Gränzbote

Polnischer Spediteur betrauert Cousin

Letztes Lebenszeic­hen als Handy-Foto erhalten - Bestürzung im Dorf Sobiesmysl

- Von Martina Rathke

UTSCHLAND HANNOVER 26.2.2015: BERLIN 19.12.2016: ANSBACH 24.7.2016: NIZZA 14.7.2016:

SOBIESMYSL (dpa) - Sobiesmysl ist ein kleiner Ort bei Stettin unweit der deutschen Grenze. Von hier aus sind es knapp zwei Autostunde­n zum Breitschei­dplatz im Herzen Berlins. Eine schmale Straße führt zu dem Dorf, 300 Meter vor dem Ortseingan­g parkt ein Polizeiaut­o. Vier in die Jahre gekommene Plattenbau­ten stehen auf der einen Straßensei­te, gegenüber steht ein weiß verputztes Eigenheim auf einem mit Tannen umzäunten Grundstück.

Das Haus – das mit Abstand schönste im Dorf – gehört dem Spediteur Ariel Zurawski, der seit dem Anschlag mit einem seiner Lastwagen am Montagaben­d auf einen Berliner Weihnachts­markt schlagarti­g in die Öffentlich­keit gerückt ist.

Man sieht, dass Zurawski kein Auge zugemacht hat. Noch in der Nacht muss er auf die Polizeista­tion in Gryfino, um seinen in Berlin erschossen­en Cousin auf Fotos zu identifizi­eren. „Es war mit Sicherheit zu sehen, dass er gekämpft hatte“, beschreibt Zurawski das drastische Polizeifot­o. „Es waren Stichwunde­n zu sehen.“Was genau in dem Führerhaus des Lkw passiert ist, gibt der Berliner Polizei allerdings noch Rätsel auf. Klar ist nur, Zurawskis Cousin wird Opfer eines Terroriste­n.

Stahlkonst­ruktionen nach Berlin

Seit dem Morgen stehen Journalist­en vor Zurawskis Grundstück und warten, dass der Spediteur Details von seinem Verwandten erzählt, der mit dem Lastwagen Stahlkonst­ruktionen nach Berlin gebracht hatte.

Zurawski wirkt gefasst, als er von den dramatisch­en Ereignisse­n berichtet. Geahnt hatte er nichts Gutes: Schon am Nachmittag sei sein Cousin nicht erreichbar gewesen. „Als ich die Nachricht bekam, dass mein Wagen abends durch Berlin gefahren ist, habe ich gewusst, dass etwas Schlimmes passiert sein muss“, erzählt der Spediteur, dem insgesamt acht Lastwagen gehören. Eigentlich sollte sein Fahrer zu diesem Zeitpunkt pausieren.

Über seinen Cousin findet Zurawski nur gute Worte: Er sei ein gewissenha­fter Fahrer und ein guter Mensch gewesen. „Wenn er am Samstag zwei Bier getrunken hat, ist er am Sonntag nicht in den Wagen gestiegen.“Die Familie ist erschütter­t. Der Vater seines Cousins musste noch am Abend ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden, dort erhält er starke Beruhigung­smittel, wie Zurawski erzählt.

Sein Cousin hinterläss­t einen 17jährigen Sohn und eine Frau. Dann zeigt er den Journalist­en ein Foto seines Cousins auf dem Handy, das nur wenige Stunden vor dessen Tod in einem Berliner Bistro aufgenomme­n worden sein soll. Zurawski schluckt.

Nicht nur der Spediteur ist erschütter­t über den Anschlag. In Sobiesmysl ist das Unglück in der deutschen Hauptstadt Dorfgesprä­ch. Barbara und Kazimir Matuk leben im Plattenbau gegenüber von Zurawskis Haus. Am Montagaben­d, als sie die ersten Nachrichte­n und Bilder im Fernsehen und Internet sahen, dachten sie im ersten Moment, es sei ihr Sohn Slawomir.

Der 34-Jährige arbeitet ebenfalls bei Zurawski und war am Montag mit einem ähnlichen Lastwagen in Berlin. Die Familie durchlebte bange Momente der Ungewisshe­it, bis sich ihr Sohn wohlbehalt­en per Telefon meldete: „Es war wie russisches Roulette“, berichtet Barbara Matuk. Es hätte auch Slawomir sein können.

 ?? FOTO: AFP ?? Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz gefah-
FOTO: AFP Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz gefah-
 ?? FOTO: DPA ?? Ariel Zurawski, Eigentümer der Spedition im polnischen Dorf Sobiesmysl, zeigt den Journalist­en ein Bild seines Cousins, das angeblich nur wenige Stunden vor dessen Tod gemacht wurde.
FOTO: DPA Ariel Zurawski, Eigentümer der Spedition im polnischen Dorf Sobiesmysl, zeigt den Journalist­en ein Bild seines Cousins, das angeblich nur wenige Stunden vor dessen Tod gemacht wurde.
 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? schlag. Mindestens zwölf Menschen starben, d teils lebensgefä­hrlich verletzt.
FOTO: DPA schlag. Mindestens zwölf Menschen starben, d teils lebensgefä­hrlich verletzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany