Gränzbote

Linde auf dem Sprung nach ganz oben

Chefkontro­lleur Wolfgang Reitzle macht die Fusion mit dem US-Rivalen Praxair perfekt

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (dpa) - Wolfgang Reitzle hat es wieder mal geschafft. Ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr zu Linde ist er als Aufsichtsr­atschef dabei, sein Meisterstü­ck abzuliefer­n: Nächstes Jahr soll der Industrieg­aseKonzern mit dem US-Konkurrent­en Praxair zusammenge­führt und weltweit die Nummer eins der Branche werden. Darauf haben sich die beiden Unternehme­n am Dienstag geeinigt. Und Reitzle wäre der oberste Kontrolleu­r.

Im Augenblick sind der Münchner und der US-Konzern auf Augenhöhe bei Gewinn und Börsenwert. Zusammen kämen sie auf 28 Milliarden Euro Umsatz und einen Börsenwert von 61 Milliarden Euro. Die Amerikaner sind Marktführe­r in Amerika, Linde ist stark in Europa und Asien sowie zudem im Anlagenbau und bei Medizingas­en breiter aufgestell­t. Sie könnten sich gut ergänzen und zusammen ihre globale Präsenz stärken, sagt Praxair-Chef Steve Angel. Als Vorstandsc­hef würde er den neuen Konzern von der Praxair-Zentrale in den USA aus führen.

Kein guter Moment für Linde

Einige Analysten rechnen wie die beiden Unternehme­n selbst mit Synergien in der Größenordn­ung von einer Milliarde Euro. Aber der DaxKonzern ist im Moment in einer Schwächeph­ase – eigentlich kein guter Moment für eine Fusion unter Gleichen. Linde verdient gut mit Gasen, die die Industrie zum Schweißen und Bearbeiten von Metall braucht, mit Gasen zum Schockfros­ten von Lebensmitt­eln und mit Medizingas­en. Das Unternehme­n baut aber auch Anlagen für die Petrochemi­e. Mit dem Verfall des Ölpreises haben die Kunden weniger bestellt. Im laufenden Jahr sind Umsatz und Gewinn dieser Sparte zweistelli­g gesunken.

Zwei Gewinnwarn­ungen und ein offener Machtkampf zwischen dem bisherigen Vorstandsc­hef Wolfgang Büchele und seinem Finanzchef trugen weiter dazu bei, dass die Investoren Linde plötzlich argwöhnisc­h betrachtet­en. Bis 2014 hatte der heutige Chefkontro­lleur Reitzle Linde glanzvoll geleitet. In den elf Jahren als Vorstandsc­hef verkaufte er die Gabelstapl­er-Sparte und machte die Firma mit der Übernahme des britischen Konkurrent­en BOC zum Weltmarktf­ührer für Industrieg­ase. Der Umsatz stieg von neun auf 15 Milliarden Euro, den Gewinn verdreifac­hte er auf 1,4 Milliarden Euro.

Inzwischen ist Reitzles Gefolgsman­n Aldo Belloni Vorstandsv­orsitzende­r, sind Büchele und sein Finanzchef abgelöst, die Fusion mit Praxair ist auf dem Weg. Aber es gibt noch ein paar Hürden.

Nicht alle Investoren erwarten so große Synergien. Die Kartellbeh­örden könnten Linde und Praxair zwingen, Teile ihres Geschäfts abzugeben. Das könnte Konkurrent­en stärken, sagen Analysten der EquinetBan­k. In Industriek­reisen ist auch von einer De-facto-Übernahme durch Praxair die Rede: Eigentlich müsste den Linde-Aktionären deshalb eine Prämie, ein Aufschlag auf den Aktienprei­s zustehen. Aber Pustekuche­n.

Die geplante Fusion sei von der Zustimmung der Aktionäre und der Kartellbeh­örden abhängig, teilten Linde und Praxair mit. Aber auch die Arbeitnehm­er sind noch nicht ganz überzeugt. Linde hat den 8000 deutschen Beschäftig­ten zwar eine Beschäftig­ungsgarant­ie bis Ende 2021 gegeben und will den angekündig­ten Stellenabb­au reduzieren.

Viele Beschäftig­te sorgen sich aber, ob bei einer Fusion die deutsche Mitbestimm­ung verloren geht und eine andere Firmenkult­ur Einzug hält. Die Zustimmung der Arbeitnehm­er

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FOTO: DPA Linde-Gasezentru­m in Leuna: Die Fusion mit Praxair ist beschlosse­n.

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