Frankreich fühlt sich an den Terror von Nizza erinnert
IS-Attentäter tötete mit Lastwagen im Juli 86 Menschen - Nach Berliner Anschlag neue Sicherheitsmaßnahmen
PARIS - „Nizza06 solidarisch mit Berlin“, schrieb Christian Estrosi am Montagabend im sozialen Netzwerk Twitter. Der frühere Bürgermeister von Nizza durchlebte mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz noch einmal das Attentat, das seine Stadt fünf Monate zuvor erschüttert hatte.
Denn der Ablauf der beiden terroristischen Angriffe war ähnlich: Ein Lastwagen raste in eine Menge, die friedlich feierte. Entsprechend groß war am Dienstag der Schock über die Berliner Ereignisse in Frankreich. „Auch wenn die Ermittlungen erst anfangen, kann man davon ausgehen, dass der Anschlag von Berlin durch das Szenario des 14. Juli inspiriert wurde“, sagte Stéphane Gicquel von der Terror-Opfervereinigung Fenvac der Zeitung „Nice Matin“.
In Nizza waren am Nationalfeiertag Tausende Menschen an der weltberühmten Promenade des Anglais zusammengekommen, um sich gemeinsam das Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag anzuschauen, als ein 31-jähriger Tunesier einen weißen 19-Tonner mit voller Wucht in die Menge lenkte. 86 Menschen starben dabei und 360 wurden verletzt, bevor die Polizei den Fahrer erschoss. Der hatte nach Angaben des Pariser Staatsanwalts François Molins seine Tat vorher genau geplant, zu der sich die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekannte.
Der dritte schwere Anschlag innerhalb von anderthalb Jahren hatte Kritik an der sozialistischen Regierung laut werden lassen, die nicht alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Franzosen ergriffen habe. Dabei war das Bedrohungsszenario bekannt: Kurz vor der Tat in Nizza hatte der Inlandsgeheimdienstchef Patrick Calvar vor einem Terrorangriff mit Fahrzeugen gewarnt.
Weihnachtsmärkte geschützt
„Nicht alles, was in den vergangenen 18 Monaten hätte getan werden können, ist auch passiert“, kritisierte der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Er forderte die Internierung Terrorverdächtiger und die Ausweisung von Ausländern mit einem Sicherheitsvermerk S. Eine Forderung, die auch der rechtspopulistische Front National nach dem Anschlag von Berlin wiederholte. „Frankreich ist nicht dazu berufen, ein Reservoir der Verdächtigen mit Vermerk S zu sein: Es muss sein Volk vor diesen Zeitbomben schützen“, erklärte Parteichefin Marine Le Pen. Für den Attentäter von Nizza lag allerdings gar kein Sicherheitshinweis vor.
Noch in der Anschlagsnacht kündigte Präsident François Hollande an, dass der seit den Attentaten des 13. November geltende Ausnahmezustand in Frankreich verlängert wird. Vergangene Woche verabschiedete das Parlament eine fünfte Verlängerung, die bis zum 15. Juli 2017 dauert. Der Ausnahmezustand erlaubt unter anderem Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, ein Demonstrationsverbot und Ausgangssperren.
Nach dem Anschlag in Berlin verstärkte die französische Regierung die Sicherheit der Weihnachtsmärkte. Für die galten nach dem Attentat von Nizza ohnehin schon schärfere Vorkehrungen. So wurden rund um die Buden entlang den ChampsElysées in Paris 60 Betonpflöcke angebracht. In Straßburg ist der berühmte Weihnachtsmarkt so abgeriegelt, dass kein Fahrzeug sich nähern kann. „Er ist wie auf einer Insel, auf die man nur nach Kontrollen kommt“, sagte Bürgermeister Roland Ries im Radiosender RTL. Im Jahr 2000 waren Anschlagspläne auf den ältesten französischen Weihnachtsmarkt vereitelt worden.