr später waren es im selben Zeitraum nur 1500. Während im Jahr 2015 rund 98 000 Asylsuchen­de nach Baden-Württember­g gekommen waren, waren es bis Ende November 2016 etwa 31 000.

Als 2015 besonders viele Flüchtling­e ins Land kamen, gab es mehr als 20 LEAs. Davon sollen nur vier weiterbetr­ieben werden, neben Sigmaringe­n und Ellwangen auch Freiburg und Karlsruhe. Hinzu kommen zwei Standorte in Tübingen und Giengen an der Brenz, die im Notfall rasch in Betrieb genommen werden können. Das Ankunftsze­ntrum, in dem die meisten neuen Flüchtling­e registrier­t werden, soll zunächst im Patrick-Henry-Village in Heidelberg bleiben. Das Innenminis­terium prüft aber eine Verlegung nach Mannheim oder Schwetzing­en.

Post daheim in Laiz

Gegen diese Pläne regt sich nach wie vor Protest. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte persönlich Post im Briefkaste­n seines Privathaus­es in Laiz. Darin fand Kretschman­n jene zwölf Forderunge­n, die der Sigmaringe­r Gemeindera­t einstimmig beschlosse­n hatte. Unter anderem plädieren die Kommunalpo­litiker dafür, die örtliche LEA bis 2020 zu schließen. Außerdem soll die Einrichtun­g nur maximal 500 Flüchtling­en Platz bieten. Das nun verabschie­dete Konzept sieht vor, dass Sigmaringe­n zur größten LEA im Land wird – mit bis zu 1250 Plätzen.

In Sigmaringe­n hatte sich auch daran Kritik entzündet – als kleinste Stadt bekomme man die größte LEA. Zu diesen Bedenken aus seiner Heimatstad­t sagte Kretschman­n am Dienstag, er könne diese Gerechtigk­eitsdebatt­e nicht ganz nachvollzi­ehen: „Wir nutzen für die LEAs geeignete Liegenscha­ften wie Kasernen. Und die sind eben dort, wo sie sind.“Der Ministerpr­äsident verteidigt­e seinen Innenminis­ter auch gegen die Vorwürfe der Kommunen, Strobl habe seine Pläne nicht frühzeitig genug mit ihnen abgestimmt. „Politik des Gehörtwerd­ens bedeutet nicht, dass Baden-Württember­g zum größten Debattierc­lub Deutschlan­ds wird und man alles mit jedem besprechen muss.“Bevor man über ein Konzept diskutiere­n könne, müsse dieses vorliegen.

Strobl selbst betonte erneut, er habe aus seiner Sicht „zum frühestmög­lichen Zeitpunkt“mit den Städten und Landkreise­n gesprochen. „Ich habe die Verantwort­lichen fünf Wochen vor dem gesamten Kabinett informiert“, so Strobl. Er hätte auch erst einen Beschluss der Minister herbeiführ­en können, um danach erst die Kommunen miteinzube­ziehen. Beide Politiker betonten, es gebe stets die Möglichkei­t, das jetzige Konzept noch anzupassen. „Wenn es zum Beispiel konkrete Investitio­nszusagen oder Ideen zur Konversion der Kasernen gibt, kann man mit uns jederzeit darüber sprechen“, so Kretschman­n.

Sigmaringe­ns Bürgermeis­ter Thomas Schärer (CDU) reagierte am Dienstag verhalten auf die Nachricht aus Stuttgart: „ Entscheide­nd ist für uns im Moment, dass wir bereits gute Gespräche in angenehmer Atmosphäre zur Erstaufnah­mekonzepti­on des Landes geführt haben. Dafür sind wir der Landesregi­erung dankbar und schauen nun, was die weiteren Gespräche bringen werden.“

Hilsenbek: Nichts entschiede­n

Skeptische­r äußert sich der Ellwanger Oberbürger­meister Karl Hilsenbek (parteilos). Er widerspric­ht der Darstellun­g des Landes, Stadt und Gemeindera­t seien vom Land frühzeitig informiert worden. „Wenn ich einen Entwurf mache, muss ich erst mit den Hauptbetei­ligten sprechen.“

Für Hilsenbek ist in Sachen LEA noch nichts entschiede­n. Das Land müsse mit den Standorten, über die es noch keine Einigung gebe, im ersten Quartal Gespräche führen – und über einen Weiterbetr­ieb der LEA in Ellwangen gebe es keine Einigung. Zudem habe der Ellwanger Gemeinerat erst jüngst beschlosse­n, dass er in Sachen LEA-Verlängeru­ng derzeit null Handlungsb­edarf sieht. So lange der Ausgang der Gespräche offen sei, dürften die Kapazitäte­n anderswo nicht abgebaut werden.

 ?? FOTO: THOMAS WARNACK ?? Protest gegen die Pläne zur Erstunterb­ringung von Flüchtling­en: Bei einer Demonstrat­ion in Sigmaringe­n unterstütz­ten Bürger Anfang Dezember den Gemeindera­t, der sich dagegen wehrt, dass die Stadt dauerhaft zum Standort der größten Erstaufnah­mestelle im...
FOTO: THOMAS WARNACK Protest gegen die Pläne zur Erstunterb­ringung von Flüchtling­en: Bei einer Demonstrat­ion in Sigmaringe­n unterstütz­ten Bürger Anfang Dezember den Gemeindera­t, der sich dagegen wehrt, dass die Stadt dauerhaft zum Standort der größten Erstaufnah­mestelle im...

Newspapers in German

Newspapers from Germany